CSDs schützen!

Angriffe auf CSDs erreichen 2025 Rekordniveau!
Im Jahr 2025 fanden in Deutschland so viele Christopher Street Days (CSDs) statt wie noch nie zuvor – insgesamt 245 Veranstaltungen. Gleichzeitig erreichte auch die Zahl rechtsextremer Übergriffe auf diese Events einen traurigen Höchststand.
Während der diesjährigen CSD-Saison kam es bundesweit bei nahezu jedem zweiten CSD zu Angriffen oder Störungen, von denen fast die Hälfte rechtsextremen Täter*innen zugeordnet werden konnte. Die insgesamt 111 dokumentierten Vorfälle reichten von rechtsextremen Gegendemonstrationen mit teils mehreren Hundert Teilnehmenden über Verhinderungsversuche durch rechtsextreme Kommunalpolitiker*innen bis hin zu körperlicher Gewalt, Hate Speech, Online-Hetze und Sachbeschädigungen. Die rechtsextreme Mobilisierung hat dabei ein neues Niveau an Professionalität erreicht: Queerfeindlichkeit ist zentraler Bestandteil ihrer Strategie gegen Demokratie und Vielfalt. Der Sicherheitsreport der Amadeu Antonio Stiftung beleuchtet diese Strategien noch detaillierter und liefert konkrete Gegenmaßnahmen und Handlungsempfehlungen.
Da staatliche Stellen den Schutz von CSDs häufig nicht ausreichend gewährleisten und die Bedrohungslage unterschätzen, gründete die Amadeu Antonio Stiftung gemeinsam mit Campact den Regenbogenschutzfonds. Mit einem Fördervolumen von 100.000 Euro konnten damit knapp 50 CSDs gezielt unterstützt werden. Die Gelder flossen vor allem in Sicherheitsmaßnahmen wie den Einsatz professioneller Sicherheitsdienste, Security-Schulungen oder kontrollierte Einlassregelungen. So ließ sich die akute Bedrohungslage vielerorts verringern – in einigen Fällen wurden die Veranstaltungen dadurch überhaupt erst möglich. Auf diese Weise konnten CSDs wieder zu geschützten Räumen werden, in denen sich Teilnehmende frei und ohne Angst bewegen konnten.
Quellen
Die Daten des Sicherheitsreports stammen aus einem Monitoring der Amadeu Antonio Stiftung, ergänzt durch Analysen von CeMAS und democ sowie einer Umfrage unter CSD-Veranstalter*innen. Das Monitoring beruht auf Medien- und Social-Media-Auswertungen, eigenen Recherchen sowie Rückmeldungen aus der Zivilgesellschaft. Die Amadeu Antonio Stiftung geht davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Angriffe noch höher liegt.
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Das Verhalten der Sicherheitsbehörden beeinflusst das Sicherheitsgefühl der CSD-Teilnehmenden
Die Bedrohungslage hat die Agentur für Aufklärung und Demokratie (AfAuD) zum Anlass genommen, das Sicherheits- und Ermächtigungsempfinden bei Pride-Events in Sachsen im Erhebungszeitraum vom 31.05.2025 bis 12.10.2025 zu untersuchen. Dabei wurde herausgefunden, dass vor allem das Verhalten von Sicherheitsbehörden maßgeblich Einfluss auf das Sicherheitsgefühl von CSD-Teilnehmenden ausübt. So geben bei einer Umfrage CSD-Teilnehmende häufiger an, sich nicht sicher zu fühlen, wenn die Gegenproteste und die CSDs nicht deutlich durch Einsatzkräfte räumlich getrennt werden. Etwa ein Drittel der Befragten gibt außerdem an, mindestens eine Person zu kennen, die aus Sicherheitsgründen nicht (mehr) an CSD-Veranstaltungen teilnimmt. Das Sicherheitsempfinden der CSD-Teilnehmenden hat also direkte Folgen für die Sichtbarkeit queerer Personen. Die bereits im letzten Jahr verstärkte, rechtsextreme Mobilisierung gegen CSDs und die Berichterstattung über eben diese Mobilisierung zeigt Wirkung und mehr Menschen bleiben unsichtbar.
Die Ergebnisse der Umfrage werden im März 2026 durch die Agentur für Aufklärung und Demokratie in Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro Sachsen e.V., der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen e.V. und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V. veröffentlicht.
