von Kira Ayyadi, Redaktion Belltower.News, Amadeu Antonio Stiftung
Der Text ist Online-Teil der Veröffentlichung „(R)echte Männer und Frauen. Analysen zu Geschlecht und Rechtsextremismus“
Von Neonazi-Influencerinnen über intellektuelle YouTuberinnen bis hin zu vermeintlich unpolitischen „Insta-Moms“: Extrem rechte Frauen nutzen geschickt Social-Media-Plattformen, um ihre menschenfeindliche Ideologie zu verbreiten. Dabei inszenieren sie sich als harmlose, aber effektive Trägerinnen der extrem rechten Propaganda. Dieser Beitrag beleuchtet ihre Strategien, zentrale Themen sowie die Vernetzung innerhalb der Szene und verdeutlicht anhand konkreter Beispiele die Gefahr, die von extrem rechten Frauen ausgeht.
Einrichtungs-Inspiration, Kochrezepte, Beauty-Tipps, Landschaftsfotos des deutschen Waldes: Frauen aus der extrem rechten Szene nutzen bewusst diverse Plattformen wie Instagram, YouTube und Telegram, um ihr extrem rechtes Weltbild persönlich und emotional verpackt vor einem großen, jungen Publikum zu verbreiten. Sie inszenieren sich dabei in ganz unterschiedlichen Rollen – mal vertieft in ein altes Buch, dann wieder im Dirndl vor den Alpen oder sexy räkelnd auf einem Motorrad. Viele dieser Aktivistinnen haben auf Instagram mehrere tausend Follower*innen. Ein Vorstandsmitglied der „Jungen Alternativen“ (JA) Berlin berichtete 2020 gegenüber Correctiv (2020), dass der Landesverband mittlerweile mehr als die Hälfte seiner Neuzugänge über die Foto- und Video-Plattform gewinne.
Influencer*innen
Influencer*innen sind Personen, die durch ihre Präsenz in den Sozialen Medien eine große Anzahl von Follower*innen und Fans erreichen und dadurch Einfluss auf ihr Publikum ausüben können. Influencer*innen zeichnen sich meist durch ein oder mehrere Merkmale aus, die sie attraktiv und interessant für ihre Follower*innen machen, und nutzen ihre Plattform, um Inhalte wie Fotos, Videos, Blogbeiträge oder Produktbewertungen zu veröffentlichen. Die thematische Ausrichtung der möglichen Content-Palette ist breit und umfasst unterschiedlichste Bereiche, darunter Mode, Beauty, Fitness, Reisen, Lifestyle, Gaming, Kochen oder Politik. Durch ihre Präsenz und ihren Einfluss können sie Produkte, Dienstleistungen, Marken oder Ideen und Lebensweisen bewerben und so das Verhalten ihrer Follower*innen formen. Politische Influencer*innen nutzen Strategien des Influencer-Marketings, um politischen Einfluss zu entfalten. Eine entsprechende Selbstinszenierung und politische Inhalte werden hier eng verknüpft, „indem sie einerseits politisierende Gefühle etablieren, mobilisieren und modifizieren und andererseits versuchen, eine Gefühlsbeziehung zu ihrem Publikum aufzubauen“ (Rösch 2023). An den Inszenierungsmodellen orientieren sich auch politische Influencer*innen der extremen Rechten: Aus ihren eigenen vier Wänden vermitteln sie Einblicke in ihr Privatleben und schaffen so vermeintliche Intimität und Nähe, um extrem rechte Propaganda zu verbreiten und junges Anhänger*innen zu rekrutieren.
