Antifeminismus in Zeiten der Corona-Pandemie
„Corona- oder nur genderverseucht?“ - Antifeminismus in Zeiten der Corona-Pandemie
Zeiten der Krise werden auch dazu genutzt, Geschlechterverhältnisse wieder in Reih und Glied zu bringen. Frauenrechte und Instrumente der Gleichstellung werden zum Luxusproblem degradiert, wofür nun weder Zeit noch Geld „verschwendet“ werden könne. So sind in Sozialen Medien vermehrt Kommentare zu lesen wie: „In Deutschland gibt es ca. 100 Genderprofessuren, die nichts zur Corona-Krise beitragen. Das Geld wird dringend in medizinischen Institutionen benötigt.“ Gleichzeitig werden Hoffnungen geäußert, dass in der „nahenden Wirtschaftskrise dieser Gendergaga wegfällt“ oder „dieser Tage werden wir noch sehen, wen wir dringender brauchen: Feministinnen oder Wissenschaftler.“
Dabei ist nicht nur die Frage, ob diese User*innen keine feministischen Wissenschaftler*innen kennen. Derlei Kommentare ignorieren auch, dass die Corona-Krise die Ungleichheit der Geschlechter verschärft: So arbeiten in systemrelevanten Berufen bis zu 75% Frauen, die aber gleichzeitig die schlecht bezahlten typischen „Frauenberufe“ sind: Krankenschwester, Altenpflegerin, Erzieherin und Supermarktkassiererin. Frauen sind zum überwiegenden Teil zugleich für Care- und Sorgearbeiten zuständig: Homeschooling, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und der Haushalt werden während der Corona-Pandemie laut Umfragen überwiegend von Frauen geleistet. Oftmals neben dem eigenen Job im Homeoffice. Nicht zuletzt steigen die Fälle von häuslicher Gewalt und das Gewaltrisiko für Frauen und Kinder. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie machen also vor allem Frauen zu schaffen.
Dessen ungeachtet sind in autoritären, vielfaltsfeindlichen und rechtsradikalen Kreisen antifeministische Mobilmachungen gegen demokratische und gleichstellungsorientierte Positionen zu sehen. Gender oder Gleichstellungsarbeit wird als unnötiger, ja gefährlicher Luxus diffamiert. Es werden Unterschriften für den „Aufruf gegen Gender-Unfug“ gesammelt und dabei gleichzeitig die Corona-Krise genutzt, um auf die Petition aufmerksam zu machen. Nach Ansicht der AfD könnten infrastrukturell nicht bedeutsamen Berufen wie Gleichstellungsbeauftragte in der Krisenzeit eingestampft werden und „die vielen Millionen für dekadente Genderprofessuren und für die Asylindustrie“ eingespart werden. Genderprofessuren belasteten Staatsfinanzen und fehlen im Maßnahmenpaket gegen Corona. Dabei ist die Corona-Pandemie nur ein vorgeschobenes Argument, um gängige antifeministische Positionen durchzusetzen.
Was ist Antifeminismus?
Unter Antifeminismus werden gesellschaftliche, politische, religiöse und akademische Strömungen und Akteur*innen verstanden, die sich organisiert gegen Feminismus wenden. Antifeminismus richtet sich gegen Feminismus – bzw. das, was darunter verstanden wird – und gegen feministische Anliegen, wie beispielsweise die Beseitigung von Sexismus, die Umsetzung von Gleichberechtigung oder die Stärkung weiblicher Selbstbestimmung. Antifeminismus ist eine zentrale Ideologie im Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Das Erstarken extrem rechter Akteur*innen und menschenfeindlicher Ideologien in den letzten Jahren in Deutschland geht daher auch mit einem Erstarken von Antifeminismus einher. Im Antifeminismus verorten sich verschiedene gesellschaftliche Strömungen, Akteur*innen und Netzwerke. Antifeminismus wird oftmals mit Antisemitismus, Rassismus und weiteren Ideologien der Ungleichwertigkeit verbunden.
Antifeminismus und Verschwörungserzählungen
Einige Akteur*innen des Antifeminismus sind in ihrer Ideologie auch im antisemitischen Weltbild verhaftet und sehen Jüd*innen als „Strippenzieher“ des Feminismus und „Genderismus“. Das ist nicht sonderlich verwunderlich: Sowohl im Antisemitismus als auch im Antifeminismus gelten eine vielfältige Gesellschaft, Liberalismus und weitere Aspekte der Moderne als Bedrohung, als Zeichen von Dekadenz. Veränderungen werden nicht als Folge von teils langwierigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, sondern personalisierend als „Machwerk“ weniger einflussreicher Menschen angesehen, die auf Kosten der Gesellschaft nur an ihren eigenen Vorteil dächten. Der „Genderismus“ wird in dieser Verschwörungsideologie als zentraler Bestandteil für die Manipulation des „deutschen Volkes“ gesehen. Der Feminismus diene der “jüdischen Weltherrschaft” als Instrument, mit dem diese auf ein Aussterben des “deutschen Volkes” hinarbeiten würden, indem die Geburtenrate gesenkt und traditionalisierte Geschlechterrollen aufgelöst würden. In rechtsextremen Erzählungen wird der Antifeminismus sehr häufig in antisemitische Verschwörungserzählungen eingebettet. Antisemitismus wird durch den Bezug auf Antifeminismus aktualisiert. Die vermeintlichen Ziele des Feminismus werden häufig mit den vermeintlichen Zielen „der Juden“ gleichgesetzt: Eine sehr machtvolle, gute vernetzte kleine Elite handele gegen die Interessen des (homogenen) Volkes, um die Gesellschaft so zu zerstören. Diese Vorstellung findet sich mehr oder weniger deutlich formuliert sowohl im Manifest der Rechtsterroristen von Halle, Christchurch, Oslo und Utøya, als auch in Büchern des neurechten Thinktanks „Institut für Staatspolitik“.
Bildung und Beratung zu Antifeminismus: die Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus
Die Fachstelle berät und schult mit einem Fokus auf Gender bundesweit Zivilgesellschaft, Politik, Jugendarbeit, Bildungseinrichtungen und Medien im Umgang mit Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit: Was bedeutet die Arbeit gegen Rassismus, Antisemitismus oder Antifeminismus konkret in der Praxis? Welche Rolle spielt Geschlecht bei abwertenden Einstellungen und Äußerungen? Warum sind die Themen Feminismus, Gender oder Geschlechtergerechtigkeit Feindbilder bei rechtspopulistischen Akteur*innen, werden von ihnen aber auch instrumentalisiert und wie erkenne ich das?
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