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Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen

Erinnerung an Mehmet Turgut, eines von zehn Opfern des NSU. Foto: strassenstriche via flickr, cc

Die Wanderausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ zeigt einen sehr privaten Einblick in das Leben der zehn Ermordeten der Mordserie des NSU und das Überleben der Angehörigen nach der Tat. Durch intensive Recherchen ist eine eindrucksvolle Ausstellung entstanden, die die Betroffenen und nicht die Täter in den Mittelpunkt stellt. Die Amadeu Antonio Stiftung förderte die Erstellung der Ausstellung.

Birgit Mair ist eine vielbeschäftigte Frau: die Buchautorin und Rechtsextremismus-Expertin begleitete unter anderem Holocaust-Überlebende wie Josef Jakubowicz oder Siegfried Heilig bei Zeitzeugengesprächen, hielt in den vergangenen Jahren zahlreiche Vorträge über Neonazismus und Rassismus und ist seit September 2012 Beobachterin des NSU-Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag. Aktuell engagiert sich Mair als Koordinatorin der Ausstellung „Die Opfer des ‚Nationalsozialistischen Untergrundes‘ und die Aufarbeitung der Verbrechen“. Einem engagierten Projekt, denn hier soll möglichst umfassend auf das gesamtpolitische Klima seit den 1990ern, die Verbrechen und Morde, die Opfer und die Situation der Untersuchungsausschüsse eingegangen werden.
Mair erzählt: „Im Untersuchungsausschuss bekomme ich mit immer wieder mit, wie Angehörige der Opfer verunglimpft werden, wie die Aufklärung in Bayern schleppend vorangeht – und das obwohl hier in Nürnberg drei und in München zwei der zehn Morde stattgefunden haben. Damals haben wir in den regionalen Medien die Fälle mitbekommen und erst spät begonnen, uns Fragen zu stellen. Viele haben damals den Berichterstattungen geglaubt, es handele sich bei den Ermordeten und ihrem sozialen Umfeld um ein kriminelles, migrantisches Milieu.“

Opfer statt Täter in den Mittelpunkt

„Die öffentliche Auseinandersetzung mit der ganzen Thematik hat die Familien der Opfer stigmatisiert und kriminalisiert. Mit der Ausstellung wollen wir Opfer in den Mittelpunkt rücken, weil aus unserer Sicht aktuell die Täter sehr stark im Zentrum stehen. Wir wollen mit der Ausstellung aufklären, berichten, dass viele der Opfer Kinder hatten und dass diese Taten politische und persönliche Konsequenzen hatten. Und wir wollen fragen: wie war es möglich, dass 13 Jahre lang diese Verbrechen nicht aufgedeckt wurden? Es wurde viel zu spät in Richtung Rechts geschaut“, so Mair weiter.

Schwerpunktthema der Ausstellung ist die Aufarbeitung der Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU). Anhand dieser Ausstellung soll der Opfer des neonazistischen Terrors gedacht werden – die Mordopfer werden auf jeweils einer Tafel dargestellt, auf weiteren Tafeln wird über die über zwanzig teils schwer verletzten Opfer der Bombenanschläge in Köln sowie die Banküberfälle informiert. Zehn weitere Tafeln beschäftigen sich mit der Kriminalisierung und Stigmatisierung der Opfer, dem Kerntrio und dessen Unterstützerumfeld, der Rolle der V-Leute des Verfassungsschutzes in der neonazistischen Szene sowie der gesellschaftspolitischen Aufarbeitung des Komplexes in den bisher vier Untersuchungsausschüssen. Seit März sucht Mair die Orte der Verbrechen auf und besucht Angehörige der Opfer.

Die Ausstellung wird von Vorträgen und Workshops begleitet. Diese sollen aktuelle Entwicklungen des Neonazismus anschneiden, diskutieren, offene Frage beantworten und einen Blick auf zukünftige Entwicklungen ermöglichen. Die Wanderausstellung kannn gebucht werden und wurde bislang an 26 Orten gezeigt.

Warnung durch Erinnerung

„Das Ziel ist, Aufklärung und Sensibilisierung zu betreiben. Insbesondere Jugendliche möchten wir zum Thema rechtsradikale Gewalt informieren. Neonazis und die NPD tun stets brav und bürgerlich. Den jungen Menschen soll klar werden: es ist nicht harmlos, wenn rechte Schulhof-CDs verteilt werden oder die NPD einen Informationsstand macht. Die Neonazis bringen Leute, Nazi-Gegner, Menschen mit Migrationshintergrund um. Das soll unsere Ausstellung vermitteln.“, sagt Mair.

Die Amadeu Antonio Stiftung freut sich sehr, die Wanderausstellung „Die Opfer des ‚Nationalsozialistischen Untergrundes‘ und die Aufarbeitung der Verbrechen“ zu fördern. Das Projekt richtet sich nicht nur an junge Menschen, sondern an alle interessierten und engagierten Bürger und Bürgerinnen. Gerade die Verbindung zwischen dem Gedenken an die Opfer des NSU und der Einordnung in aktuelle Entwicklungen der rechten Szene wird deutlich machen, wie gefährlich die Verharmlosung rechtsextremer Gewalt bis heute ist.

Von Jessica Lütgens

Foto: strassenstriche (CC BY-NC 2.0)

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