„Talk deutsch to me“ – TikTokerin Triene ist ein Beispiel für eine rechte politische Influencerin: „Mein Name (Triene), mein Impfstatus (ungeimpft), meine Sexuality (hetero), meine Wahlpartei (AfD), meine Tankfüllung (Benzin). Bin ich Veganer (nope)? Und das ist meine Herkunft (Sachsen).“ Ein Video mit diesem Inhalt ging 2022 viral (Seidel 2022)
Das Internet ist vermutlich der wichtigste Rekrutierungsort der extremen Rechten. In dieser heterogenen Szene ist die sogenannte „neue“ Rechte besonders geschickt darin, den Online-Raum für die eigenen menschenfeindlichen Ziele einzusetzen. Ihre Memes, Reels, Bilder und Videos werden nahezu immer professionell und auf das jeweilige Medium zugeschnitten gestaltet. Aber auch die „alte“ Rechte, die klassische Neonazi-Szene, gewinnt in den vergangenen Jahren deutlich an medialer Professionalität.
Neonazi-Influencerinnen: Die harte Kameradin
Im deutschsprachigen Raum gibt es wenige weibliche Neonazi-Influencerinnen. Diejenigen, die doch auf die Macht der Bilder auf YouTube, Instagram und TikTok setzen, tarnen ihre menschenfeindliche Ideologie nicht – im Gegensatz zu sogenannten neurechten Influencerinnen. Deutschsprachige Neonazi-Influencerinnen posten beispielsweise Bilder eines Reichsadler-Tattoos mit NS-Symbolik im Intimbereich oder tanzen zu menschenfeindlichen Songs der Rechtsrockband Die Lunikoff Verschwörung. Junge Neonazi-Influencerinnen inszenieren sich dabei als harte Kameradinnen, die den Männern in Sachen Gewalt und Zupacken in nichts nachstehen. Da diese Influencerinnen derart offen ihre neonazistische Ideologie zur Schau stellen, ist ihr Wirkungsgrad in Deutschland jedoch auch begrenzt. Ihre Zielgruppe sind gleichgesinnte Kamerad*innen. Hier geht es weniger um Rekrutierung, junger, unpolitischer Menschen für die Szene – anders als bei neurechten Influencerinnen.
Neonazi Frau, die ihre Tattoos mit NS-Slogans wie „Meine Ehre heißt Treue“, Schwarze Sonne und NS-Abzeichen auf Instagram präsentiert (Quelle Screenshot Instagram).
Die sexy Kameradin
Neben der Darstellung als hart und gewaltbereit gibt es noch die Inszenierung der sexy Kameradin. Hier mischt sich oft die Darstellung von Härte mit der Objektivierung des weiblichen Körpers. Wenn sich diese eindeutig extrem rechten Influencerinnen wenig bekleidet auf einem Motorrad räkeln, in Fetisch-Kleidung oder mit Waffen posieren oder nackt im Bett lasziv in die Kamera schauen, dient das fast ausschließlich dazu den Male Gaze, den männlichen Blick zu befrieden. Und auch die Followerschaft besteht zu großen Teilen aus männlichen Accounts. Derartige Influencerinnen sind oftmals nicht als eindeutig extrem rechts zu identifizieren. Häufig ist ein genauerer Blick auf die Beschriftung der Kleidung, die Tattoos, den Schmuck, die Musik im Hintergrund und den Text nötig sowie und etwas Kenntnis extrem rechter Codes und Symbole, um zu bemerken, dass es sich hier um Neonazi-Frauen handelt.
Die Inszenierung von Mutterschaft
Noch mehr Versteckspiel betreiben extrem rechte und neurechte völkische Accounts. Häufig setzen diese völkischen Profile einen klaren Themenschwerpunkt auf Mutterschaft und Familie und bespielen Themen, mit denen sich viele Eltern auseinandersetzen: Stillen, Kinderschlaf, die Zubereitung von Beikost und gesunde Ernährung. Wissenschaftlich fundierte Medizin wird von den entsprechenden Influencerinnen komplett abgelehnt. Vielmehr geben die Frauen Tipps, wie Krankheiten mit Wildkräutern und Germanischer Heilkunde behandelt werden können. Die Bilder jener Profile wirken in der Regel sehr professionell und weisen meist eine romantische Ästhetik auf. So zeigen sich die Frauen etwa verträumt in einer weiten Blumenwiese sitzend oder unter einem blühenden Baum liebevoll ihr Kleinkind küssend. Farblich ist alles in Pastell und Naturfarben gehalten.
