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Code of Conduct: KI in der Zivilgesellschaft demokratisch nutzen

Symbolbild: Code of Conduct Demokratische KI

Was ist wahr und was gefälscht? Diese Unterscheidung ist für unsere Demokratie zentral – und Künstliche Intelligenz macht die Antwort zunehmend schwerer. Wie sollen sich demokratische Organisationen zu einer Technologie verhalten, die als nützliches Tool den Arbeitsalltag erleichtern kann, aber gleichzeitig antidemokratischen Akteur*innen die Manipulation unserer Gesellschaft ermöglicht? Die Amadeu Antonio Stiftung hat gemeinsam mit mehr als 40 Organisationen der Zivilgesellschaft eine freiwillige Selbstverpflichtung erarbeitet, die der Zivilgesellschaft Orientierung bieten soll und wichtige Grundprinzipien beschreibt.

Von Oliver Saal

Laut einer Befragung aus dem Jahr 2024 haben nur 14 Prozent der deutschen Nichtregierungsorganisationen eine Leitlinie für den Umgang mit KI. Dabei ist anzunehmen, dass die große Mehrheit der Beschäftigten die Technologie verwendet – nur eben weitgehend unreguliert. Doch menschenfeindliche Akteur*innen nutzen generative KI bereits mit der gleichen Selbstverständlichkeit für ihre Propaganda, mit der sie auch schon zu den Erstnutzenden vergangener technischer Neuerungen gehörten. Höchste Zeit also, dass die Zivilgesellschaft die Potentiale der Technologie für emanzipatorische Anliegen ermittelt, testet und praktisch anwendet. Wie das gelingen kann, ohne auf dieselbe manipulative schiefe Ebene zu geraten, die wir antidemokratischen Akteur*innen zu Recht vorwerfen, war bis dato eine Leerstelle.

Der Code of Conduct Demokratische KI ist eine Selbstverpflichtung und Orientierungshilfe für den informierten, reflektierten und verantwortungsbewussten Einsatz von KI. Er wurde in einem einjährigen, partizipativen Prozess von 48 Organisationen der Zivilgesellschaft entwickelt, der von D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt koordiniert wurde. Damit entsteht zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum aus Sicht der Zivilgesellschaft ein gemeinsamer Handlungsrahmen und praktisch handhabbare Prinzipien für die tägliche Praxis, die die Ethik-Leitlinien der UNESCO sowie die den gesetzlich-regulatorischen Rahmen des AI-Acts der EU ergänzen.

Oliver Saal, Referent Digitales bei Civic.net

Im Zentrum des Verhaltenskodex stehen acht Grundprinzipien, zu deren Einhaltung sich die unterzeichnenden Organisationen verpflichten:

  • Abwägung der Nutzung
  • Menschenzentrierung
  • Transparenz
  • Teilhabe & Partizipation
  • Diskriminierungskritische Haltung
  • Verantwortung & Verantwortlichkeit
  • Kompetenzen
  • Ökologische Nachhaltigkeit
Acht Grundprinzipien, Foto: Screenshot Website D64

Die Prinzipien stehen gleichberechtigt nebeneinander. Sie beanspruchen Gültigkeit sowohl für Organisationen, die öffentlich zugängliche generative KI-Anwendungen für ihre Arbeit oder das Engagement nutzen, zum Beispiel zur Erstellung von Bildern und Texten. Sie sind ebenso praktisch anwendbar für Projekte, die bereits jetzt oder in Zukunft eigene KI-Lösungen programmieren und anwenden. Der Code of Conduct ist auch offen für alle, die sich bewusst dafür entscheiden, keine Künstliche Intelligenz zu verwenden – denn das ist ein Grundgedanke hinter der Erklärung: KI ist kein Selbstzweck. Als unterzeichnende Organisation verpflichten wir uns, die neue Technologie so einzusetzen, dass demokratische Teilhabe erleichtert, Diskriminierung reduziert und gesellschaftlicher Zusammenhalt gestärkt wird. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Technologie auch von denjenigen akzeptiert wird, die beispielsweise von einem neuen Produkt „mit KI“, einer neuen Form KI-gestützter Datenerfassung oder Pflegerobotern betroffen sind. Konkret bedeutet das für die Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung, dass wir beispielsweise:

  • in unserem Kollegium systematisch Kompetenzen zum Einsatz von KI-Systemen aufbauen, etwa durch Fortbildungen;
  • Inhalte, die überwiegend oder vollständig mit KI entstanden sind, transparent kennzeichnen, insbesondere Bild-, Ton- und Videoerzeugnisse, weil sie ein großes Manipulationspotential haben sowie Übersetzungen;
  • Beteiligungsmöglichkeiten bei der Auswahl von KI-Systemen in der Belegschaft schaffen;
  • nachhaltige und datensparsame Lösungen bevorzugen;
  • Verantwortung für die Ergebnisse von KI-Systemen in unserer Organisation übernehmen.

Für uns steht fest: Technischer Fortschritt ist nur dann ein echter Fortschritt, wenn eine Technologie gesellschaftliche Teilhabe stärkt und Autonomie fördert, zum Beispiel von Menschen mit Behinderung oder eingeschränktem Zugang zu Bildung. Wenn sie Nutzende befähigt, ihre individuellen Potenziale voll auszuschöpfen. Wenn sie Hürden abbaut, Abläufe verbessert und Probleme löst, die vorher nicht oder nur mit erheblichem Ressourcenaufwand lösbar waren. Wenn sie in der Summe also das Leben nicht nur für einige wenige besser macht, sondern das Zusammenleben aller Menschen verbessert und die Zugänge zu Wissen und Möglichkeiten demokratisiert.

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz durch antidemokratische Akteur*innen ist das genaue Gegenteil dieser Maximen: Rechtsextreme nutzen KI, um das Netz und sogar unsere analoge Alltagswelt schneller und stärker mit manipulativen Inhalten zu fluten, gefühlte Wahrheiten mit fiktionalen Grafiken zu bebildern, Mehrheiten zu simulieren und so mehr Anhänger*innen für rechtsextreme und verschwörungsideologische Weltbilder zu gewinnen. Die Amadeu Antonio Stiftung wird auch in Zukunft über diese Manipulationsmöglichkeiten aufklären und über ihren Einsatz durch antidemokratische Gruppen berichten.

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