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Gedenken an Opfer rechter Gewalt endet nicht mit einem Urteilsspruch

Rassistische Gewalt ist seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau. Die rassistischen Ausschreitungen der 1990er in Rostock und Hoyerswerda, aktuell in Heidenau sowie die Morde des NSU sind nur einige Beispiele, die ein klares Eintreten gegen Rassismus einfordern. Erinnerungs- und Gedenkarbeit an Betroffene rassistischer Gewalt stellen einen der zentralen Bestandteile antirassistischer Arbeit dar.

In Leipzig veranstalten die Gruppen „Rassismus tötet!“ und „Pogrom 91“ in Kooperation mit Roter Baum e.V. nun einen Kongress, der die bisherige Gedenk- und Erinnerungspolitik nichtstaatlicher Gruppen in Bezug auf rechte Morde und Gewalt zum Thema hat. Mit dem Kongress, der vom 11.-13. September stattfindet, soll auch eine bundesweite Vernetzung von lokalen Gruppen angestoßen werden.

Anlass ist vor allem die Kritik der Veranstaltenden an der Fixierung auf die Täter und Täterinnen durch staatliche Institutionen: Auf der einen Seite hat die juristische Aufarbeitung des NSU eine tragende Rolle im Erinnerungs- und Gedenkprozess, auf der anderen Seite ist es unerlässlich, durch nichtstaatliche Gruppen die Perspektive der Betroffenen in den Fokus zu rücken. Grade während der Ermittlungen zum NSU habe diese keine Rolle gespielt. Die fehlende Sensibilität gegenüber rassistischen Straftaten und Angehörigen der Betroffenen ist jedoch ein Problem, was sich häufig beobachten lässt: „Oftmals spielt es für Beamte und Beamtinnen keine Rolle, in welcher Situation sich Angehörige von Opfern rechter Gewalt befinden. Die fehlende Sensibilität der Ermittelnden gegenüber Rassismus führte beim NSU sogar dazu, dass Angehörige unter Tatverdacht standen. Eine rechte oder rassistische Motivation wurde erst gar nicht in Betracht gezogen. Hier gilt es, Kritik an Arbeitsweisen von Behörden und Institutionen zu üben“, erklären die Veranstaltenden.

Der Kongress versucht, die Erinnerungs- und Gedenkpolitik staatlicher sowie nichtstaatlicher Akteure zusammenzudenken. Ausschlaggebend dafür ist die Annahme, dass die Gedenk- und Erinnerungsarbeit an die Opfer des NSU nach dem Prozess von der Gestaltung nichtstaatlicher Gruppen abhängen wird. Zu häufig schließen staatliche Institutionen mit dem Urteilsspruch auch das Kapitel der Erinnerung an Betroffene. Die Wahl des Veranstaltungsorts ist dabei nicht zufällig: In Leipzig blieb der NSU über Jahre unerkannt und versteckt und pflegte so seine Kontakte in die rechtsextreme Szene. Darüber hinaus wurden in Leipzig seit 1990 drei rassistisch motivierte Morde gezählt. Durch die Recherchearbeit für die Ausstellung „Die verschwiegenen Toten. Todesopfer rechter Gewalt in Leipzig seit 1990“ gibt es Hinweise auf drei weitere Todesopfer rechtsmotivierter Gewalt, die von staatlicher Seite allerdings nicht als solche anerkannt sind. Im Rahmen des Kongresses kann auch die Ausstellung besucht werden.

„Nichtstaatliche Gruppen müssen immer wieder daran erinnern, in was für einer Gesellschaft wir leben. Rassismus muss klar benannt werden. Seine Auswirkungen für die Betroffenen bis hin zu Morden dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Es geht um den gesellschaftlichen Kontext, in dem so etwas überhaupt möglich ist. Dem gilt es, klar entgegenzutreten und darüber aufzuklären.“ Die Dokumentation und Aufarbeitung rechter Gewalt in Deutschland kann nur fruchtbar sein, wenn diese auch an eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus anschließt. Doch das bleibt bei der juristischen Auseinandersetzung durch den NSU-Prozess aus, wie Opferangehörige immer wieder beklagen. Deshalb ist es auch ein Ziel des Gedenkkongresses, den Opfern ein Gesicht zu geben und zu fragen: warum wurden diese Menschen überhaupt erst Ziel rechter Gewalt?

Der zweitätige Kongress besteht aus verschiedenen Programmpunkten, die von künstlerisch-filmischen Auseinandersetzungen bis hin zu Podien und Diskussionsrunden reichen. Der Besuch des Kongresses sowie der Veranstaltungen ist kostenlos. Die Amadeu Antonio Stiftung fördert den Kongress, weil Aufarbeitung rechter Gewalt nicht mit einem Urteilsspruch endet, sondern mit der Erinnerung an die Opfer beginnt. Dabei ist es wichtig, den Betroffenen rechter Gewalt eine Stimme zu geben und ihre Perspektive in den Mittelpunkt zu stellen.

Weitere Informationen sowie Beschreibungen der Veranstaltungen können unter www.gedenkkongress.de abgerufen werden.

Von Amelie Hoffmann

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