Alter Rassismus in neuem Gewand: Die „neue“ Rechte
Alter Rassismus in neuem Gewand: Die "neue" Rechte
Die „neue“ Rechte – eine Selbstbezeichnung – will sich von der „alten“ abgrenzen und beruft sich auf die sogenannte „Konservative Revolution“ – rechtsnationale Intellektuelle aus der Vor- und Zwischenkriegszeit, die als Vordenker des Nationalsozialismus gelten. Die „neue“ Rechte gibt sich intellektuell. Bei genauerem Hinschauen sind die Unterschiede zum klassischen Rechtsextremismus verschwindend gering: Wo die einen „Ausländer raus“ grölen, raunen die anderen von der „Remigration“. Gemeint ist das dasselbe.
Ähnlich sieht es bei anderen Themen aus. Die „neue“ Rechte steht für Flüchtlingsfeindlichkeit, Antifeminismus, Islamfeindlichkeit, Homo- und Transfeindlichkeit und ist in Teilen antisemitisch. Ob unfreiwillig oder nicht, hat Thilo Sarrazin mit Büchern wie „Deutschland schafft sich ab“ viele Ideen der „neuen“ Rechten salonfähig gemacht. Über die rechtsradikale AfD gelangen zentrale Ideen in Länderparlamente und in den Bundestag.
Was sie tun: Ihre Strategien
Die Vertreter*innen der „neuen“ Rechten wollen die Errungenschaften der liberalen Gesellschaften abschaffen. Dabei machen sie sich genau diese zunutze, um Räume für sich zu beanspruchen. Die „neue“ Rechte arbeitet mit passenden Angeboten für alle Zielgruppen. Mit dem schon sprichwörtlich gewordenen „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, nutzen sie die Meinungsfreiheit, um Rassismus, LSBTIQ*-Feindlichkeit und Antisemitismus zu normalisieren. Auf der Straße treten sie dabei mit Stickern, Flashmobs, Protestaktionen und Demonstrationen in Erscheinung. Zentral ist für die „neuen“ Rechten der digitale Raum. Die AfD hat bspw. auf Facebook mehr „Likes“ als alle demokratischen Parteien. Jüngere Interessent*innen werden von der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) mit zeitgemäßen und gut produzierten Videos bedient. Dazu kommen Junge Freiheit und Compact.
Die „neue“ Rechte ist auf allen Kanälen aktiv. Auch in den Parlamenten nimmt sie über ihren parlamentarischen Arm aus Teilen der AfD Raum ein: Die Partei nutzt besonders gerne parlamentarische Anfragen, um die Arbeit demokratischer Institutionen zu binden, gleichzeitig zivilgesellschaftliche Akteure unter Druck zu setzen und ein Bedrohungsszenario gegenüber Migrant*innen, LSBTIQ* und anderen Menschen aufzubauen, die nicht ins eigene Weltbild passen. Die rechten Akteure sind dabei gut miteinander vernetzt. Insbesondere die Initiative EinProzent will eine Art rechtsextreme Einheitsfront von Neonazis, über völkische Siedler bis hin zum „gemäßigten“ Teil der AfD schaffen.
Die Identitäre Bewegung (IB) ist, anders als der Name vermuten lässt, keine Bewegung, sondern eine in mehreren europäischen Ländern vertretene rechtsextreme Organisation, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Durch medienwirksame Aktionen will sich die IB ein hippes Image geben, um sich zumindest äußerlich von altbackenen Neonazis abzugrenzen und so ein junges Publikum anzusprechen. Zwar scheint die Verpackung modern, doch die Inhalte bleiben klassisch rechtsextrem: Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus. Ihre Führungsfiguren in Deutschland kommen zum Beispiel aus der NPD-Jugend, aus radikalen Burschenschaften und aus der verbotenen Neonaziorganisation Heimattreue Deutsche Jugend.
Das Institut für Staatspolitik (IfS) wurde u. a. von Götz Kubitschek im Jahr 2000 gegründet. Ziel des neurechten Thinktanks ist es, Rechtsaußen-Diskurse gesellschaftsfähig zu machen. Das IfS veranstaltet Vorträge rechtsextremer Referent*innen, schult(e) NPD-Kader sowie andere rechtsextreme Personen und dient der Szene als Kaderschmiede.
