von Benjamin Winkler, Amadeu Antonio Stiftung
Am 24. Juni 2025 hob der sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, unter dem Vorsitz von Richter Ingo Kraft, das bestehende Verbot des rechtsextremen Compact Magazins durch das Bundesinnenministerium endgültig auf. Es war bereits seit dem 14. August 20024 vom gleichen Gericht teilweise außer Kraft gesetzt worden, sodass Compact weiterhin erscheinen konnte. Mit dem Urteil im Hauptverfahren ist das Verbot endgültig vom Tisch, was die Betreiber des Magazins ordentlich gefeiert haben. Es lohnt sich ein genauerer Blick auf das Verfahren und die Urteilsbegründung.
Das Compact Magazin wird vom gleichnamigen Medienunternehmen und dessen Gründer und Chef Jürgen Elsässer herausgegeben. Neben dem Heft gibt es weitere TV- oder Social-Media-Formate. Auch gibt es im Compact-Shop Bücher und zahlreiche Sonderhefte. Compact erscheint seit Dezember 2010 (Nullnummer) und hat heute, nach Eigenangaben eine Auflage von 40.000 Exemplaren.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft das Magazin seit 2022 als gesichert rechtsextrem ein. Grund für die Entscheidung waren vor allem eine systematische Hetze in Compact gegen Geflüchtete und Muslime, die Verbreitung von Geschichtsrevisionismus und die Delegitimierung demokratischer Systeme und Institutionen. Wissenschaft und Zivilgesellschaft kritisieren zudem die häufigen antisemitischen Verschwörungserzählungen in den Compact-Medien. Diese sind auch in der aktuellen Ausgabe Nr. 7/2025 zu finden, auf deren Frontcover der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor dem Hintergrund einer apokalyptischen Kriegsszene zu sehen ist. Im Heft wird dann an eine frühere antisemitische Behauptung der Compact-Redaktion angeschlossen. Demnach strebe eine jüdische Geheimgruppe nach Weltmacht, indem die Welt in einen großen Krieg gestürzt werden soll. Gemäß dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig können solche düsteren antisemitischen Geschichten weiter erscheinen und vermarktet werden.
Das Bundesinnenministerium hatte Compact nach dem Vereinsgesetz verboten. In der Begründung des BMI vom 16. Juli 2024 hieß es, dass Compact nicht nur rassistische und antisemitische Hetze verbreite, sondern in besonderer, aggressiver Weise gegen Minderheiten wie beispielsweise Muslim*innen oder arabische Bevölkerungsteile aufwiegele, die zu Gewalt und Straftaten führen könne. Auch der Hass gegen Jüdinnen und Juden, der von Compact ausginge, sei Grund für das Verbot. Damals wurden dann bundesweit Vereinsimmobilien polizeilich aufgesucht und Beweise gesichert. Alle Compact-Medien verschwanden binnen kurzer Zeit aus dem Netz beziehungsweise aus den Verkaufsgeschäften. Das Vorgehen des BMI wurde durchaus als Agieren eines wehrhaften, demokratischen Staates verstanden. Zugleich regte sich, vor allem aus dem rechten Lager, Widerstand und Solidarisierung mit Compact. In den letzten Jahren hatte sich Compact vor allem auch als Sprachrohr der rechten Szene hervorgetan, nachdem es zuvor bereits für verschwörungsideologische oder esoterische Kreise ein wichtiges Medium wurde.
