Demokratie verteidigen in Krisenzeiten: Geförderte Projekte im Jahr 2022
Demokratie verteidigen in Krisenzeiten: Geförderte Projekte im Jahr 2022
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Das Jahr 2022 war geprägt von gesellschaftlichen Krisen - insbesondere vom völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Auch die andauernde Corona-Pandemie und die Energieversorgungskrise verschärften gesellschaftliche Problemlagen. So zum Beispiel die Verbreitung von Desinformation und Verschwörungsideologien sowie die Entfremdung von der Demokratie in verschiedenen Milieus. Diese Themen haben im Jahr 2022 auch die demokratische Zivilgesellschaft bewegt. Wir haben 119 Initiativen bei dieser Auseinandersetzung unterstützt. Wir sind allen Engagierten unglaublich dankbar für 119 Mal klare Kante, 119 Mal kreative Ideen und 119 Mal unermüdlichen und oft ehrenamtlichen Einsatz gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Auch unseren Spender*innen danken wir herzlich, denn sie machen die Förderung dieser wichtigen Projekte erst möglich!
Was uns dieses Jahr besonders bewegt hat:
Anti-Schwarzen-Rassismus gegen Geflüchtete aus der Ukraine aufzeigen
Der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Folgen beschäftigte auch die Zivilgesellschaft in Deutschland. Viele Menschen sind aus der Ukraine geflohen. Sie suchten auch in Deutschland Schutz. Diejenigen unter ihnen, die keine ukrainische Staatsbürgerschaft haben, erlebten vielfach Rassismus. Das Berliner Kunsthaus KuLe machte mit einem großen Plakat an der Fassade des Kunsthauses in Berlin und mit einer ganztägigen Veranstaltungsserie die Vorfälle Anti-Schwarzen-Rassismus gegenüber Geflüchteten sichtbar. Auch die Initiative „Bienvenida“ (PxP Embassy e.V.) unterstützte aus der Ukraine geflohene BIPoC bei der Suche nach einer sicheren Unterkunft und organisierte Betreuung und Beratung in Rechts- und Studienfragen.
Antisemitischen Verschwörungserzählungen auch in progressiven Milieus begegnen
Auch die Corona-Pandemie beschäftigt die Zivilgesellschaft weiterhin. Während der Pandemie wurden antisemitische Verschwörungserzählungen von Rechtsextremen, Querdenker*innen und auch aus linksalternativen Milieus auf die Straßen getragen. Im Jahr 2022 förderten wir einige Projekte, die sich intensiv mit den Anknüpfungspunkten von Antisemitismus und Verschwörungserzählungen in Milieus, die sich als progressiv verstehen, beschäftigen. So wurde in einem Wohnprojekt im Freiburger Ökostadtteil Vauban im Corona-Jahr 2020 ein Zimmer über eine Querdenken-Telegram-Gruppe angeboten. Bewohner*innen setzten sich im Nachgang mit dem Vorfall auseinander und kamen zur Erkenntnis, dass es einen hohen Bedarf an Aufklärung über menschenfeindliche Ideologien gibt. Auch in der Altmark und im Wendland wurden seit Beginn der Corona-Pandemie Verschwörungserzählungen verbreitet. Vor diesem Hintergrund informierten sich politisch Engagierte aus der Region in einem Workshop über historische Zusammenhänge und psychologische Funktionsweisen von Antisemitismus und Verschwörungsmythen und tauschten sich über Handlungsmöglichkeiten aus. Im hessischen Witzenhausen, einer Hochburg der ökologischen Landwirtschaft, organisierte ein Bündnis eine Veranstaltungsreihe zur Einordnung der Querdenkerprotesten, zu Ursprüngen und Kritik der Impfkritik und Problemen einer verkürzten Kapitalismuskritik.
