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Kein Einzeltäter – Rassismus in Institutionen und Organisationen

Ländliches Idyll in Mügeln? Foto: taschenschieber via flickr

Nicht erst seit Aufdeckung des NSU ist institutioneller Rassismus ein Problem. In Sachsen wollen Engagierte das Thema öffentlich machen und Handlungsmöglichkeiten finden. Die Amadeu Antonio Stiftung fördert eine Vernetzungstagung unter dem Titel „Alles im weißen Bereich?“

Von Laura Lambert

Mügeln ist nicht vergessen. 2007 jagten hier fünfzig gewaltbereite, rassistische Bürger/innen acht indische Mitbürger durch die Stadt. Diese konnten sich mit Verletzungen in einen Pizzaladen flüchten und anschließend erst durch einen Polizeigroßeinsatz befreit werden. Anwesende bezeugten die rassistische und neonazistische Motivation der Tat. Doch vor Ort wurden diese von den lokalen Politikern und Ermittlungsbehörden nicht ernst genommen. Der Bürgermeister nahm die rassistischen Äußerungen als folgenlos wahr: „Solche Parolen können jedem mal über die Lippen kommen“.

Inzwischen ist Mügeln deswegen als ein Beispiel für institutionellen Rassismus bundesweit bekannt. Die Aufklärung und Aufarbeitung der rassistischen Straftaten wurde durch Institutionen und politische Akteur/innen behindert. Statt einer rassistischen Straftat wurde eine „Rangelei“ im Festzelt vermutet, bei der lange auch gegen die Angegriffenen ermittelt wurde. Die Aktivität rechtsextremer Gruppen in der Stadt wurde heruntergespielt, der Rassismus in der gesellschaftlichen Mitte Mügelns verleugnet, ein linker Jugendclub von der Stadt geschlossen. Nun wird Mügeln als ein Beispiel für institutionellen Rassismus auf einer Tagung am 07. Februar in Dresden beleuchtet. Als weitere Beispiele werden die rassistische Diskriminierung bei der Einlasskontrolle in Diskotheken, bei der Arbeit und Ausbildung und bei Polizeikontrollen thematisiert, wobei nicht-weiße Menschen häufiger und oft gewaltsameren Kontrollen unterworfen werden.

Institutioneller Rassismus beschreibt wie Institutionen und Organisationen an rassistischer Diskriminierung teilhaben. „Alles im weißen Bereich?“, fragen die Organisatoren deshalb. Das bedeutet eben auch: Handeln in Institutionen muss vom Einzelnen nicht rassistisch gemeint sein, um in seiner Wirkung diskriminierend zu sein. Warum erhalten weiße Deutsche bei gleicher Qualifikation häufiger Arbeitsangebote? Werden rassistische Motive bei Strafermittlungen ernstgenommen? Probleme wie diese sollen auf der Tagung erörtert werden. Doch vor allem geht es um mögliche Forderungen und Handlungsoptionen, um institutionellen Rassismus abzubauen. Denn letztendlich betrifft er auch den Rechtsstaat selbst. Institutioneller Rassismus bedeutet, dass Menschen in der Gesellschaft nicht vor rassistischer Diskriminierung geschützt werden. Freiheit und Gleichheit als demokratische Grundprinzipien sind so beeinträchtigt.

Nicht erst seit den NSU-Ermittlungen ist eine breitere Verständigung über institutionellen Rassismus vonnöten, deswegen fördert die Amadeu Antonio Stiftung diese Tagung.

Foto: taschenschieber (CC BY-NC-SA 2.0)

 

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„Erinnern heißt verändern“

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