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Hip-Hop für die Volksgemeinschaft

© Springstoff

Neonazis nutzen Musik, um ihre rechtsextreme Propaganda an vor allem junge Leute heranzutragen und um die internen Strukturen zu stärken. Wie sich Nationalismus und NS-Rap nun auch im Hip-Hop breit machen, zeigt die im Januar diesen Jahres mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung herausgegebene Broschüre der TickTick-Boom Crew.

Für Aufsehen sorgte so auch der Berliner Rapper >Villain051< zusammen mit der rechtsextremen Sängerin >Dee Ex<. Für das Video „Europa sagt Nein zur EU“ posieren und tanzen sie auf dem Holocaust-Mahnmal, nebenbei ertönen rechtsextreme Parolen. Drohend hetzen sie „Gegen die EU-Zionisten schreiten wir vereint in den Krieg“, strecken die rechte Faust in die Höhe, was sofort an den Hitlergruß erinnert. Mehr als 50.000 Menschen haben sich das Video auf der Internetplattform YouTube angeschaut.

Beim Rechtsrock ist dies weitestgehend schon bekannt: Die Lieder von bekannten Rechtsrock-Bands wurden schon 2004 auf der Schulhof-CD der NPD genutzt, um leichter in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen zu gelangen. In der im Januar dieses Jahres mit Unterstützung der Amadeu-Antonio Stiftung erschienen Broschüre unter dem gleichnamigen Titel beschäftigt sich nun die TickTick-Boom Crew mit Nationalismus im deutschsprachigen Hip-Hop. Sie zeigen auf, dass Nazis nun dieses Genre zunehmend als Plattform nutzen, um ihre Ideologie zu verbreiten.

>TickTick-Boom< so bezeichnet sich ein Zusammenschluss von Musikerinnen und Musikern, die gemeinsam linken Hip-Hop machen und „keinen Bock auf das mackerige Gepose eines großen Teils der „Hip-Hop-Szene“ haben“, wie sie in der Broschüre erklären. Hierbei heben sie jedoch nicht den moralischen Zeigefinger oder schreiben, um einzelne Rapperinnen und Rapper anzuprangern. Sie möchten vielmehr die Leserschaft dazu motivieren, selber Stellung zu beziehen und sich aktiv einzumischen. Eigene inhaltliche Schwerpunkte zu setzen und auch mit ihrer Musik selbst eine progressive Alternative zu öffentlich bekannteren Musikerinnen und Musikern zu bieten sind Anna Springstoffs Gegenvorschläge: „Sprecht über Textinhalte und Protagonist*innen, lasst euch auf die Diskussion ein und zeigt Alternativen auf“.

Hip-Hop als Spiegel der Gesellschaft

Diese Vereinnahmung der Hip-Hop-Musik durch Nazis verdeutlichen sie anhand von Beispielen deutschsprachiger Rapperinnen und Rapper. Dieser sogenannte >NS-Rap< und >patriotische Rap< scheint umso problematischer, da Hip-Hop ursprünglich als Reaktion von Jugendlichen auf Rassismus entstanden ist und für sie eine Plattform darstellte, ihren Unmut hierüber zu äußern.

TickTick-Boom verstehen die Rapszene als gesellschaftlichen Spiegel. Der Berliner Rapper und Aktivist >Refpolk< schreibt hierzu in seinem Beitrag über Männlichkeit, Kommerzialisierung und Nationalismus: „Rap ist nur ein Bereich unter vielen, in dem sich deutscher Nationalismus bemerkbar macht“. Als Beispiel für den deutschen Patriotismus gilt der erfolgreiche Interpret >Fler<. Mit Liedzeilen wie „Schwarz-Rot-Gold, hart und stolz“ bewegt er sich eindeutig in einem rechtsoffenen Kontext, ihm ist der Nationalstolz auch im Alltag wichtig: „Bei mir hängt die Fahne nicht nur zur Fußball-WM“.

Als Beispiel für NS-Rap gilt der sich selber in seinen Liedtexten offen als Rassisten bezeichnende >Makss Damage<: Aussagen wie „Ich leite Giftgas lyrisch in Siedlungen die jüdisch sind“ zeigen seine rechtsextreme, antisemitische Einstellung mehr als deutlich und verdeutlicht die Relevanz einer kritischen Auseinandersetzung mit diesen.

Die Broschüre gibt so Liebhaberinnen und Liebhabern von Rapmusik, aber auch Künstlerinnen und Künstlern selbst einen sehr interessanten und differenzierten Einblick in die Problematik. Hier verbleibt die Broschüre jedoch nicht bei einer bloßen Bestandsaufnahme: die Aktivisten und Aktivistinnen zeigen die Möglichkeit eines Hip-Hop abseits menschenverachtender Inhalte auf und sehen ihren Zusammenschluss selbst als Intervention: „Wir lieben den Austausch. Wir hassen die Apathie“, ein Anliegen, das die Amadeu Antonio Stiftung sehr gerne mit einer Förderung unterstützt hat.

Hier gibt es die Broschüre zum kostenlosen Download.

 

Von Imke Kummer

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