Diese Frauen inszenieren sich als die perfekten „Insta-Moms“ (NDR 2023) und propagieren eine vermeintlich natürliche und traditionelle Lebensweise mit klar zugeordneten Geschlechterrollen . In Teilen überschneidet sich diese völkische Inszenierung mit dem generellen gesellschaftlichen Trend zu bewussten Leben, Verzehr und Konsum. Während man früher zu einem Erziehungsratgeber gegriffen hat, holen sich Eltern heute oftmals Rat in Sozialen Medien. Wenn sie dann etwa via Hashtags nach schadstofffreier Ernährung sucht, können sie recht einfach auf den Accounts von völkischen Frauen landen. Manchmal machen diese dann gleich noch Werbung für ihre eigenen Online-Shops, in denen sie ihre Kräuter oder die Bio-Produkte des eigenen Bauernhofs verkaufen.
Das mit völkischer Ästhetik spielende Instagram-Profil einer jungen Frau. Erst nach einer Recherche fällt auf, dass sie Aktivistin der IB war und die Tochter eines ehemaligen NPD-Funktionärs ist (Endstation Rechts 2019).
Die Inszenierung „neurechter“ Frauen
In der extrem rechten Sphäre sind Frauen als Wortführerinnen eher eine Seltenheit, ob klassische Neonazi-Szene, „neue“ Rechte, völkische Bewegungen oder bei Reichsbürger*innen. Zur jeweiligen Ideologie gehört immer, dass Frau sich dem Mann unterzuordnen hat, besonders in öffentlichen Räumen. Ihre Rolle begrenzt sich meist auf den Haushalt und die Familie. Frauen sind für die Gefühlsarbeit und die Kindererziehung zuständig. Zudem ist es zu großen Teilen ihre Pflicht, „das deutsche Blut reinzuhalten“. So finden sich in Insta-Storys etwa Nazi-Propaganda mit Aufrufen, „keine Rassenschande“ zu begehen und sich nur mit Weißen einzulassen.
Frauen stellen sich mehrheitlich (aber nicht immer) als jung, harmlos und den Schönheitsidealen von Social Media gemäß dar. Es ist die Inszenierung des netten Mädchens von nebenan, von der keine Gefahr ausgehen soll. Das gesellschaftlich verbreitete Stereotyp, Frauen seien grundsätzlich eher „friedfertig“ und „unpolitisch“, wird von extrem rechten Frauen bewusst bedient, denn es nutzt ihnen und ihrer politischen Arbeit. Beispiele wie das der verurteilen Rechtsterroristin und NSU-Kerntrio-Mitglied Beate Zschäpe und der Reichsbürger-Rädelsführerin Elisabeth R., die die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plante (Mayer 2022), zeigen jedoch, dass auch von extrem rechten Frauen Gewalt und Terror ausgehen (Amadeu Antonio Stiftung 2018).
Doch mit diesem militanten Bild wollen die vorwiegend jungen Influencerinnen nicht in Verbindung gebracht werden. Sie präsentieren sich auf Instagram, TikTok und YouTube lieber als koch- und strickbegeisterte „Wifeys“ – perfekte Haus- und Ehefrauen. Viele solcher extrem rechten Profile sind auf den ersten Blick nicht auffällig. Erst bei genauerer Betrachtung und einer Hintergrundrecherche wird klar, dass es sich um rechte Propaganda handelt.
