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Hoyerswerda hilft mit Herz

Foto: John Englart (CC BY-SA 2.0)

Erstmals nach den rassistischen Ausschreitungen von 1991 in Hoyerswerda eröffnete im Februar dieses Jahres eine neue Unterkunft für Asylsuchende. Seither engagiert sich das breite Bündnis „Hoyerswerda hilft mit Herz“ für eine demokratische Willkommenskultur. Unterstützt wird das Bündnis auch durch eine Förderung der Amadeu Antonio Stiftung.

Von Luisa Wingerter

Das dunkelste Kapitel der Stadt Hoyerswerda nach 1945 schrieb sich im September 1991, als Neonazis tagelang eine Unterkunft von Asylsuchenden sowie eine Unterkunft von Vertragsarbeitenden belagerten und mit Brandsätzen bewarfen – unter Beobachtung und Jubel vieler Anwohnenden. Die Polizei konnte oder wollte die Asylsuchenden nicht beschützen und eskortierte sie aus Hoyerswerda. Erstmals nach den rassistischen Ausschreitungen eröffnete im Februar dieses Jahres eine neue Unterkunft für 123 Asylsuchende in einer ehemaligen Förderschule.
Schon vor der Eröffnung der Unterkunft hat sich im Vergleich zu 1991 viel getan. Es gab zwei Bürgerforen unter der Leitung des Oberbürgermeisters und einen Tag der offenen Tür. Das Bündnis „Hoyerswerda hilft mit Herz“ gründete sich und zählt heute circa 100 Unterstützerinnen und Unterstützer aus der Zivilgesellschaft und verschiedenen Initiativen, wie der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Demokratie und Lebensperspektiven Hoyerswerda (RAA). Seit der Gründung versucht das Bündnis in der Bevölkerung Unsicherheiten abzubauen, Ängsten entgegenzuwirken und vor allem neuankommende Flüchtlinge zu unterstützen.

Erste Erfolge des Bündnisses

Die Akteure des Bündnisses engagieren sich in unterschiedlichen Bereichen: Alltagshilfen, Akzeptanzförderung in der Gesellschaft sowie Sprache, Sport, Kultur. Letzteren koordiniert die RAA Hoyerswerda mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung. An vorderster Stelle steht der Abbau von Sprachbarrieren, dafür werden Sprachkurse mit entsprechenden Materialien versorgt. Dank ehrenamtlicher Hilfe werden aktuell vier Sprachkurse pro Woche angeboten. Zusätzlich gibt es zwei Kurse zur Hausaufgabenhilfe für Schülerinnen und Schüler.
Doch die RAA will auch Transparenz schaffen und die Bürgerinnen und Bürger über ihre Arbeit und die Unterkunft aufklären. Zu diesem Zweck wurde ein Bürgerbüro für das Bündnis eröffnet. Auch an Schulen findet Aufklärungsarbeit statt – mit Informationsmaterialien versucht die RAA offene Fragen zu beantworten und somit Vorurteile abzubauen, die auf Unwissenheit basieren. „Wir sind uns unserer Verantwortung von den Übergriffen aus 1991 im Bereich der Wertevermittlung für Demokratie und Vielfalt bewusst“, so die RAA. Um darüber hinaus Veranstaltungen, Vernetzungen, aber auch Probleme besprechen zu können, organisiert die Regionale Arbeitsstelle wöchentlich ein Austauschtreffen mit allen Koordinatoren, Vertretenden der Stadt Hoyerswerda sowie der Heimleitung.

Die Notwendigkeit stetigen Engagements

Trotz dieser Erfolge des Bündnisses und einer positiven Entwicklung seit den rassistischen Ausschreitungen von 1991 ist die rechte Szene weiterhin präsent. Im Landkreis Bautzen sind nach Angaben des Verfassungsschutzes zwischen 150 und 200 Neonazis aktiv. Offiziell kam es im Jahr 2013 zu 123 extrem rechten Straftaten, vier davon waren Gewalttaten. Die sogenannten „Nationale Sozialisten Hoyerswerda“, mit schätzungsweise 30 Mitgliedern, gehören zu den aktivsten neonazistischen Gruppen im Landkreis. Im Oktober 2012 versammelten sich extrem Rechte, mutmaßlich Mitglieder dieser Gruppierung, vor der Wohnung eines jungen Paares, das sich gegen extrem Rechte engagierte. Nach Todes- und Vergewaltigungsdrohungen verließ das Paar aus Angst die Stadt. Der Verfassungsschutz bezeichnet dies nicht als Einzelfall; Neonazis begaben sich nach ihrem „Erfolg“ auf die Suche nach weiteren Opfern. Im Zuge dessen wurden im Mai und September des vergangenen Jahres Personen verletzt. Nach Angaben des Verfassungsschutzes fallen zusätzlich nicht organisierte Neonazis durch ihre Gewaltbereitschaft auf.

Auch in Bezug auf die Unterkunft für Asylsuchende kommt es immer wieder zu Übergriffen, wie eine Chronik der Amadeu Antonio Stiftung dokumentiert. Im Februar dieses Jahres wurde ein Bewohner der Unterkunft überfallen. Im April haben Unbekannte versucht, eine Scheibe der Unterkunft einzuschlagen. Für den Zeitraum April und Mai sind zwei Vorfälle bekannt, bei welchen Bewohnerinnen und Bewohner bedrängt, rassistisch beschimpft oder bespuckt wurden. Diese Vorfälle zeigen, dass es Initiativen wie „Hoyerswerda hilft mit Herz“ braucht, die sich stetig für eine demokratische Zivilgesellschaft engagieren, aktiv für Asylsuchende einsetzen und menschenverachtenden Einstellungen trotzen. Dieses Engagement fördert die Amadeu Antonio Stiftung gerne.

Foto: John Englart (CC BY-SA 2.0)

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„Erinnern heißt verändern“

Über ein Modellprojekt der Amadeu Antonio Stiftung erhalten seit Mitte 2023 elf Initiativen von Betroffene und Angehörige von rechten, rassistischen und antisemitischen Anschlägen sowie das gesamte Netzwerk Unterstützung für eine selbstbestimmte Erinnerungskultur. Gefördert wird das Projekt „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ durch die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.

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