Rechter Gewalt und rechtem Terror damals und heute entgegentreten
Brutale rechte Gewalt gehörte in den „Baseballschlägerjahren“ in den 1990ern insbesondere in Ostdeutschland für viele Betroffene zum Alltag. Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln und Solingen sind nur einige der Orte, an denen Neonazis Asylsuchende, People of Color und Menschen, die nicht in das rechtsextreme Weltbild passten, angriffen. Die Amadeu Antonio Stiftung hat dies zum Anlass genommen, im Sommer 2022 einen Förderaufruf zu starten, um an Vorfälle und Entstehungskontexte rechter Gewalt zu erinnern, auf Kontinuitäten rechter Gewalt hinzuweisen, zivilgesellschaftliche Solidarität herzustellen und Betroffene zu unterstützen. Im Rahmen dieser Kampagne förderte die Stiftung unter anderem eine Initiative, die an den Todestag von Hans-Georg Jakobson im Jahr 1993 erinnert. Hans-Georg Jakobson wurde nahe Strausberg (Brandenburg) von drei Neonazis überfallen, aus der fahrenden S-Bahn geworfen und erlag seinen schweren Verletzungen. Der damals 35-Jährigen hatte vermutlich keinen festen Wohnsitz. Eine Initiative vor Ort hat nun eine Gedenkveranstaltung organisiert, weist auf Sozialdarwinismus als Tatmotiv und rechtes Ideologieelement hin und plant einen sichtbaren und dauerhaften Gedenkort einzuweihen.
Überlebende und Betroffene der rassistischen und antisemitischen Anschläge in Halle und in Hanau setzen sich seit Jahren für eine würdige Erinnerung an die Ermordeten und für die Aufarbeitung der Verbrechen ein. Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt sie dabei. Die Brüder Tekin haben den Anschlag in Halle überlebt. An einem der Tatorte, einem ehemaligen Imbiss, in dem die Brüder gearbeitet haben, bauten sie gemeinsam mit Unterstützer*innen den Gedenkort TEKIEZ auf. Dort machen sie Namen und Perspektiven der Ermordeten und vom Anschlag Betroffenen sichtbar und bieten Raum für gemeinsames Erinnern und Gedenken. Auch die jüdischen Überlebenden des Anschlags auf die Synagoge in Halle haben sich vernetzt und im Jahr 2022 bereits zum dritten Mal das Festival of Resilience organisiert. Mit dem Festival erinnern sie an den Anschlag und bieten Betroffenen einen Ort der Zusammenkunft. Ferhat Unvar wurde beim rassistischen Terroranschlag in Hanau im Februar 2020 ermordet. Seine Mutter, Serpil Unvar, hat nach der Ermordung ihres Sohnes die Bildungsinitiative Ferhat Unvar gegründet, die nun ein Jugendcafé initiiert hat. Dort können junge Erwachsene, die von Rassismus betroffen sind, sich in einem sicheren Raum austauschen und fortbilden.
Festivals im ländlichen Raum – mit Musik gegen Rechtsextremismus
Last but not least haben wir im Jahr 2022 erneut einige Festivals gegen Rechts unterstützt. In ländlichen und kleinstädtischen Räumen gibt es oft wenig (jugend-)kulturelle Angebote. Angesichts völkischer Siedlungsprojekte und neonazistischer Agitation und Raumgreifung sind Festivals wie das Aufstehen gegen Rassismus Festival von Uelzen bleibt bunt e.V. und das Vestival in Plauen umso zentraler für eine demokratische Kultur vor Ort. Hier zeigen die Engagierten mit Musik und politischer Bildung Flagge gegen Rechtsextremismus.
Großen Dank an unsere Spender*innen!
Insgesamt haben wir im Jahr 2022 ganze 119 Projekte gefördert. Nicht alle davon konnten wir hier vorstellen. Werfen Sie also gerne einen Blick in die Übersicht aller geförderten Projekte – dort finden Sie weitere wichtige Aktivitäten wie z.B. eine Ferienfreizeit für jüdische und nicht-jüdische Jugendliche organisiert von der jüdischen Jugendorganisation Hashomer Hatzair, ein Projekt gegen Queerfeindlichkeit im Stadion oder ein Graffiti-Projekt von Jugendlichen aus München gegen Rassismus. Wir bedanken uns bei unseren Spender*innen, die die Förderung all dieser Projekte möglich gemacht haben! Die Amadeu Antonio Stiftung möchte auch in Zukunft Initiativen fördern, die sich für eine demokratische, vielfältige Gesellschaft einsetzen, in der Menschenrechte für alle gelten. Wir freuen uns sehr, wenn Sie uns mit einer Spende dabei unterstützen!