Die Propaganda extrem rechter Influencerinnen
Klassische Influencerinnen richten sich meist an eine weibliche Zielgruppe – nicht so extrem rechte Influencerinnen: Sie sprechen sowohl Frauen als auch Männer an (Ayyadi 2021, IDZ o.J.). Junge Frauen fungieren als eine Art Türöffner in die extrem rechte Szene. Ein extrem rechter Lifestyle wird auf ihren Accounts als total normale, sogar erstrebenswerte Lebensweise dargestellt. Sie zeigen sich angeblich im Privaten und geben vermeintlich Einblicke in ihr Leben. Follower*innen und Fans bekommen so den Eindruck, diese Menschen wirklich zu kennen: Eine parasoziale Beziehung wird aufgebaut. Diese Beziehung verleiht Botschaften und Erzählungen eine weitaus größere Wirkung (Nymoen/Schmitt: 2021). Das gilt auch für die Narrative und die Ideologie, die von extrem rechten Influencerinnen verbreitet werden .
Moderner Feminismus als „toxische Weiblichkeit“
Die rechten Influencerinnen stehen für ein durch und durch antifeministisches Weltbild: Der in ihren Augen schädliche Feminismus würde die heile Welt der traditionellen Familie und klassischen Geschlechterrollen zerstören. Er hätte Männer und Frauen zu Gegner*innen und letztere zu Opfern gemacht. Aktivist*innen der „neuen“ Rechten versuchen, die klassischen Rollenbilder zu rehabilitieren. Eine männlich dominierte Gesellschaft wird als natürlicher Ur-Zustand begriffen. Die sich ändernden Geschlechterverhältnisse bezeichnen solche Aktivist*innen als Gefahr statt als Fortschritt. Feministisch-emanzipatorische Errungenschaften sind für die extreme Rechte Auswüchse einer dekadenten Entwicklung, der Moderne – oftmals geht das mit antisemitischen Verschwörungserzählungen einher. Weg von Demokratie und liberaler Vielfalt hin zu einem anti–modernen Weltbild, das zu großen Teilen durch Sexismus, Antifeminismus, Rassismus und Antisemitismus gekennzeichnet ist. Besonders jene Männer, die mit ihrer gesellschaftlichen Rolle in einer modernen Welt hadern, sind für diesen Antifeminismus anfällig (siehe Beitrag „Echte Männer sind rechts“, S. 36 in der Broschüre). Sie sind verunsichert, da ihre jahrhundertelang geltenden Privilegien hinterfragt werden und sie fürchten, diese zu verlieren. Wenn dann neurechte Frauen antifeministische Propaganda auf Instagram, TikTok und YouTube verbreiten, ist das genau in ihrem Sinn. Und auch für die Frauen stellt das keinen Widerspruch dar. Sie vertreten diese Weltbilder ebenso, werden mit „Frauenthemen“ gehört und nutzen die ideologische Erhöhung und Relevanz als Mutter oder zu schützende Frau für sich (siehe Beitrag „Tradwives statt trans Girls“, S. 28 in der Broschüre).
Rassismus – „Verteidigt Familie und Vaterland gegen die Invasoren”
Ein zentrales Ziel der extrem rechten Propaganda ist, Angst vor Migrant*innen zu schüren. Der „deutsche Volkskörper“ müsse vor den „fremden Invasoren“ geschützt werden. Rechte Propaganda versucht daher, das Bild eines angeblich zu „sexuellen Übergriffen neigenden“ Geflüchteten und/oder Migranten als Gefahr für „deutsche“ Frauen zu zeichnen. Ganz im Sinne eines klassischen Rollenverständnisses propagieren extrem rechte Frauen, dass der Mann seine durch den Feminismus verlorengegangene Männlichkeit wiederentdecken und „deutsche“ Frauen vor Migranten beschütze müsse. Eine ähnliche Funktion hat in diesem Kontext auch die Präsentation schöner Landschaftsbilder, welche mit der Imagination verknüpft werden, diese idyllische „deutsche Heimat“ werde durch Migrant*innen bedroht. Daher müsse sich jede*r zur Wehr setzen, um seine*ihre Heimat beziehungsweise Familie zu verteidigen. Auf diese Weise richten sich die extrem rechten Influencerinnen eben auch an Männer. Als Frauen dürfen sie den Feminismus nicht nur kritisieren, sondern ihn in Gänze – vermeintlich glaubwürdiger – ablehnen.
