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Berlin steht an der Seite Betroffener rechter Gewalt

Mit großflächigen Plakaten in der U-Bahn, Postkarten in Bars und Clubs sowie in den Sozialen Medien lenkt die Kampagne „Berlin steht an der Seite Betroffener rechter Gewalt“ des Opferfonds CURA die Aufmerksamkeit der Berliner*innen auf rechtsmotivierte Gewalt in ihrer Stadt und macht sichtbar, wie Betroffene Berlin erleben.

Von Franziska Schindler

In der Nacht des 2. Februar 2018 weckte ein Anruf der Polizei den Berliner Buchhändler Heinz Ostermann. Sein Auto stehe in Flammen. Es war bereits der dritte Anschlag auf den Gründer der Initiative Neuköllner Buchhändler gegen Rechtspopulismus und Rassismus innerhalb von zwei Jahren. Und Ostermann war nicht der einzige: seit Mai 2016 wurden im Neuköllner Stadtteil Britz wiederholt Autos von Engagierten in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung angezündet, Scheiben von Cafés und Läden eingeworfen, deren Besitzer*innen sich klar gegen Rechtsextremismus positionieren, Stolpersteine ausgegraben und geklaut.

Dass rechte Gewalt in Berlin zum Alltag gehört, zeigt die Zählung der Berliner Opferberatungsstelle ReachOut: Allein im Jahr 2017 verzeichnete die Beratungsstelle 267 Angriffe, bei denen mindestens 374 Personen, darunter 22 Kinder, bedroht, beschimpft, verletzt und gejagt wurden. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.

„Obwohl und gerade weil Berlin sich gerne als weltoffene Stadt gibt, wird die Perspektive der Menschen, die eine andere Erfahrung machen, umso weniger wahrgenommen“, berichtet Sarah Haupenthal. Sie ist Projektkoordinatorin der Kampagne „Berlin steht an der Seite Betroffener rechter Gewalt“ des Opferfonds CURA, mit dem die Amadeu Antonio Stiftung seit 2004 Betroffene rechter Gewalt unterstützt. Ziel der aktuellen Kampagne ist es, sichtbar zu machen, wie Menschen, die von rassistischer oder anderen Formen menschenfeindlicher Gewalt bedroht sind, die Stadt erleben: Dass eine Fahrt mit der S-Bahn eben nicht so ohne Weiteres der entspannte Weg zu Freund*innen ist, weil öffentliche Verkehrsmittel ein Hotspot rechter Übergriffe sind. Dass es für viele keine Selbstverständlichkeit ist, sich in der Öffentlichkeit zu küssen, weil genau das sie zum Ziel von Angriffen macht. Dass das eigene Zuhause für Menschen, die sich offen gegen Menschenfeindlichkeit positionieren, nicht nur Ort des Rückzugs und der Geborgenheit ist, sondern oftmals mit der Angst verbunden wird, von rechtsextremen Anschlägen heimgesucht zu werden. Kurzum: Es geht darum, Angsträume sichtbar zu machen für diejenigen, die diese Angst nicht kennen.

Mit der Kampagne werden bekannte Berliner Orte zu Räumen, an denen die Perspektiven der Betroffenen im Mittelpunkt stehen. Mit großflächigen Plakaten in der U-Bahn und an anderen öffentlichen Plätzen, mit Postkarten in Bars und Clubs sowie einer begleitenden Social Media Kampagne lenkt das Projekt die Aufmerksamkeit der Berliner*innen auf rechtsmotivierte Gewalt in ihrer Stadt. Und bittet um Unterstützung: Denn um nach einem Angriff leichter in den Alltag zurückzufinden, ist schnelle und unbürokratische Hilfe essentiell.

Der Opferfonds CURA hilft, wo er kann. Oft werden Dinge gebraucht, die wie Kleinigkeiten erscheinen, für viele aber keine Selbstverständlichkeit sind: eine Brille zu reparieren. Ein neues Fahrrad zu besorgen. Das zerstörte Handy zu ersetzen. „In anderen Fällen geht es darum, Unterstützung überhaupt erst zugänglich zu machen“, berichtet Sarah Haupenthal. Der Opferfonds übernimmt die Kosten einer Orientierungssitzung mit einem Psychologen oder für ein beratendes Gespräch mit einer Anwältin. Dabei geht es um viel mehr als Geld. Die finanzielle Unterstützung zeigt den Betroffenen auch: Wir stehen an eurer Seite und lassen euch nicht allein.

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