Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) präsentierte im Juni seinen jährlichen Bericht und spezifiziert darin auch die statistischen Angaben zur „politisch motivierten Kriminalität (PMK)“ des Bundeskriminalamtes auf Straftaten mit „extremistischem Hintergrund“. Die Angaben in den verschwörungsideologisch relevanten Bereichen sind bezeichnend und auch aufschlussreich für die Beobachtungskategorien:
Erfasst wird die PMK bei der Polizei grundsätzlich in den Kategorien „PMK-rechts, PMK-links, PMK-religiöse Ideologie, PMK-ausländische Ideologie und PMK-sonstige Zuordnung“. Dem übergeordnet als „extremistisch motiviert“ klassifiziert werden „diejenigen Straftaten, bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind.“ (VSB 2024, S. 26). Im Jahr 2024 machten diese 68,6 Prozent aller politisch motivierten Straftaten aus. Ein Anteil von 13,5 % wurde davon unter „sonstige Zuordnung“ erfasst.
Trotz fehlender Kategorie werden nach den Angaben zur PMK-rechts und vor denen zur PMK-links auch 992 Straftaten angegeben, die von Souveränist*innen verübt worden sind, die einheitlich als „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ bezeichnet werden. In dieser Kategorie kann ein Rückgang um über 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr und um knapp die Hälfte gegenüber 2022 (in absoluten Zahlen 1.900) festgestellt werden. 2024 wurden von diesen Straftaten knapp 11 Prozent als gewaltvoll und gut 6 Prozent als antisemitisch eingeordnet. Anteilig die meisten Straftaten wurden dabei in Baden-Württemberg verzeichnet (knapp 21 Prozent), in Bayern aber absolut die meisten der Gewalttaten, nämlich 26 (2022 waren es 197).
Die aktuellen Phänomenbereiche des Verfassungsschutzes sind Rechtsextremismus/ rechtsextremistischer Terrorismus, „Reichsbürger“ und Selbstverwalter“, „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“, Linksextremismus, Islamismus/ islamistischer Terrorismus und auslandsbezogener Extremismus. Um die nicht in diese Bereiche zuordenbare Akteure im Zuge der Proteste gegen die Regierungsmaßnahmen während der Covid-19-Pandemie zu erfassen, war im April 2021 im BfV die „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ (im folgenden kurz „Delegitimierung“) eigens eingerichtet worden. Im ersten und zweiten Jahr, 2021 und 2022, wurden dem Bereich 1.400 Personen zugerechnet, 2023 dann 1.600 und 2024 nun 1.500 Personen. Nachdem der Anteil gewaltorientierter (also gewalttätiger und/ oder Gewalt androhender bzw. befürwortender) Personen in den ersten beiden Jahren mit 20 Prozent angegeben wurde, lag dieser 2023 und 2024 nun unverändert bei knapp 17 Prozent bzw. 250 Personen. Das BKA wendet die Kategorie allerdings weiterhin nicht an bzw. ordnet diesem Bereich keine politisch motivierten Straftaten zu (im Gegensatz zum Souveränismusbereich).
Dem Phänomenbereich „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ werden 2024 26.000 Personen zugeordnet (davon 10 Prozent gewaltorientiert). Mehr als 5 Prozent von diesen werden gleichzeitig auch im Phänomenbereich „Rechtsextremismus“ erfasst. Wie viele dieser Gruppen anteilig außerdem den anderen Phänomenbereichen, insbesondere der „Delegitimierung“ zugeordnet werden, bleibt unbekannt.
Eine trennscharfe und einheitliche Kategorisierung und vor allem Erfassung durch die beiden Bundesämter ist jedoch erforderlich, um gebildete Kategorien empirisch überprüfbar zu machen (und auch andersherum existierende Phänomene zu benennen). Hinzukommt, dass insbesondere gegen identifizierte Gruppen gerichtete Verschwörungsideologien sich oft unterhalb der Strafbarkeitsschwelle äußern und daher nicht erfasst werden. Zivilgesellschaftliches Monitoring ist aus diesem Grund weiterhin unerlässlich, um die Präventionsarbeit wirksam zu machen.