Professionalisierung der rechtsextremen Gegenmobilisierung
Bei der rechtsextremen Gegenmobilisierung lässt sich eine immer weitreichendere Koordination und Professionalisierung beobachten. So wurden zum Beispiel bei mehreren rechtsextremen Gegendemonstrationen nicht nur die gleichen Slogans, sondern auch einheitliche Share Pics für die Mobilisierung genutzt. Während im letzten Jahr noch vermehrt das Selbstbestimmungsgesetz als Anlass für transfeindliche Mobilisierung genutzt wurde, fokussierte sich in diesem Jahr die Mobilisierung auf bekannte rechtsextreme Narrative wie die vermeintliche Rückbesinnung auf traditionelle Werte, symbolisiert durch Stichworte wie Heimat, Familie und Nation. Dabei wird die „traditionelle“ Familie als Kern der Gesellschaft stilisiert, welche durch CSDs vermeintlich bedroht sei. Außerdem wird mit bekannten rechtsextremen Musiker*innen für die Proteste geworben. Während der Proteste werden neben queerfeindlichen Parolen auch rechtsextreme Forderungen, beispielsweise nach „Remigration“, skandiert.

Auswertung der rechtsextremen Angriffe auf CSDs 2025: bei fast jedem zweiten CSD kam es zu Störungen oder Angriffen
Umgangsstrategien und Schutzmaßnahmen
Gute Vorbereitung und lokale Vernetzung
Eine erfolgreiche Präventionsarbeit beginnt mit einer sorgfältigen Planung. Dabei ist es entscheidend, lokales Wissen einzubeziehen: Welche Ansprechstellen gibt es vor Ort? Wie funktionieren die Kommunikations- und Behördenwege? Wer kann bei Problemen kurzfristig unterstützen? Wenn gewünscht, können auch Vertreter*innen der Lokalpolitik oder Mandatsträger*innen eingebunden werden. Ihre Präsenz verleiht Veranstaltungen zusätzliche Rückendeckung und Sichtbarkeit.
Gefährdungseinschätzung als Basis
Ein zentrales Element jeder Planung ist die Gefährdungseinschätzung – und zwar nicht nur für die eigentliche Veranstaltung, sondern auch für An- und Abreisewege der Teilnehmenden. Auf dieser Grundlage können Sicherheitskonzepte entwickelt werden, die konkrete Maßnahmen vorsehen. Unterstützung von außen kann hier wertvoll sein: Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus sowie weitere Beratungsstellen vor Ort bieten wichtige Expertise. Ergänzend sollten juristische Fragen und mögliche finanzielle Unterstützungsangebote, etwa durch Förderprogramme, frühzeitig geklärt werden.
Konkrete Notfallpläne
Ein belastbares Sicherheitskonzept enthält klare Regelungen für den Umgang mit Störungen und Angriffen. Das umfasst nicht nur mögliche verbale oder körperliche Übergriffe, sondern auch gezielte Wortergreifungsstrategien oder Bedrohungen durch rechtsextreme Akteur*innen, beispielsweise durch sogenanntes „Livestreaming“ vor Ort. Präzise Handlungspläne geben Sicherheit im Ernstfall und erleichtern es dem Orga-Team, schnell und konsequent reagieren zu können.
Rollen, Zuständigkeiten und Kommunikation
Klarheit im Team ist ein entscheidender Faktor für Sicherheit. Dazu gehören eindeutige Rollen und Zuständigkeiten innerhalb des Orga- und Ordner*innenteams. Ebenso wichtig ist ein abgestimmtes Kommunikationskonzept: Wer informiert wen, intern im Team, nach außen an die Teilnehmenden und an die zuständigen Behörden? Transparente Absprachen und verlässliche Informationswege tragen wesentlich dazu bei, Unsicherheiten zu vermeiden.
Unterstützung nutzen
Viele Sicherheitskonzepte lassen sich durch bestehende Förderprogramme, etwa den Regenbogenschutzfonds, finanziell unterfüttern. Wichtige Partner*innen sind Polizei, kommunale Stellen sowie Strukturen der Zivilgesellschaft. Darüber hinaus sollten solidarische Handlungsformen etabliert werden: Meldestrukturen aufbauen, Vorfälle dokumentieren und zur Anzeige bringen, Kooperationen mit Polizei und Justiz suchen und Unterstützung gezielt organisieren.
Nachsorge und psychosoziale Unterstützung
Auch die Zeit nach einer Veranstaltung darf nicht aus dem Blick geraten. Angehörigen- und Nachsorgeangebote sind wichtig, um psychosoziale Unterstützung für Betroffene zu sichern und Vereinzelung vorzubeugen. Beratung und Hilfsangebote – beispielsweise über die kommunalen Mobilen Beratungsstellen (MBR) – helfen dabei, passende Unterstützung bereitzustellen. Im „Sicherheitsreport“ können weitere Beratungsangebote nachgeschlagen werden.
