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Anetta Kahane // Interview

Anetta Kahane // Interview

Im Juni 2016 veröffentlichte die Amadeu Antonio Stiftung eine Broschüre gegen Hassreden im Internet. Darin werden Handlungsempfehlungen gegeben, wie mit Hetze gegen Flüchtlinge in den sozialen Medien, mit sogenannter „Hate Speech“, umgegangen werden kann. Inzwischen wurde die Stiftung selbst zum Ziel solcher Hassreden und erhält Morddrohungen. Leiterin Anetta Kahane sieht darin eine gezielte Kampagne.

 

 

Frau Kahane, Ihre Stiftung ist Ziel heftiger Attacken. Wie hat das begonnen?

Die Angriffe gegen uns fingen an, als wir mit der vom Bundesjustizministerium eingesetzten „Task Force zum Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“ über Hass im Netz gesprochen haben. Seither erhalten wir permanent Hass-Mails und Drohungen. Allein die Tatsache, dass das Justizministerium verschiedene Organisationen eingeladen hat, um sich zu beraten, was man tun könnte angesichts der Hetze im Netz, provozierte eine Kampagne. Dass dabei jetzt ausgerechnet die Amadeu Antonio Stiftung in den Mittelpunkt gestellt wird, als eine Art Punchingball, ist sehr willkürlich. Wir haben in der Task Force gesagt, dass man zwar rechtlich relevante Sachen löschen muss, wir finden es aber besser, einen richtigen Umgang damit zu erlernen, sodass jeder Einzelne in die Lage versetzt wird, sich damit auseinanderzusetzen und richtig zu diskutieren. Es ist wichtiger, die Zivilgesellschaft zu stärken, als Kommentare zu löschen. Dass ausgerechnet uns jetzt vorgeworfen wird, wir seien die Zensurbehörde, ist schwer zu erklären.

 

 

Woher rührt die Empörung bei diesem Thema?

Es gibt bestimmte Reizwörter und -themen, die immer wieder solche Reaktionen auslösen, das Thema Islam etwa, oder Israel. „Hate Speech“ gehört auch in diese Reihe von Begriffen, die gerne ideologisch diskutiert werden. Das Thema „Hass im Netz“ ist ein Symbolthema.

 

 

Die Kampagne gegen Ihre Stiftung bindet ein großes Spektrum an sich: von Rechtsextremen der sogenannten Identitären, die sogar Ihre Stiftungsräume belagert haben, bis hin zu liberalkonservativen Publizisten…

Dieses Spektrum verbreitet seit vielen Jahren islamfeindliche und rassistische Stereotype, und das im Namen der Freiheit, der Menschenrechte, der Würde der Frau. Das ist sehr bizarr, denn dieses Spektrum ist gleichzeitig selbst extrem frauenfeindlich und antiemanzipatorisch eingestellt. Mit Liberalismus hat es nichts am Hut. In diesem Milieu geht es schon lange so zu, aber es hat sich in jüngster Zeit enorm ausgebreitet. Es radikalisiert sich im Internet, in den sozialen Netzwerken und landet dann bei Pegida und der AfD. Es ist hysterischer geworden und schlägt jetzt auf uns ein, weil wir für das Gegenteil stehen.

 

 

Wie gehen Sie damit um?

Wo wir können, versuchen wir es mit der Gegenrede. Auf unserer Facebook-Seite nehmen wir das Hausrecht war, wenn es offen rassistisch wird. Wenn direkte Drohungen ausgesprochen werden oder strafrechtlich relevante Äußerungen fallen, übergeben wir das dem LKA. Wir halten uns also an unsere eigenen Ratschläge und versuchen, der Situation mit Vernunft zu begegnen, Fragen zu beantworten und Aufklärung zu betreiben.

 

 

Werden diese Angriffe die Arbeit Ihrer Stiftung verändern?

Ich kann nicht für alle sprechen, aber für mich als Menschen ist es eine ungewohnte und unangenehme Erfahrung, im Zentrum von soviel Hass zu stehen. Aber dass wir jetzt übervorsichtig werden und uns nicht mehr äußern würden – das ist nicht der Fall.

 

 

Interview: Stefan Wirner

 

Zum Download der Broschüre „Geh sterben! Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet“

 

Informationen zur Amnesty-Kampagne „Gemeinsam gegen rassistische Gewalt in Deutschland“ finden Sie auf www.amnesty.de/gegen-rassismus

 

Quelle Amnesty International

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