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Ingrid Brodnig // Interview

Ingrid Brodnig // Interview

Was macht das Internet demokratisch? Was erwartet uns 2018 digital? Ingrid Brodnig, Autorin des zuletzt veröffentlichten Buches "Lügen im Netz - Wie Fake News, Populisten und unkontrollierte Technik uns manipulieren", gibt uns ihre Einschätzung ab.

 

1. Was bedeutet digtale Zivilcourage für dich?

Ingrid: Opfern zeigen, dass sie Unterstützung bekommen – das Wichtigste ist, dass sich Betroffene von Hass im Netz nicht alleingelassen fühlen.

 

 

2. Du hast bereits über Hass und Fake News im Netz geschrieben, wie ordnest du die Rolle von Narrativen ein?

Ingrid: Viele Falschmeldungen funktionieren über wiederkehrende Narrative: Eine Behauptung wird so lange wiederholt, bis sie vielen Menschen als wahr und plausibel erscheint. In der Wissenschaft nennt man das den „Wahrheitseffekt“ und es ist meines Erachtens ein wichtiger Faktor, wieso manipulative Meldungen so gut funktionieren.

 

 

3. Du hast mittlerweile 3 Bücher geschrieben. Über Anonymität, über Hass und eines über Fake News im Netz. Wie hat sich deine Analyse gewandelt? Oder ist alles gleichbeblieben?

Ingrid: Gleichgeblieben ist mein Glaube, dass wir an einer fairen Debattenkultur festhalten müssen.

 

 

4. Was siehst du heute anders?

Ingrid: Je mehr ich weiß, desto mehr weiß ich, wie wenig ich weiß. Wir stehen zum Beispiel erst ganz am Anfang der Forschung über Phänomene wie Echokammern und auch wenn es immer wieder beeindruckende Studienergebnisse gibt, ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, wie wenig wir insgesamt noch wissen.

 

 

5. Das #NetzDG ist seit kurzem in Kraft getreten, wie schätzt du es ein?

Ingrid: Das NetzDG beinhaltet ein Missbrauchspotenzial: Wenn Plattformen ungenau prüfen, können auch komplett legale Wortmeldungen gelöscht werden. Ich fände es gut, wenn hier zuerst eine Evaluation stattfindet und dann womöglich gesetzlich nachgebessert wird – falsch fände ich, wenn das NetzDG zur Gänze abgeschafft wird. Damit würde man es den Plattformen zu leicht machen. Es ist schon gut, wenn große Plattformen einen klaren Druck spüren, die Meldung strafbarer Inhalte auch ernst zu nehmen und zum Beispiel Verhetzung und Bedrohung nicht einfach stehenzulassen.

 

 

6. Welche Herausforderungen erwarten uns in diesem Jahr mit dem Fokus auf digitale Debattenkultur?

Ingrid: Eine entscheidende Frage ist, wie wir auf ständige Provokationen von Populisten reagieren sollen: Einerseits ist es wichtig, eine klare rote Linie in der öffentlichen Debatte zu ziehen. Andererseits liegt der Verdacht nahe, dass einige populistische Akteure gezielt Wut erregen, um damit Aufmerksamkeit zu erregen und die Debatte an sich zu reißen.

 

 

7. Gibt es schon ein neues digitales Thema, dem du dich widmen willst?

Ingrid: Mich interessieren derzeit zwei Themen besonders: Die Irreführung im Netz, wie stark dieses Problem ist und von welchen technischen Mechanismen Falschmeldungen profitieren. Zweitens die Rolle großer Plattformen für die öffentliche Debatte, weil offensichtlich ist, dass Unternehmen wie Google und Facebook wesentlich mitformen, worüber Menschen sprechen und welche Informationen sie erhalten.

 

 

8. Hast du digitale Vorsätze für 2018?

Ingrid: Ein persönlicher Vorsatz: Stärker abschalten – Ruhephasen finden und mehr zum langsamen Denken kommen.

 

 

9.Was würdest du gerne 2018 hinter dir lassen?

Ingrid: Wunderbar wäre eine Welt, in der man als öffentlich sichtbare Frau keine sexistischen Beleidigungen erhält. Ich bezweifle aber, dass wir das 2018 schaffen werden.

 

 

10. Was macht das Internet demokratisch?

Ingrid: Das Internet ist dann ein demokratisches Tool, wenn Menschen dort ihre Meinung vertreten können – und nicht Angst haben müssen, aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe mit purer Aggression weggemobbt zu werden.

 

 

11. Was war dein letztes positives Demokratieerlebnis?

Ingrid: Nach einem Vortrag kam ein älterer Herr zu mir und erzählte, dass er schon so oft harte und herabwürdigende Emails über Migranten und Flüchtlinge erhalten hat, die in seinem Bekanntenkreis kursieren. Er meinte, er hat jetzt den Entschluss gefasst, auch mal das Wort zu ergreifen – und nicht stillschweigend die Emails hinzunehmen, über die er sich schon so oft geärgert hat.

 

 

12. Debate heißt für dich..

Ingrid: Einen Diskussionsraum schaffen, in dem durchaus mit unterschiedlichen Meinungen diskutiert werden kann, es dabei aber faire Regeln gibt: Beleidigungen und Herabwürdigung sind nicht in Ordnung. Und wenn etwas nachweislich falsch ist, ist es kein zulässiges Argument.

 

 

13. Dehate heißt für dich..

Ingrid: Rhetorische Abrüstung: Uns allen täte eine weniger erhitzte und respektvolle Debatte besser.

 

 

Interview geführt von der Debate//De:hate Redaktion

Kontakt: https://www.brodnig.org

Bild: Ingo Pertramer/ Brandstätter Verlag

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