Die Frau als Bedrohung für die innere Sicherheit
Rechte Aktivist*innen schreiben Frauen Eigenschaften zu, die Frauen zu einer Bedrohung für die innere Sicherheit machen. Der Kopf der deutschsprachigen, extrem rechten „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, behauptete in einem Interview von 2018 mit einer Antifeministin, Frauen seien zu emotional, um Politik zu machen (Ayyadi 2018). Die von ihm interviewte Frau, eine ehemalige IB-Influencerin, die sich mittlerweile etwas von der Szene gelöst hat, gab die perfekte Kronzeugin, indem sie Sellner bestärkte: Das weibliche Geschlecht sei schwach, das männliche stark und überlegen. Männer seien in Wirtschaft und Politik so erfolgreich, weil sie nicht so sehr von ihren Emotionen gesteuert würden. Frauen seien zu emotional, um gute Politikerinnen zu sein – vielleicht sogar, um Wählerinnen zu sein – schließlich würden Frauen durch Bilder von Flüchtlingskindern in den Medien manipuliert. Von der Überzeugung einer Verweiblichung der Gesellschaft und eines angeblich um sich greifenden Feminismus, der den Mann klein halte, ist es kein weiter Schritt zur Vorstellung, dass die verweichlichte Männlichkeit zu einer Schwächung des Nationalstaats führe. Der norwegische Massenmörder von Utøya argumentierte in seinem Manifest genauso.
Die Entwicklung extrem rechter Influencerinnen
Die erfolgreichsten Influencerinnen – gemessen an der Aufmerksamkeit und der Zahl der Follower*innen – waren lange Zeit Aktivist*innen aus dem Netzwerk der sogenannten „Identitären Bewegung” (IB). Doch 2018 verbannte Facebook Seiten der extrem rechten IB auf dem Sozialen Netzwerk sowie auf Instagram. Zumindest offizielle Accounts, die die „Identitäre Bewegung“ im Namen trugen, waren seither gesperrt.[1] 2020 zogen dann der Kurznachrichtendienst Twitter und YouTube nach. Die IB suchte nach neuen Wegen, ihre menschenfeindlichen Ideen unter die jungen Leute zu bringen, und setzt seither vermehrt auf Privataccounts.
Besonders die Frauen der ersten Generation IB (ca. 2012-2019) sind kaum noch als Influencerinnen präsent. Einige von ihnen haben sich, nachdem sie Mütter geworden sind, ins Häusliche zurückgezogen, oft mit der Ankündigung, sich nun voll und ganz auf die Rolle der Hausfrau und Mutter konzentrieren zu können. Die Radikalität der Jugend haben sie vermeintlich hinter sich gelassen – zumindest ist das die Inszenierung. Damit folgen neurechte Frauen der Tradition von Neonazi-Aktivistinnen: Auch bei ihnen war es so, dass nach der Zeit des öffentlichen Straßenkampfs mit dem Muttersein der Rückzug ins Häusliche folgte.
Dort, wo die extrem rechten IB-Frauen der ersten Generation auf ihre Art rebellisch wirkten, erscheinen die jetzigen Influencerinnen völkisch und bieder. An den Social-Media-Erfolg der ersten Generation kann die nachfolgende bisher nicht anknüpfen.
Reinhild Boßdorf: Die extrem (neu)rechte Aktivistin
Der IB-Aktivistin Reinhild Boßdorf gelingt das aktuell noch am ehesten (3.900 Follower*innen auf Instagram). Sie postet Bilder von sich selbst in unterschiedlichen Situationen und nutzt dabei Hashtags – sowohl unpolitische wie #hardcore, #partyclan, #girlgang oder #reinigung, als auch zum Beispiel #stolzstattpride oder #reconquista. „Reconquista“ ist eine der beliebtesten Erzählungen der IB. Dabei geht es um die „Rückeroberung“ Deutschlands und Europas, einerseits abstrakt von der „Ideologie des Multikulturalismus“, andererseits ganz praktisch von Muslim*innen, die in Deutschland oder Europa leben (Lauer 2017).
