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Jasmina Kuhnke: Aufmerksamkeit schenken durch Social Media-Takeover

Aufmerksamkeit schenken durch Social Media-Takeover

Von einem Social Media-Takeover spricht man, wenn für eine kürzere Zeit ein großer Account durch eine oder mehrere Personen diesen als Gast kuratieren dürfen, also dort ihre Inhalte teilen. Durch diese Praxis können sowohl Account-Gastgeber*in wie auch Account-Gäste neue Sichtbarkeiten schaffen und auf ihre Accounts und Inhalte aufmerksam machen. Im Zuge der Black Lives Matter-Proteste diesen Sommer wurden Social Media-Takeover genutzt, um BIPOC-Stimmen mehr Raum zu verschaffen.
 

Der*Die Autor*in des Textes ist mit seiner*ihrer Kurzbiografie abgebildet: Die Standup Comedienne und Autorin Jasmina Kuhnke twittert mal mit polterndem Witz mal mit gebotener Ernsthaftigkeit unter @ebonyplusirony über den Alltag als schwarze Frau in Deutschland, strukturellen Rassismus und Rechtsextremismus. Zuletzt hat sie ihren Account sieben anderen Personen für jeweils eine Woche zur Verfügung gestellt. Hier erzählt sie, wie es zum Social Media-Takeover kam und welche Erfahrungen die Teilnehmenden in ihrer Takeover-Zeit gemacht haben.

1. Wie kamst du auf die Idee, deinen Twitter Account anderen Personen zu überlassen?

Jasmina: Ich hatte einfach das Gefühl, dass mir eine kleine Social Media Pause gut tun würde und ich den Platz aber nicht ungenutzt, bzw. ungelesen lassen wollte, weshalb ich kurzerhand beschlossen habe anderen Personen meinen Raum zu übergeben.

2. Welche Kriterien haben bei der Auswahl der Personen, die den Account übernehmen sollten, eine Rolle gespielt?

Jasmina: Mir war wichtig, dass mein Account Raum für andere Lebensrealitäten schafft. Personen Platz zu machen deren Stimmen oft überhört werden.

3.   Welche Rolle spielt die Auswahl der Plattform?

Jasmina: In meinem Fall ist Twitter das Medium, über welches ich am meisten Aufmerksamkeit erhalte, weshalb die Wahl auf diese Plattform fiel.

4.   Auf was muss ich noch achten wenn ich einen Takeover plane?

Jasmina: Ich habe lediglich meine privaten Nachrichten gelöscht. Nicht, weil ich etwas zu verbergen hätte, sondern weil auch jene die mir privat geschrieben haben, ein Recht auf Schutz und Diskretion haben. Außerdem ist es glaube ich wichtig, denen, die den Account übernehmen dürfen, ein Grundvertrauen entgegen zu bringen. Da ich diesen Personen auf Twitter selbst folge, kannte ich ja die Tonalität und Inhalte, die sie sonst bespielen, im Vorfeld.

5.  Welches Feedback hast du bekommen?

Jasmina: Vor allem positives, was aber sicher an den fantastischen Inhalten der Personen, die meinen Account übernommen haben, lag.

6.  Wie war der Austausch während der Takeover-Zeit mit den Account-Gästen? Hattet ihr Absprachen zum Umgang mit Hate Speech, muten, blocken bzw. wie seid ihr damit umgegangen?

Jasmina: Unterschiedlich. Ich habe allen vorher gesagt, dass sie Hate Accounts blocken sollen. Ansonsten war es dann tatsächlich ihr Account und ich sah da keine Veranlassung, mich einzumischen.

7.  Gibt es etwas das du im Nachhinein mitbedenken würdest oder was du anderen, die ebenfalls einen Takeover ausprobieren wollen, mit auf den Weg geben möchtest?

Jasmina: Nein, einfach mal loslassen! Es ist nur Social Media!

Wie ist es eine Woche einen anderen Account zu bedienen...

Tanja Kollodzieyski sagt "Das Takeover war für mich eine großartige Erfahrung. Ich habe Jasminas Community als sehr offen und neugierig gegenüber mir und den Themen Inklusion und Behinderung erlebt. Allerdings war es auch eine sehr intensive Erfahrung, die gezeigt hat, dass es eben auch echte Arbeit ist, so vielen Menschen und Accounts gerecht zu werden. Ich hatte schon selbst ein Takeover auf meinen Account, mit einer befreundeten schwarzen Userin, die auch mit einer Behinderung lebt. Dieser Takeover fand noch kurz vor meinen Takeover bei Jasmina statt. Außerdem habe ich zusammen mit anderen Menschen ein Jahr lang das Projekt @54Kontraste geführt, bei dem jede Woche eine andere Person über ihrem Alltag mit Behinderung getwittert hat. Egal in welcher Funktion ich Takeovers bisher gemacht oder geleitet habe, es war immer eine wertvolle Chance, dass sich Menschen begegnen, die sich sonst nicht ausgetauscht hätten."
Melina Borcak sagt: "Es war mir eine große Ehre und Freude, Jasminas Account als erste Person eine Woche lang zu übernehmen. Ich habe mich auch etwas unter Druck gefühlt, weil ich sonst selten tweete, vielleicht 2-3 Mal im Monat, im Gegensatz zu anderen, die mehrmals täglich tweeten. Ich befürchtete, dass ihr viele entfolgen werden. Am Ende habe ich einmal am Tag etwas geschrieben, es kamen sogar ein paar hundert Follower dazu. Außerdem dachte ich, sie wird schon einen Grund haben, dass sie mir mit ihrem Account voll und ganz vertraute und habe alle Zweifel vergessen. Ich habe schon vor einem Jahr daran gedacht, meinen Account abzugeben an Leute, die extrem marginalisiert und unterprivilegiert sind, überhaupt keinen Twitteraccount haben und komplett unsichtbar in den Twitter-Diskursen und der größeren Gesellschaft sind."
Minh Thu Tran sagt "Ich fand es einfach cool, dass Jasmina so solidarisch ist und auf diese Weise Stimmen und Perspektiven mehr Aufmerksamkeit schenkt - und das halt indem sie Platz macht, statt „einzubetten“. Das ist für mich wertvolle und tolle Solidarität unter marginalisierten Stimmen."
Jenny Havemann sagt "Erstmal ein riesen Kompliment an Jasmina für diese Möglichkeit, ihre Follower zu erreichen, und aus der eigenen Social Bubble ein wenig auszubrechen. Auf anderen Plattformen würde man dafür viel Geld zahlen, um Werbung auf einem großen Account zu bekommen. Die Idee, den Account Menschen zu geben, die ähnlich wie Jasmina von der Gesellschaft diskriminiert werden, ist bewundernswert. Mir würde es schwer fallen, jemandem meinen Account zu überlassen, weil ich ein Kontroll-Freak bin, aber ich mache regelmäßig Werbung für Accounts, die ich toll finde."

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