Festakt 2021
10 Jahre Aufdeckung des NSU - Wo steht die Aufarbeitung? Was haben wir gelernt?
Podiumsdiskussion im Vorfeld der Preisverleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie
Am 4. November 2011 wurde in Eisenach die mörderische Spur des rechtsterroristischen NSU aufgedeckt. Was bis dahin abwertend und rassistisch als „Dönermorde“ bezeichnet wurde, konnte nun als Tat von Neonazis identifiziert werden. Zwischen 2000 und 2007 tötete der NSU 10 Personen, verübte 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Die Neonazis Zschäpe, Bönhardt und Mundlos konnten sich jahrelang im Verborgenen halten, da sie auf ein breites Unterstützernetzwerk zurückgriffen. Dass die Rechtsterroristen nicht früher aufflogen oder verhaftet wurden, liegt auch an dem Verhalten von Polizei, Behörden und Geheimdiensten. Gleichwohl Angehörige der Mordopfer die Polizei mehrfach darauf aufmerksam machten, dass hier wahrscheinlich Neonazis am Werk waren, wurde diese Spur selten verfolgt. Vielmehr folgten die Beamt:innen ihren eigenen Vorurteilen, etwa indem sie die Täter im kriminellen „Ausländer-Milieu“ verorteten. Darüber hinaus gibt es Vermutungen, dass einige Taten des NSU nur möglich waren, weil die Täter indirekte oder direkte Unterstützung von Personen in staatlichen Stellen erhielten. Bis heute gibt es viele Unklarheiten und Unaufgeklärtes im so genannten NSU Komplex.
Zur Aufklärung der Verbrechen des NSU wurden in zahlreichen Bundesländern und im Deutschen Bundestag parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingesetzt. In den Abschlussberichten sind Empfehlungen und Forderungen an Staat und Gesellschaft formuliert, die zu einer umfassenden Aufarbeitung der Geschehnisse auffordern. Dabei wird beispielsweise die Ausbildung der Polizei in den Blick genommen.
Am 8. November 2021 wollen wir im Rahmen einer Podiumsdiskussion besprechen, welche Lehren aus 10 Jahren Aufdeckung und Aufarbeitung gezogen werden können? Hat sich heute wirklich etwas geändert, so dass die Gefahren eines neuen NSU gebannt oder zumindest gemildert sind? Oder gibt es noch viele Herausforderungen, die dringend bearbeitet werden müssen? Diesen und anderen Fragen gehen wir nach in der Podiumsdiskussion. Folgende Podiant:innen sind dabei:
Katja Meier, Staatsministerin für Justiz, Demokratie, Europa und Gleichstellung
Judith Rahner, Amadeu Antonio Stiftung
Rupert von Plottnitz, Rechtsanwalt, Sebastian Cobler Stiftung
Prof. Dr. Marcel Schöne, Professor für Kriminologie der Polizeihochschule Sachsen
Moderieren wird die Runde Bastian Wierzioch vom MDR.
15 Jahre Sächsischer Förderpreis für Demokratie
Mit einem Festakt im Staatsschauspiel Dresden wurden am 08. November 2021 sieben Initiativen und eine Kommune mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet.
„Demokratie muss immer wieder neu geboren, neu erlernt, neu gelebt und eben auch verteidigt werden. Gerade deshalb ist die Bildungs- und Demokratiearbeit von Trägern und den Akteurinnen und Akteuren der Zivilgesellschaft von so großer Bedeutung für eine pluralistische, tolerante und inklusive Gesellschaft. Als Demokratieministerin ist es mir ein besonderes Anliegen, denjenigen zu danken, die sich für die Demokratie unablässig gesellschaftlich engagieren. Der Einsatz für Menschenwürde, Gerechtigkeit, Pluralismus und gegen Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit fühlt sich zuweilen wie eine Sisyphusarbeit an. Umso mehr weiß ich Ihren fortdauernden und unablässigen Einsatz für die Demokratie zu schätzen. Er ist ein Geschenk an die Gesellschaft“ erklärte Katja Meier, Sächsische Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung.
Laudatorin Katharina Warda betonte die Wichtigkeit, „aus einem vornehmlich weißen Sprechen und Mechanismen der Unsichtbarkeit herauszukommen“.
Wie bereits im letzten Jahr vergab die Jury zwei Hauptpreise und einen Kommunenpreis, welche mit jeweils 3000 € dotiert waren.
Ein Hauptpreis ging an den Verein colorido e.V. aus Plauen im Vogtland mit dem Projekt „Gemeinsam stark für Demokratie im Vogtland“. Dabei wurde besonders gewürdigt, unter welch schweren Bedingungen, namentlich rechtsextremer Bedrohung, der Verein bereits seit 2017 ein Leuchtturm für Mut und Zivilcourage ist.
Auch das Projekt „Bring back our Neighbours“ aus Pirna wurde mit einem Hauptpreis ausgezeichnet. Die Initiative hatte sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass eine abgeschobene georgische Familie wieder zurückkommen konnte und ist durch ihr Engagement ein Sinnbild dafür, dass behördlicher Geflüchtetenfeindlichkeit etwas entgegenzusetzen ist.
Den Kommunenpreis erhielt die Stadt Hoyerswerda für ihre kritische Auseinandersetzung mit den rassistischen Pogromen von 1991 sowie dem gemeinsamen Agieren von Stadt und Zivilgesellschaft um Hoyerswerda zu einem offenen Ort für alle Menschen zu machen und ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung und Rassismus zu setzen.
Erstmalig vergeben wurde dieses Jahr der vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung initiierte Peter Henkenborg Preis für politische Didaktik welcher ebenfalls mit 3000 € dotiert war.
Ausgezeichnet wurde das Projekt „Offener Prozess“ des ASA-FF e.V. aus Chemnitz. Hierbei wurde ein Methodenhandbuch erstellt, welches sich der Aufarbeitung der Taten des NSU aus den Perspektiven der Betroffenen widmet. Die didaktische Qualität und die Ambitioniertheit des Projektes haben die Jury sehr beeindruckt.
Vier Anerkennungspreise, dotiert mit je 1000 €, wurden verliehen an:
den Verein CSD Chemnitz e.V. für den Einsatz gegen Vorurteile und Ausgrenzung, insbesondere bezüglich Menschen aus der LGBTQIA+ Community
den Verein Roter Baum e.V. Zwickau, für dessen unermüdliche Engagement für die Aufarbeitung der Verbrechen des NSU-Komplexes
die Initiative SAfT e.V. als ein Bündnis lokaler Anwohner:innen welche sich nicht mit rechtsextremer Hegemonie arrangieren
das Projekt „spreu x weizen“ der Rederei gUG Dresden für die kreative und kritische Auseinandersetzung mit Fake News und Verschwörungserzählungen
Der Sächsische Förderpreis für Demokratie wird ausgelobt von der Amadeu Antonio Stiftung, der Freudenberg Stiftung, der Sebastian Cobler Stiftung, der Doris Wuppermann Stiftung und der Dirk Oelbermann Stiftung. Er wird seit 2007 jährlich vergeben.