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Amaro Foro// Interview

Amaro Foro e.V. // Interview

Wir haben mit Andrea Wierich gesprochen, sie macht die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Amaro Foro e.V.. Wir sprachen mit ihr über mangelnde Sichtbarkeit abseits stereotyper Darstellungen und wirksamer Gegennarrative.

 

 

1.Drei Hashtags für die Sie stehen:
Andrea Wierich:
#metwo,#darüberreden, #nohatespeech

 

2.Was macht Amaro Foro e.V. genau?
Andrea Wierich:
Amaro Foro ist eine Jugendselbstorganisation von Roma und Nicht-Roma und vertritt in Berlin seit 2010 die Interessen nichtdeutscher Rom*nja. Der Verein arbeitet in verschiedenen Bereichen, Kinder- und Jugendarbeit, soziale Beratung, Community Building unter den Roma-Organisationen, internationale Vernetzung und Lobbyarbeit, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit und Dokumentation von antiziganistischen Vorfällen in Berlin.

 

3. Was ist ihre Aufgabe?
Andrea Wierich:
Ich bin seit 2012 Pressereferentin und kümmere mich um Presseanfragen, die Organisation der jährlichen Pressekonferenz und das Verfassen von Pressemitteilungen, Stellungnahmen etc. Seit 2016 arbeite ich im Projekt Dosta (Dokumentationsstelle Antiziganismus) und bin dort ebenfalls für den Bereich Medien zuständig, also zum einen für die Öffentlichkeitsarbeit des Projekts und zum anderen für das Medienmonitoring. Dafür erfasse ich antiziganistische Berichterstattung der Berliner Zeitungen und werte die Facebook-Auftritte sämtlicher Berliner NPD- und AfD-Verbände aus.

 

4. Welche Historie liegt der Diskriminierung gegenüber Sint*izza und Romn*ja zugrunde?
Andrea Wierich: Darüber könnte man wohl mehrere Doktorarbeiten schreiben. Um es ganz kurz zu umreißen: Sinti*zze und Rom*nja kamen vor etwa 600 Jahren nach Mitteleuropa, in einer Zeit, in der wichtige gesellschaftliche Umbrüche stattfanden – der Übergang von der feudalen hin zur bürgerlichen Gesellschaft, die Reformation, dann die Industrialisierung und kapitalistische Organisation der Gesellschaften, später die Aufklärung. Dadurch veränderte sich auch das gesellschaftlich erwünschte Verhalten und eine solche gesellschaftliche Disziplinierung funktioniert anscheinend oft, indem eine Art Gegenentwurf oder Feindbild konstruiert wird, eine Gruppe, die angeblich vom gesellschaftlich erwünschten Verhalten abweicht und als Projektionsfläche und Sündenbock genutzt werden kann. Es ist jedenfalls auffallend, dass Rom*nja und Sinti*zze seit ihrer Ankunft in Europa mit Rassismus konfrontiert waren und ihnen in jeglicher Hinsicht möglichst weit vom gesellschaftlichen Ideal abweichende Verhaltensweisen unterstellt wurden. Die Klischees sind über die Jahrhunderte erstaunlich konstant geblieben und sagen offensichtlich nichts über das reale Verhalten der Menschen aus, sondern etwas über die Mehrheitsgesellschaft.

 

5. Wie werden Sint*izza und Rom*nja in den sozialen Medien dargestellt und welches sind die Hauptnarrative?
Andrea Wierich:
Es dominiert eine sehr negative Darstellung, nicht nur bei den rechten Parteien. Eine Roma-Zuschreibung (egal ob zutreffend oder nicht) wird vor allem bei den Themen Kriminalität und Armut sehr schnell vorgenommen, unter Armut fasse ich dabei auch Obdachlosigkeit und Betteln. Das sind die Klassiker. Bei anderen Themen bleiben Rom*nja nahezu unsichtbar.

 

6. Wie gehen Sie bei ihrer Arbeit mit Hasskommentaren um?
Andrea Wierich: 
Vor allem dokumentiere ich sie. Wenn mir etwas auch strafrechtlich relevant erscheint, melde ich es der baden-württembergischen Meldestelle Respekt, die eine größere juristische Expertise hat als ich und, wenn möglich, Strafanzeige erstattet. In Fällen, wo vor Ort eine akute Bedrohung wahrscheinlich ist, also etwa wenn die NPD ankündigt, in der Nähe eines Lagers von rumänischen Obdachlosen mit einer Bürgerwehr zu patrouillieren, habe ich einen direkten Kontakt zur Berliner Polizei, den ich über die Bedrohungssituation informiere.
 


7. Gibt es sichtbare Gegennarrative?
Andrea Wieirch: Es gibt natürlich immer mal wieder einzelne Artikel bzw. Posts, darin werden oft einzelne Angehörige der Minderheit vorgestellt, die diesen negativen Klischees nicht entsprechen. So löblich das ist, es ist auch problematisch. Um es zugespitzt zu formulieren: Ist es so etwas Besonderes, wenn Rom*nja gut zurechtkommen, dass man deswegen in der Zeitung darüber schreibt? Ich kenne viele Rom*nja, die ganz normal leben und es aus diesem Grund ablehnen, nun als Positivbeispiel porträtiert zu werden. Ich denke, langfristig muss das Ziel sein, dass über Rom*nja genauso berichtet wird wie über sogenannte Herkunftsdeutsche.
Dann gibt es noch Artikel und Posts über die Arbeit von Selbstorganisationen. Das ist wichtig und stellt ein sehr wirksames Gegennarrativ dar, nicht zuletzt, weil Rom*nja dort als Subjekte dargestellt werden, die sich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen, und weil Antiziganismus dadurch thematisiert wird.
 


8. Wann haben Sie das letzte mal Demokratie positiv erlebt?
Andrea Wierich:
Das erlebe ich vor allem in meiner Arbeit für Amaro Foro: Wir versuchen, ein geschützter Raum zu sein, in dem Roma und Nicht-Roma auf Augenhöhe zusammenarbeiten und es Sensibilität für Machtstrukturen oder Diskriminierungserfahrungen gibt. So gesehen praktizieren wir ein Modell dessen, was wir uns langfristig für die ganze Gesellschaft wünschen. Natürlich ist das nicht immer einfach, aber wir schaffen es jetzt seit 8 Jahren, gemeinsam Lösungen zu finden. Wir erleben, dass wir inzwischen durchaus von der Mehrheitsgesellschaft und besonders der Politik wahrgenommen werden und dass wir durch unsere politische Arbeit auch konkrete Veränderungen erreichen können – natürlich nicht immer so schnell oder so umfangreich, wie wir uns das wünschen würden, aber es bewegt sich was.

 

 

Interview geführt von der Debate//De:hate Redaktion

Webseite: www.amaroforo.de

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