EinProzent ist eine im April 2016 gegründete Initiative der „neuen“ Rechten. Der Widerstand gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung soll durch EinProzent gebündelt werden, um so rechtsextreme Kampagnen wie z. B. Aktionen der Identitären Bewegung gegen Geflüchtete auf dem Mittelmeer durch deren Finanzierung zu ermöglichen. Aktiv sind hier bekannte Strategen der „neuen“ Rechten, u. a. Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer. Als Vorsitzender fungiert Philip Stein, ein junger Verleger und Burschenschaftler, der bereits bei einer AfD-Veranstaltung im Reichstag auftrat.
Was sie denken: Zentrale Begriffe der „neuen“ Rechten
Ethnopluralismus Wo die NPD brüllt „Deutschland den Deutschen“ ruft die „neue“ Rechte nach „Ethnopluralismus“ – gemeint ist dasselbe. Das „Volk“ meint nach diesem nationalistischen Konzept nicht die Bevölkerung eines Staates, sondern wird stattdessen mit „Ethnie“ gleichgesetzt. Jedes „Volk“ hätte eine vermeintlich unveränderliche kulturelle Identität, so die Argumentation der „neuen“ Rechten. Diese müsse vor „fremden“ Einflüssen geschützt werden. Deshalb sollten „Völker“ sich strikt voneinander abgrenzen und auf innere Homogenität achten. Dieser „Rassismus ohne Rassen“ führt zu Ausgrenzung und Gewalt gegen Migrant*innen: Alle Menschen, die nicht dem „Volk“, also der imaginierten eigenen Ethnie angehören, müssten das Land verlassen.
„Umvolkung“ / „Der große Austausch“ Diese Verschwörungserzählung imaginiert einen staatlich organisierten oder zumindest geduldeten Bevölkerungsaustausch der „Stammbevölkerung“ durch Migrant*innen. Dabei verbinden die rechten Akteure antimuslimischen Rassismus mit antisemitischen Stereotypen. Damit wollen sie ihre Menschenfeindlichkeit und ihren Hass theoretisch begründen und rechtfertigen. Häufig wird eine jüdische Verschwörung als Strippenzieherin des angeblichen Bevölkerungsaustauschs.
Metapolitik Dieser philosophische Begriff der Staatslehre wird von der „neuen“ Rechten als der Kampf um die kulturelle Hegemonie verstanden: Um ein vorherrschendes politisches System zu „überwinden“, will die rechte Szene auch über den politischen Bereich hinaus aktiv werden. Man müsse zunächst in die Zivilgesellschaft eindringen, die Grenzen des Sagbaren verschieben und rechte Positionen in der Öffentlichkeit normalisieren. Im Rahmen einer Strategie des „Kulturkampfes“ und der „Konservativen Revolution“ werden Zeitschriften verlegt, Institute aufgebaut und Verlage gegründet, um so meinungsbildend im öffentlichen Raum zu wirken und Diskurse zu besetzen und zu ändern.
Reconquista Der historisch umstrittene Begriff bezeichnet die Rückeroberung der arabisch besetzten iberischen Halbinsel durch christliche Königshäuser ab dem Jahr 722. Am Ende der historischen „Reconquista“ war Spanien allerdings nicht nur von der muslimischen Herrschaft befreit, sondern zwang auch alle Juden und Jüdinnen zu konvertieren oder das Land zu verlassen. Die „neue“ Rechte nutzt „Reconquista“ heute als Kampfbegriff, um zu implizieren, dass Deutschland von Muslim*innen und dem Liberalismus besetzt sei und zurückerobert werden müsse.
Podcast zum Thema
Podcast: Was ist neu an der „Neuen Rechten“?
Die zweite Folge des de:hate-Podcast der Amadeu Antonio Stiftung dreht sich um die “Neue Rechte”. Ausgehend von der Frage, was eigentlich so “neu” an diesen Rechten sein soll, befassen wir uns mit der Entstehung dieses Spektrums: Wer sind die historischen und ideologischen Vorläufer der “Neuen Rechten”? Welche Strategie verfolgt sie? Welche Rolle spielen die Begriffe “Kultur” und “Identität”? Auf der Suche nach Antworten haben wir mit Marcus Funck (Zentrum für interdisziplinäre Antisemitismusforschung), Marcus Bensmann (correctiv) und Natascha Strobl (Autorin “Die Identitären: Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa”) gesprochen.