Privates mischt sich mit Politischem: Boßdorf beim Feiern auf einem Festival (Quelle Screenshot Instagram)
Auf ihren Bildern verbreitet Reinhild Boßdorf mal Symbole der „Identitären Bewegung“, mal verlinkt sie zum Kanal von „Lukreta“, einem Nachfolgeprojekt von „120db“. Beide sind vornehmlich Frauenprojekte, die sich angeblich gegen sexualisierte Gewalt stark machen, allerdings nur solche mit muslimischen und/oder migrantischen Tätern. Zahlreiche klassische Medien berichteten 2018 über die „120db”-Kampagne, die stark am popkulturellen Zeitgeist angelehnt war (Al-Khalaf 2018), dann aber wieder von der Bildfläche verschwand. Später berichtet eine Aussteigerin, dass ein führender IB-Kader beschlossen habe, „120db” zu beenden. Dann startet „Lukreta“: ein völkischer Abklatsch des vorherigen Projekts. Laut einer ehemaligen IB-Aktivistin sei „120db” in den Augen der Männer zu erfolgreich gewesen (Ayyadi 2020).
Boßdorf nimmt eine zentrale Rolle bei „Lukreta” ein. Zudem ist sie sehr gut vernetzt in antifeministischen AfD-Netzwerken (siehe Beitrag „Rechtes Frauennetzwerk auf Instagram“) und tritt hier für das Thema „Feminismus von rechts” ein (siehe Beitrag „Feminism identitaire“ in der Broschüre). In einem Beitrag im extrem rechten Krautzone-Magazin schrieb Boßdorf 2020, im Kampf der modernen emanzipierten Frau gegen das „vermeintliche weiße Patriachat“ bleibe ein „wichtiges und charakteristisches Merkmal“ auf der Strecke: „ihre Weiblichkeit“. Auch Boßdorfs drückt also aus, der moderne Feminismus schade unserer Gesellschaft. Ihre Vorstellung von Gesellschaft ist dabei geprägt von völkischen und nationalistischen Ideen, denen zufolge das deutsche Volk als überlegen angesehen wird. Reinhild Boßdorf tritt dabei in die Fußstapfen ihrer Mutter Irmhild Boßdorf, einer völkischen AfD-Politikerin aus Nordrhein-Westfalen.
Marie-Thérèse Kaiser: „Germanyspride“ von der AfD
Boßdorf ist eng mit Marie-Thérèse Kaiser vernetzt, die auf Instagram zwei Profile mit insgesamt fast 20.000 Follower*innen hat. Damit kann sie als extrem rechte Influencerin bezeichnet werden.
Marie-Thérèse Kaiser macht auf ihrem Instagram-Account Werbung für den Antaios-Verlag von Götz Kubitschek (Quelle Screenshot Instagram, nicht mehr Online)
Kaiser, Jahrgang 1996, tritt offen als AfD-Mitglied auf. Ihr AfD-Profil mit 13.600 Follower*innen enthält zahlreiche Sharepics der AfD, meist ist sie darauf abgebildet – als hübsches Gesicht der Partei. Sie ist Kreisverbandsvorsitzende der Partei in Rotenburg (Wümme) in Niedersachsen und kam laut eigener Aussage 2015 aus Enttäuschung über die CDU-Politik zur AfD. Seit 2017 ist sie Parteimitglied. Im Europawahlkampf 2019 hat Kaiser für die AfD-Bundesgeschäftsstelle gearbeitet und diese bei ihren politischen Kampagnen auf Social Media unterstützt. Die AfD-Kreistagsabgeordnete wurde im August 2023 wegen Volksverhetzung verurteilt, nachdem sie Afghanen pauschal als Gruppenvergewaltiger verunglimpft hatte.