Vielfalt schützen – jede Spende hilft!
Queerfeindlichkeit als strategischer Hebel der Rechtsextremen
Antifeministische und transfeindliche Einstellungen sind laut der Leipziger Autoritarismusstudie (2024) vor allem in Ostdeutschland auf hohem Niveau, besonders Transpersonen stellen in rechtsextremen Parteien ein zentrales Feindbild dar. Die drastische Zunahme gewaltbereiter Störungen von CSDs durch Rechtsextreme ist also eine Folge von antifeministischem Agenda-Setting durch rechtsextreme Parteien.
Queerfeindlichkeit – und das schließt Transfeindlichkeit mit ein – steht für die Ablehnung von gesellschaftlichem Wandel, Fortschritt und Gleichstellungspolitiken und dient Rechtsextremen als strategischer Hebel, um Diskurse in Politik und Gesellschaft immer weiter nach rechts zu verschieben und gleichstellungspolitische Errungenschaften zu gefährden. Da Queerness als Gegenentwurf zu rechtsextremen und völkischen Vorstellungen von einer „natürlichen zweigeschlechtlichen Ordnung” gesehen werden kann, die Rechtsextreme „verteidigen” wollen, werden LGBTQI+ Personen und insbesondere queere und Transpersonen strukturell von rechts angegriffen. Orchestrierte Hetzkampagnen und queerfeindliche Narrative von der AfD und konservativen Akteur*innen dienen bei Gewalt und Angriffen gegen eben diese oft als „Legitimation“ und haben somit eine brandstiftende Funktion. Es lassen sich eindeutige Mobilisierungsfelder der AfD im Wahlkampf als auch im Vorfeld der rechtsextremen Partei erkennen: Transfeindliche Hetze in Bezug auf Selbstbestimmungsgesetz zum einen, wobei primär eine Instrumentalisierung von Frauenschutzräumen stattfindet und die Instrumentalisierung von Kindern, wenn es um Aufklärung, Vielfalt und Selbstbestimmung geht.
Fokus Bautzen
Obwohl kontinuierlich gegen CSDs mobilisiert wird, lässt sich in der Mobilisierung ein Fokus auf zunächst Bautzen und später Magdeburg erkennen. Bereits in 2024 erreichten queerfeindliche Demonstrationen in Bautzen ihren Höhepunkt. Aufgrund der verstärkten rechtsextremen Mobilisierung fand in Bautzen mit etwa 680 Teilnehmenden die größte Demonstration gegen einen CSD statt. Auch in diesem Jahr standen die etwa 3.400 CSD-Unterstützer*innen ungefähr 450 Teilnehmenden der rechtsextremen Gegendemonstration gegenüber.
Am Ende schützt Solidarität – Sicherheitsstrategien bei CSDs
Angriffe auf CSDs nehmen zu, doch die Community bleibt stark: In vielen Städten haben Organisationsteams wirksame Strategien entwickelt, um Teilnehmende zu schützen und sich professionalisierten rechtsextremen Mobilisierungen entgegenzustellen. Sicherheit entsteht dabei nicht nur durch Polizei, sondern vor allem durch gemeinsame Solidarität. In kleineren Orten laufen ortsansässige Queers geschützt in der Mitte der Demo, während angereiste Unterstützer*innen an den Rändern mit bunten Schirmen Sichtschutz bieten und den CSD „abschirmen“. So wird die Nähe zu rechtsextremen Störer*innen und das Abfilmen der Teilnehmenden verhindert und die Demonstrierenden können sich frei und sichtbar bewegen.
In Dresden, Pforzheim, Döbeln und Bautzen zeigten kreative Gegenaktionen, dass gemeinsames Handeln wirkt: Durch Kundgebungen und Präsenz wurde rechtsextremen Gruppen der Raum entzogen. Diese Beispiele machen Mut, denn das Wissen und die Strategien bleiben erhalten – sie zeigen, dass Vernetzung, gegenseitige Unterstützung und gelebte Solidarität, Schutz und Selbstbestimmung stärken.
CSDs sind mehr als Feiern – sie sind Ausdruck kollektiver Stärke. Gemeinsam, laut und solidarisch bleiben wir sichtbar: gegen Hass, für Vielfalt und gleiche Rechte.
