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„Braunzone“ in der Mitte der Gesellschaft

Foto: pauneu via flickr, cc

In Köln und der gesamten Region Nordrhein-Westfalen hat sich ein eingespieltes Nebenher von Kameradschaften, Neonazi-Parteien und rassistischen Bürgerbewegungen etabliert. Der Jugendclub Courage Köln e.V. hat mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung eine Ausstellung neu erarbeitet, die über die Strukturen aufklärt.

Von Robert Lüdecke

Bereits 2002 entstand die Wanderausstellung in Eigenregie, um über rassistische Ideologien und Organisationsformen von Neonazis zu informieren. Seither haben sich viele der Inhalte überholt, die Organisationsstrukturen haben sich verändert und auch das öffentliche Auftreten von Kameradschaften, Autonomen Nationalisten und Neonazi-Parteien hat sich gewandelt. Das ungebrochene Interesse an der Wanderausstellung zeigt jedoch trotz seiner teilweise nicht mehr aktuellen Inhalte die immer noch vorhandene Notwendigkeit der Aufklärung über diese Phänomene – deshalb erfährt die Ausstellung nun eine Neuauflage. Zwar gibt es immer wieder Vorfälle mit Neonazis, doch das größte Problem vor Ort ist „Pro Köln“. Die in den letzten Jahren erstarkten Pro-Bewegungen sollen deswegen nun mit einem stärkeren Fokus beleuchtet werden. Denn nach wie vor ist vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht bewusst, wie rassistisch deren Ziele eigentlich sind. Pro Köln spielte die Vorreiterrolle für die mittlerweile bundesweit agierenden Pro-Bewegungen.

Mit antimuslimischem Rassismus in die Mitte

Die rechtspopulistischen Parteien versuchen dabei gezielt, an die sogenannte „bürgerliche Mitte“ heranzutreten, indem man an deren Ängste anknüpft und latenten Rassismus bedient. Wie die aktuelle Studie „Die Mitte in der Krise?!“ belegt, nimmt Rassismus immer stärker zu. Die aktuelle Integrationsdebatte bestätigt diesen Eindruck. Um genau diese „Braunzone“ in der Mitte der Gesellschaft geht es dem Jugendclub Courage mit seiner Wanderausstellung. Der Verein hatte schon 2008 die Broschüre „Köln ganz rechts – Die extreme Rechte und die Braunzone in Köln“ herausgegeben und 2002 mit einer anderen Wanderausstellung unter dem Titel „Rechts um und ab durch die Mitte?!“ auf neue Taktiken der Neonazis hingewiesen. Doch seitdem hat sich das Gesicht der Neonazis verändert. Autonome Nationalisten bedienen längst nicht mehr Ideologie und Auftreten der klassischen Neonazi-Skinheads. Auch die Parteien präsentieren sich als vermeintlich volksnahe und soziale Alternative.

Die rechtspopulistischen Pro-Bewegungen bedienen vor allem den latent vorhandenen antimuslimischen Rassismus. In Köln organisierte die vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Vereinigung beobachtete Partei Pro Köln eine großangelegte Kampagne, um den Bau einer Großmoschee zu verhindern, und richtete zwei Anti-Islamisierungs-Kongresse aus. Die Vernetzung mit der Szene wird vor allem bei den Kongressen deutlich, bei denen Vertreter von nationalen und internationalen Neonazi-Parteien als Redner auftreten.

Breites Spektrum und hohe Gewaltbereitschaft

Zwar hat die steigende Popularität von Pro Köln die ehemals dominierende NPD in den Hintergrund treten lassen, doch mit lokalen Größen wie Axel Reitz ist vor allem die Kameradschaftsszene nach wie vor in der Region präsent. Immer wieder gibt es Fälle, bei denen Gruppen pöbelnd durch die Straßen ziehen und randalieren. Zum Beispiel Anfang Oktober als Neonazis versuchten, das Straßenschild der Judengasse herunterzureißen. In Dortmund hat sich in den letzten Jahren eine starke Szene der Autonomen Nationalisten etabliert, die ganze Viertel dominiert und vor allem durch die Organisation des jährlichen „Nationalen Antikriegstags“ in Erscheinung tritt. 2005 wurde in Dortmund der Punk „Schmuddel“ von Neonazis erstochen, was die hohe Gewaltbereitschaft der Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen belegt. In Nordrhein-Westfalen hat sich ein breites Spektrum neonazistischer Phänomene in einem funktionierenden Netzwerk etabliert.

Aus diesem Grund soll die Wanderausstellung sich auch nicht nur auf Köln beschränken, sondern über die Neonazi-Szene in ganz Nordrhein-Westfalen informieren. Mit der aktualisierten Fassung wird dann auch stärker für die Pro-Bewegung sensibilisiert, deren Gefahren vielen Menschen nach wie vor nicht bewusst sind. Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt die Neuauflage der Ausstellung, weil sie die Kompetenz junger Menschen in der Auseinandersetzung mit neonazistischen Inhalten fördert und sie zu demokratischem Engagement ermuntert.

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