Kaiser dient hier als ein Beispiel von vielen jungen Parteisoldatinnen der AfD. Lange Zeit, so belegt es eine Datenanalyse von Correctiv (2020), spielte bei der Vernetzung der AfD/JA-Influencerinnen auf Instagram der Account des Fotografen Vadim Derksen eine wesentliche Rolle. Nachdem dieser jahrelang nur Landschaftsaufnahmen veröffentlicht hatte, schwenkte er unter dem Label „Germanyspride“ auf Porträts vorwiegend junger Frauen um. Diese entsprechen nicht nur gängigen Schönheitsidealen, sondern haben beinahe alle Verbindungen in die rechte Szene, vor allem in die AfD und JA. Zu sehen sind auf den Bildern zum Beispiel Marie-Thérèse Kaiser oder Mary Khan-Hohloch, von 2018 bis 2022 stellvertretende Vorsitzende der JA und mittlerweile mit dem Brandenburger AfD-Landtagsabgeordneten Dennis Hohloch liiert, oder Lisa Lehmann, ehemals im Vorstand der JA Sachsen-Anhalt. Lehmann war die Lebensgefährtin des ehemaligen Vorstands der AfD Sachsen-Anhalt, André Poggenburg. Auch ihr Vater ist AfD-Politiker. Er gehörte von 2016 bis 2021 dem Landtag von Sachsen-Anhalt an. Zudem ist Lisa Lehmann Mitbegründerin des mittlerweile offiziell aufgelösten extrem rechten „Flügel“ und war Moderatorin bei einem Videoformat von Compact, einem Magazin, das vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird.
Das Instagram-Profil von Lisa Lehmann ist mittlerweile nicht mehr offen zugänglich. Es war lange Zeit einer der vermutlich erfolgreichsten Auftritte einer AfD-Aktivistin und bediente sich stilistisch stark bei den Darstellungen klassischer Influencerinnen. (Quelle: Screenshot Lehmann Archiv)
Charlotte Corday: Die Intellektuelle
„Herzlich willkommen auf meinem Kanal, der Ort auf dem sich Reichsbürger, Sugar-Daddys, Neonazis und meine Mutter am wohlsten fühlen. Ironie off”. So oder so ähnlich beginnt YouTuberin Charlotte Corday viele ihrer Videos. Die rechte Aktivistin, mit bürgerlichem Namen Nina Charlotte Hörig, verfolgt eine andere Inszenierungs-Strategie als die Antifeministin Boßdorf oder die AfD-Frau Kaiser. Hörig bespielt einen Telegram-Kanal mit 4.500 und einen YouTube-Kanal mit 22.600 Abonnent*innen (Stand September 2023).
Screenshot des YouTube-Kanals von Charlotte Corday. Intellektuelle Inszenierung vor dem Bücherregal (Quelle YouTube).
Was Ellen Kositza, Taktgeberin der „neuen” Rechten und Ehefrau von Götz Kubitschek, für ältere Generationen ist, soll Charlotte Hörig für jüngere Menschen sein: eine der wenigen intellektuellen Frauen der neuen Rechten. Genau wie Kositza veröffentlicht Hörig regelmäßig Videos, in denen sie Literatur rezensiert, wobei sie sich einer eher antiquierten und dünkelhaften Sprechweise bedient. In dem Video „Toxische Weiblichkeit vs. Heilende Weiblichkeit“ versucht Hörig etwa, ein Gegenstück zum Konzept der „toxischen Männlichkeit“ zu entwerfen – mit den üblichen Argumentationsmustern: Nicht patriarchale Strukturen, Sexismus und Misogynie seien die Probleme, sondern der Feminismus. Schädliches, toxisches Verhalten beobachte Hörig viel häufiger bei Mädchen und Frauen als bei Männern. Sie behauptet hier, Frauen hätten alleine schon wegen ihrer (möglichen) Mutterrolle eine Machtposition in der Gesellschaft – schließlich entscheide ihre Erziehung darüber, wie sich die Söhne entwickeln würden. Moderne Feministinnen würden diese Mutter-Macht nicht anerkennen.