Was CSDs fordern
Die 245 unterschiedlichen CSDs 2025 zeigten, wie vielfältig queeres Leben in Deutschland ist – von Großstädten mit bunten Trucks und Bühnen bis zu kleinen Demonstrationen auf dem Land, manchmal angeführt von einem Trecker. Kein CSD, keine Pride gleicht der anderen und doch fordern alle – egal ob 250.000 oder 80 Teilnehmende – das Gleiche: Alle kämpfen für Sichtbarkeit und gleiche Rechte für LSBTIAQ+.
Sichtbar zu sein, bleibt jedoch riskant – besonders in ländlichen Regionen, wo Diskriminierung, Ausgrenzung und auch soziale Isolation Alltag sind. Queere Geflüchtete erleben zusätzlich Gewalt in Unterkünften und auf der Straße. In mehr als 70 Ländern steht Homosexualität nach wie vor unter Strafe – viele suchen hier Schutz und finden dennoch Unsicherheit. Doch Sichtbarkeit braucht Sicherheit: Die zunehmenden rechtsextremen und fundamentalistischen Angriffe auf CSDs zeigen, dass Akzeptanz und Selbstbestimmung queerer Menschen weiter umkämpft sind. Oft mit Erfolg: Einige verzichten aus Angst vor Gewalt und Bedrohung auf einen Besuch des CSDs in ihrer Stadt und bleiben lieber unsichtbar. Durch rechtsextreme Angriffe erhalten CSDs mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Die ist jedoch ambivalent: Der Fokus liegt häufig auf den Angreifenden. Der politische Charakter und die Anliegen der CSDs geraten in den Hintergrund. Allerdings macht jedes Zeichen auf der Straße deutlich: Wir bleiben sichtbar. Wir bleiben laut.
Die häufigsten Forderungen der CSDs 2025: Für Sichtbarkeit, Sicherheit und gleiche Rechte – überall
- effektiver Schutz vor Beleidigungen, Drohungen, Gewalt und anderen queerfeindlichen Straftaten
- die Ergänzung von Artikel 3 Abs. 3 GG um das Merkmal der sexuellen Orientierung – für den verpflichtenden Schutz vielfältiger Liebesweisen
- Erhalt und Stärkung des Selbstbestimmungsgesetzes, damit trans, inter und nichtbinäre Menschen ihre Namen und Personenstand ohne Hürden ändern können
- kein Sonderregister für diejenigen, die das Selbstbestimmungsgesetz in Anspruch nehmen – sensible Daten dürfen nicht missbraucht werden
- rechtliche Gleichstellung von Regenbogenfamilien im Familien- und Abstammungsrecht
- sichtbare Unterstützung queerer Menschen durch Kommunen – Flaggen am Rathaus und am Bundestag statt Schweigen
- mehr sichere Begegnungsräume für queere Menschen, besonders im ländlichen Raum
- mehr Bildungs- und Beratungsangebote für Fachkräfte und Betroffene – auch außerhalb der Großstädte
Queerfeindlichkeit ist Alltag – deshalb braucht es Unterstützung!
Die neonazistischen Mobilisierungen gegen die CSDs sind weder vom Himmel gefallen, noch finden sie in einem luftleeren Raum statt. Rechtsextreme, konservative und christlich-fundamentalistische Akteur*innen arbeiten seit Jahren gegen queere Sichtbarkeit und versuchen, gesellschaftliche Akzeptanz wieder zurückzudrängen. Gerade in den letzten Jahren haben queerfeindliche Gewalt, Hasskriminalität und die Rücknahme von bereits erreichten rechtlichen Verbesserungen zugenommen. Die wachsende Mobilisierung gegen CSDs ist Folge eines queerfeindlichen gesellschaftlichen Klimas. Das Schweigen der Mehrheitsgesellschaft sehen rechtsextreme Jugendliche als Zustimmung zu ihrem Handeln und ermutigt sie, offen ihren Hass auszuleben und Gewalt anzuwenden.
Um dem entgegenzuwirken, reicht es nicht aus, den Schutz queerer Menschen allein der Polizei zu überlassen. Es braucht starke überregionale Unterstützung und Bündnisse, die LSBTIAQ+ und ihre Verbündeten aus den Metropolen mit denen aus der Peripherie auf Augenhöhe zusammenbringen und verhindern, dass die vielen kleinen CSDs in die Defensive geraten. Finanzielle, solidarische Unterstützung und konkrete Hilfe vor Ort sollten sich dabei nicht auf die Pride-Saison beschränken.
Seit Jahren unterstützt die Amadeu Antonio Stiftung CSDs in besonders gefährdeten Regionen durch Beratung, Begleitung und gezielte Finanzierung von Sicherheitsmaßnahmen. Jede Spende hilft uns dabei!






