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Antisemitismus heute – Jüdische Gemeinde Barnim

Foto: Jüdische Gemeinde Barnim


Antisemitismus ist nach wie vor ein hochaktuelles Thema in Deutschland. Diese Erfahrung musste auch die jüdische Gemeinde im Landkreis Barnim in den letzten Monaten machen; doch sie lässt sich nicht unterkriegen. Und der Opferfonds CURA unterstützt sie dabei.

Wenn man Antisemitismus hört, denken viele an den Nationalsozialismus, an den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg. Doch Antisemitismus ist leider nicht Vergangenheit. Bis heute hält sich diese Ideologie in verschiedenen Ausformungen – und zieht gewaltvolle Folgen nach sich. Auch im Jahr 2011 gibt es Ereignisse, mitten in Deutschland, bei denen man nur fassungslos den Kopf schütteln kann.

Antisemitische Übergriffe in Barnim

Ein trauriges Beispiel für aktuellen Antisemitismus liefert der Landkreis Barnim. Die dort ansässige jüdische Gemeinde und einzelne ihrer 120 Mitglieder werden immer wieder Ziel von Anfeindungen und Übergriffen. Bereits im letzten Jahr – und zwar bestimmt nicht zufällig am 9. November – wurde Diana Sandler, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Barnim und ihr Sohn von zwei Personen mit „Juden raus“ beschimpft. Sie befanden sich gerade auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung anlässlich der Reichspogromnacht. Auch vor einem tätlichen Angriff schrecken die beiden unbekannten Täter nicht zurück. Diana Sandlers Sohn verletzten sie mit einem Tritt in den Magen. Leider war dies nicht der erste Übergriff auf die Familie und sollte auch nicht der letzte bleiben. Bereits im Vorfeld war es in der Nähe ihrer Wohnung mehrfach zu Hakenkreuzschmierereien gekommen.

Nicht nur Familie Sandler, sondern auch die Jüdische Gemeinde Landkreis Barnim e.V. wurde zum Angriffsziel. Nachdem der Verein im Februar 2011 neue Räumlichkeiten in Bernau bezogen hatte, wurde nur wenige Wochen später, in der Nacht zum Samstag, den 26. März eine der Schaufensterscheiben mit einem etwa 25 cm großen Feldstein eingeworfen. Verletzt wurde zwar niemand, jedoch entstand durch die zersplitterte Scheibe und das teilweise zerbrochene Fensterbrett erheblicher Sachschaden. Ein eindeutiges Bekenntnis fand sich am Briefkasten, in den ein Hakenkreuz hineingeritzt worden war. Durch diesen Anschlag fühlen sich auch der Soziale Integrationsverein Diamant e.V. sowie eine Antidiskriminierungsberatungsstelle angegriffen, die ihre Büroräume im selben Gebäude haben. Auch in den letzten Wochen nahmen die Vorfälle kein Ende. Erneut wurde eine Scheibe der Vereinsräume mit einem Hakenkreuz beschmiert und zwei Gemeindemitglieder mit „Juden raus“ beschimpft.

Diana Sandler, die Gemeindevorsitzende zeigt sich erwartungsgemäß besorgt: „Ich reagiere mit großer Angst auf die Ereignisse in unserer Gesellschaft und bin darüber schockiert, dass in einem demokratischen Land mit der Vorgeschichte des Holocaust immer noch so offener Antisemitismus möglich ist.“

Folgen für die jüdische Gemeinde

Diese Übergriffe sind für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in doppelter Hinsicht von Bedeutung. Natürlich verbreiten die verbalen Anfeindungen als auch die Nazi-Symbole Angst innerhalb der Gemeinde und ein Gefühl nicht willkommen zu sein. Hinzu kommt, dass die jüdische Gemeinde den finanziellen Schaden beheben muss. Leider ist es jedoch nicht damit getan, die zerstörte Scheibe zu reparieren, sondern die bedrohliche Atmosphäre macht weitere Schutzmaßnahmen notwendig. Um diese realisieren zu können, war und ist die Jüdische Gemeinde auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Verschiedene Initiativen wie das Netzwerk für Toleranz und Weltoffenheit und die Opferperspektive e.V. riefen deshalb zu Spenden auf. Neben Privatpersonen halfen auch Gelder der Jüdischen Gemeinde Königs Wusterhausen und der Stadt Bernau den finanziellen Schaden zu beheben. Auch der Opferfonds CURA der Amadeu Antonio Stiftung unterstützt die Gemeinde und bewilligte eine finanziellen Zuschuss zur Installation eines Video-Überwachungssystems. In Anbetracht der vergangenen Ereignisse müssen aber nicht nur die Vereinsräume, sondern auch die Gemeindemitglieder geschützt werden. „Mit Mitteln des Landkreises Barnim finanzieren wir Sicherheitspersonal für unsere Veranstaltungen. Leider sind unsere finanziellen Möglichkeiten sehr begrenzt, so dass wir dazu nicht immer die Möglichkeit haben. Von unserer Seite versuchen wir alles möglich zu machen, doch Sicherheit ist immer eine Frage des Geldes.“, erklärt Diana Sandler. Obwohl die Jüdische Gemeinde für jede Form der Unterstützung und Hilfe dankbar ist, bleibt die Vereinsarbeit durch die jüngsten Vorfälle erschwert und die Vereinsmitglieder ernüchtert und hilflos. „Die Stadt Bernau ist der Meinung, dass die Jüdische Gemeinde Landkreis Barnim ein Verein ist, wie jeder andere auch und keine besondere Unterstützung braucht“, so die ernüchternde Bilanz von Diana Sandler. „Es steht fest, dass es Antisemitismus im Land Brandenburg gibt. Es existiert keine Sicherheit.“

Es ist nicht nur beschämend, dass es nach wie vor antisemitische Meinungen gibt und diese offen geäußert werden, sondern es ist umso beschämender, dass die verantwortlichen Stellen diese Gefahr nicht als solche wahrnehmen. Selbst wenn diese Übergriffe nur von einigen wenigen Personen ausgehen und nur deren Meinungsbild zum Ausdruck bringen, so belegen sie doch das Antisemitismus nach wie vor in einigen Köpfen existiert. Diana Sandler wünscht sich für die Zukunft: „Ein friedliches Leben in der Gesellschaft, doch das ist nur möglich, wenn sich die Menschen, egal welcher Religionen oder Kultur, egal ob mit oder ohne Migrationhintergrund gegenseitig akzeptieren und Verantwortung übernehmen. Ich glaube allerdings, dass viele Menschen noch lernen müssen, was Demokratie, Toleranz und Zusammenleben mit anderen Menschen heißt.“

Von Franziska Jung

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