Desintegrierte Allianzen? Die Holztür einer Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 verhinderte den größten antisemitischen Anschlag seit 1945. Ein Rechtsextremist versucht an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, die Synagoge zu stürmen. Anschließend ermordete er Jana L. und Kevin S.. Ein Jahr später wurden am 19.2.2020 neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Ihre Namen sind Ferhat Unvar, Said Nesar Hashemi, Mercedez Kierpacz, Gökhan Gültekin, Fatih Saraçoğlu, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Sedat Gürbüz und Kaloyan Velkov. Nicht nur weil die Attentäter von Halle und Hanau Rassismus und Antisemitismus in perfider Weise zusammendachten und darauf reagiert werden muss, sondern auch aus einer emanzipatorischen Perspektive müssen diese Ideologien in ihren Zusammenhängen, Unterschieden und Gemeinsamkeiten mehr diskutiert werden. Wie kann das aber gehen, wenn es in rassismuskritischen Ansätzen immer wieder antisemitische Ausfälle gibt, die keineswegs Einzelfälle sind? Oder wenn eine antisemitismuskritische oder israelsolidarische Haltung nur Steigbügelhalter für Rassismus und die eigene Schuldabwehr sind? In ihrer Bachelorarbeit untersucht Vicky Lessing (28) das Konzept der Desintegration des Publizisten Max Czollek mit Blick auf dessen Potentiale einer gemeinsamen Verhandlung von Antisemitismus und Rassismus in kritischen Theorien, aber auch der politischen Bildung und im Aktivismus. Ein Plädoyer für desintegrierter Allianzen, in die Vicky Lessing ihre Hoffnungen setzt, statt in massive Holztüren.
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