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Stiftungszeitung provoziert kleine „Staatskrise“

Wie die Debatte um den Begriff Heimat in den letzten Monaten verlief, fanden wir zutiefst problematisch. Sie stand beispielhaft für die Diskursverschiebung nach rechts. Mit unserer Stiftungszeitung „Ermutigen“ wollten wir einen Beitrag zur Debatte leisten – darauf aufmerksam machen, wie ausschließend die Debatte geführt und der Begriff verwendet wird. Dass unser Debattenbeitrag gelang, dazu trug ganz erheblich Horst Seehofer bei.

Horst Seehofer nahm nicht am Integrationsgipfel des Kanzleramts teil. Zum zehnten Mal hatte die Kanzlerin geladen. Dass er als erster Innenminister einen anderen Termin dem Integrationsgipfel vorzog, glich einem kleinen Skandal. Auf Nachfrage, warum er sich dagegen entschieden habe, zieht er eine Kopie unserer Stiftungszeitung „Ermutigen“ aus dem Jackett. Er habe Bedenken an der Einladung einer Teilnehmerin anzumelden: Ferda Ataman. Sie hat den Leitartikel unserer Stiftungszeitung „Ermutigen“ verfasst, Titel und Thema: Deutschland, Land der Weltoffenheit. Aber was fand Seehofer an Atamans Artikel eigentlich so verwerflich?

In ihrem Beitrag analysiert Ataman, wie die Diskussion des Heimatbegriffs in Deutschland gerade verläuft: eine vermeintliche Angst vor Überfremdung wird längst nicht mehr als Rassismus gelesen, das Beharren auf Vorrechten für die, die immer schon da waren, erscheint vollkommen legitim. Es wird mit Begriffen wie Leitkultur hantiert, die immer auch den Ausschluss derer bedeuten, die sie nicht teilen – von Muslimen zum Beispiel. Das Narrativ, das diesen Vorstellungen von Heimat zugrunde liegt, ist die Illusion, dass es in Deutschland bis Herbst 2015 einen ethisch homogenen Volkskörper gegeben hätte, der nun von Einwanderung bedroht sei. Ganz im Sinne der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie.

Mit diesem ausschließenden Verständnis von Heimat hat das neue Heimatministerium bisher nicht gebrochen. Wenn Seehofer als eine seiner ersten Amtshandlungen proklamiert, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, bedient er damit ein Klientel, für die Heimat vor allem bedeutet: wer hierher migriert ist, gehört nicht zu Deutschland.

Den Heimatbegriff aufzugeben, so Ataman weiter, sei nicht der richtige Weg, denn er habe eine Menge Potenzial: er kann Gradmesser dessen sein, wo eine Gesellschaft steht in ihrem Umgang mit Neuankommenden. Können diese sie auch Heimat nennen? Wenn wir aber den Begriff Heimat weiter benutzen möchten, müssen wir ihn wieder anders besetzen. Deutschland als Heimat der Erinnerungskultur, Weltoffenheit und Religionsfreiheit zu formulieren, wäre ein Anfang.

Inhaltlich stehen wir gänzlich hinter Atamans Analyse der Heimat-Diskussion. Aus unserer Sicht ist es nicht nachvollziehbar, wie sich Horst Seehofer durch Atamans Artikel in die Nähe des Nationalsozialismus gestellt sieht. Horst Seehofers Kritik und seine damit begründete Absage an den Integrationsgipfel ist für uns umso irritierender, als er sich kürzlich mit einem lesenswerten Beitrag in der FAZ für einen neuen gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine Heimatpolitik als „Politik der Vielfalt“ ausgesprochen hat. Will uns Seehofer sagen, dass sein Heimatbegriff nicht diskutierbar ist? Dazu antwortet Staatministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration Widmann-Mauz: einen solchen Beitrag zur Debatte müsse man im Rahmen der Meinungsfreiheit aushalten. Denn Streiten gehört zur Demokratie, und die doch wohl zu Deutschland, oder?

Wir bedauern zutiefst, dass Horst Seehofer nicht am Integrationsgipfel teilgenommen hat. Als Heimatminister wäre sein Platz dort gewesen, wo darüber gesprochen wurde, wie Deutschland für alle, die hier leben, Heimat sein kann. Wo ein einschließendes Heimatverständnis gelebt wurde.

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