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Gleichwertigkeit lernen – von klein auf

Das sächsische Hoyerswerda erlangte traurige Berühmtheit als im September 1991 im Zuge rassistischer Ausschreitungen ein Wohnheim für Vertragsarbeiter angegriffen wurde. Auch heute noch kommt es zu rassistisch motivierten Übergriffen. Einige Engagierte wollen früh ansetzen und bringen Kinder mit und ohne Einwanderungsgrund zum Austausch zusammen.

Der Wohnkomplex WE Ve ist ein sozialer Brennpunkt; nur wenige Menschen kommen aus anderen Kulturen oder Ländern, eine nicht geringe Zahl der Anwohner sind arbeitslos, die Wahlergebnisse der NPD sind hoch. Aufgrund dieser Beobachtungen und der teilweise frauenverachtenden, rassistischen oder antisemitischen Äußerungen gerade auch unter jungen Menschen hat sich der Verein überlegt, einen spielerischen Austausch zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund zu ermöglichen. Um das Kennenlernen und die Gemeinschaft vor Ort zu stärken, planen die Engagierten des Christlichen Vereins Junger Menschen e.V. im Wohnkomplex Aktionstage unter dem Motto „Interkulturelle Wochen“. Wichtig war es ihnen, dabei auch Kinder aus dem Flüchtlingsheim im nicht weit entfernten Kamenz einzubeziehen.

„Wir in Hoyerswerda haben sehr wenige Kinder mit Migrationshintergrund in unserem Kreis und wir dachten uns, dass die jungen Menschen untereinander sich kennen lernen sollten, um Vorurteile abzubauen. Für beide Kindergruppen ist das eine Möglichkeit, rauszukommen und ihre Freizeit intensiv und lehrreich zu gestalten“, so Benjamin Lederer vom Verein.

Nach jahrelanger, intensiver Jugendarbeit organisierten die Engagierten ein Begegnungsprojekt zwischen Kindern des 25 Kilometer entfernten Flüchtlingswohnheims in Kamenz und Kindern des Wohnkomplexes WE Ve, deren Eltern zum Teil Sympathisanten der NPD oder Teilnehmer an rechten Demonstrationen sind. Die jungen Menschen zwischen 4 und 12 Jahren haben teilweise schon Erfahrung miteinander gesammelt, da im Rahmen der Interkulturellen Wochen 2012 ein gegenseitiges Kennenlernen in ihrem jeweiligen Umfeld arrangiert wurde.

Verständnis für die Situation von Flüchtlingen

„Das Projekt läuft seit Oktober. Aktuell kommen die Kinder auch ohne ihre Eltern, was uns zeigt, dass sie Vertrauen aufbauen konnten. Der Kontakt zwischen den Kindern ist natürlich, sie spielen ohne Anleitung miteinander, was anfangs weniger so war. Durch die Gefahr der Abschiebung bei den Familien der Kinder aus dem Flüchtlingswohnheim haben wir ab und an ein Problem mit der Planungssicherheit. Auch das bekommen die Kinder des Wohnkomplexes mit und entwickeln ein Verständnis für die schwierige Lebenssituation von Flüchtlingen. Ich denke, dass das Projekt wachsen wird und wir planen an der Etablierung“, erzählt Lederer.

Das Projekt setzt an der Lebenswelt der Kinder an; sie treffen sich an ihren sicher empfundenen und persönlich gewählten Spiel- und Freizeitorten. Durch gemeinschaftliche Aktivitäten, Spiele und Ausflüge, aber auch pädagogisch motivierte Geschichten, Mit-Einbeziehen von Eltern und älteren Jugendlichen soll positiver Einfluss auf die Kinder genommen werden. Das Forcieren eines achtsamen, respektvollen Umgangs, die Förderung der Verständigung und des Austauschs, die Bildung von Vertrauen und Annäherung ermöglichen den jungen Menschen, Ressentiments abzubauen – weshalb die Amadeu Antonio Stiftung das Projekt gern finanziell unterstützt. Die Kinder erfahren einander ein Jahr lang mit verschiedenen Aktivitäten auf einer friedlichen, spielerischen Ebene und sammeln eigene Erfahrungen.

Von Jessica Lütgens

Foto: Jörg Beckmann (CC BY 2.0)

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