In der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Juni 2025 heißt es nun, dass die Presse- und Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Grundgesetz auch dann noch gilt, wenn Personen oder Gruppen rassistische, antisemitische oder demokratiefeindliche Inhalte verbreiten. Die Grundrechte gelten auch für die Gegner*innen der Demokratie, so die Richter*innen in Leipzig. Zwar wird durch das Gericht der verfassungsfeindliche Inhalt in den Compact-Medien gesehen, zugleich sei aber ein Komplettverbot von Compact ein zu harter Eingriff in die Grundrechte der Betreiber*innen. Ebenso wird durch die Richter*innen festgestellt, dass nicht alle Inhalte der Hefte verfassungsfeindlich seien. Konkret heißt es: „Eine Vielzahl der von der Beklagten als Beleg für den Verbotsgrund angeführten migrationskritischen bzw. migrationsfeindlichen Äußerungen lässt sich danach auch als überspitzte, aber letztlich im Lichte der Kommunikationsgrundrechte zulässige Kritik an der Migrationspolitik deuten.“ (s.o.)
Der spannendste Teil des Urteils ist aber der Auszug zum so genannten Remigrationskonzept. Dieses stammt in seiner heutigen Fassung vom österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner. Dieser schreibt regelmäßig eine Kolumne für Compact und verbreitet die Magazin-Inhalte über seine Social-Media-Kanäle. Er ist zudem eng mit Jürgen Elsässer verbunden. In der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts heißt es zur Verträglichkeit des Remigrationskonzepts mit dem Grundgesetz: „Diese Vorstellungen missachten – jedenfalls soweit sie zwischen deutschen Staatsangehörigen mit oder ohne Migrationshintergrund unterscheiden – das sowohl durch die Menschenwürde als auch das Demokratieprinzip geschützte egalitäre Verständnis der Staatsangehörigkeit. Denn sie gehen von einer zu bewahrenden „ethnokulturellen Identität“ aus und behandeln deshalb deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund als Staatsbürger zweiter Klasse.“ Damit drücken die Richter*innen deutlich aus, dass die Vorstellungen Sellners gegen das Grundgesetz verstoßen. Wichtig ist auch, dass das Remigrationskonzept eng mit der Verschwörungsideologie eines geplanten „Bevölkerungsaustausches“ verbunden ist. Die Vorstellung, dass angeblich geheime Eliten seit Jahrzehnten eine gezielte Überfremdung Europas und der USA betreiben würden, mündete bei Sellner und auch bei Compact schließlich in die Forderung nach einer massenhaften Ausweisung von Migrant*innen. In der öffentlichen Deutung dieses Teils des Compact Urteils hieß es, dass hier durchaus eine wichtige Grundsatzentscheidung getroffen worden sei. Bekanntlich fordert auch die AfD eine „Remigration“ von Migrant*innen und handelt damit offenbar gegen die Grundrechte von Menschen in diesem Land.
Es bleibt festzuhalten, dass durch die Aufhebung des Verbots weiterhin ein verschwörungsideologisches, rechtsextremes und antisemitisches Magazin frei erscheinen kann. Nicht wenige Menschen, die heute verschwörungsgläubig sind, haben wahrscheinlich über Compact und ähnliche Medien einen ersten Zugang gefunden. Aus dem Gesichtspunkt der Präventionsarbeit gäbe es also auch gute Gründe, weiterhin kritisch mit Compact umzugehen. Zwar mag es juristisch korrekt sein, einige der Beträge aus Compact lediglich als „polemisch zugespitzte Machtkritik“ [s.o.] zu verstehen, andererseits birgt eine solche Einschätzung erhebliche Risiken. Sie könnte zahlreiche andere Akteur*innen dazu ermutigen, rassistische, antisemitische oder menschenfeindliche Positionen offensiver in den Umlauf zu bringen, da diese scheinbar nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Es ist deshalb dringend notwendig, den rechtsextremen und demokratiefeindlichen Inhalt der Compact sichtbar zu machen. Diese Aufgabe werden auch in Zukunft vor allem zivilgesellschaftliche und medienkritische Akteur*innen haben. Diesen allerdings die alleinige Verantwortung der Bekämpfung von gefährlichen Verschwörungsideologien zuzuweisen, würde zu kurz greifen. Hier braucht es auch weiterhin das wirksame Handelns des Staates und seiner Organe.