Auch Charlotte Corday bzw. Hörig ist gut vernetzt in der Szene. Sie trat im Sommer 2022 als Rednerin beim sogenannten „Frauenkongress” der Gruppe „Lukreta” um Reinhild Boßdorf auf. Bei dem Kongress referierte sie über den angeblichen Einfluss der „LGBTQIA+’-Lobby“ auf die kindliche Erziehung, die Rolle Sozialer Medien bei der sogenannten „Frühsexualisierung” und den vermeintlichen „Trend“ der Transsexualität, der „gerade junge Frauen im Pubertätsalter“ beträfe – allesamt extrem rechte Kampfbegriffe, die sich gegen die Lebensrealitäten und emanzipatorischer Kämpfe queerer Menschen richten (Hansen 2022).
Gemeinsam mit ihrem Partner, einem extrem rechten Internet-Troll, der ebenfalls einen reichweitenstarken YouTube-Kanal betreibt, besuchte sie die sogenannten „Akademien” des „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellrode in Sachsen-Anhalt rund um den „Antaios Verlag“ und seinen extrem rechten Chef Götz Kubitschek. Dabei handelt es sich um Kaderschmieden mit extrem rechter Propaganda, bei denen auch Reinhild Boßdorf und Marie-Thérèse Kaiser regelmäßig zu Gast sind.
Marie-Thérèse Kaiser (AfD), Mary Kahn Hohloch (AfD) und Reinhild Boßdorf gemeinsam in Schnellroda (Quelle Instagram hallofraukaiser)
Die Gefahr von rechten Frauen erkennen
Auffallend ist, dass extrem rechte Influencerinnen als wiederkehrendes Thema die Ablehnung des Feminismus – und damit eine generelle Ablehnung der Moderne – eint, wobei gleichzeitig häufig eine Wiederentdeckung der Weiblichkeit propagiert wird. Die Unterdrückung von Frauen im Patriachat, ungleiche Machtverhältnisse oder gar Machtmissbrauch werden klein geredet, lächerlich gemacht und mit einem vermeintlichen natürlichen Lauf der Dinge begründet.
Deutlich breiter ist das Themen-Spektrum der AfD-Frauen, die für alle Anliegen der Partei werben. Von der Straßenkämpferin bis hin zur Business Woman werden von AfD-Frauen zahlreiche Identifikationsrollen angeboten. Auch die Mutterrolle steht hier nicht im Widerspruch zur Rolle als aktive Parteisoldatin.
Extrem rechte Influencerinnen bieten über ihre Social-Media-Präsenzen ein spezielles Angebot für junge Menschen. Oftmals verwenden sie jugendsprachliche Slangs und Codes und geben sich online unpolitisch und hip. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass es Influencerinnen für verschiedene extrem rechte und demokratiefeindliche Zielgruppen gibt. Extrem rechte Frauen die sich entweder als niedliches Mädchen von Nebenan, als fürsorgliche Mutter, die einen traditionelle Lebensweise pflegt, oder als nettes Gesicht der AfD inszenieren, sind allesamt Aktivist*innen für das politische Vorfeld. Sie sollen Hass, Hetze und Menschenfeindlichkeit normal erscheinen lassen.
Auffällig ist dabei die gute Vernetzung der Akteurinnen untereinander (s. Beitrag Rechtes Frauennetzwerk auf Instagram). Einige YouTube-Videos extrem rechter Frauen und Bilder auf Instagram sind in der Vergangenheit in Kooperation mit dem Medienteam von Ein Prozent entstanden. Ein Prozent ist ein rassistisches Kampagnenprojekt und Netzwerk deutscher und österreichischer Rechtsextremer im Umfeld der neuen Rechten[2]. Hauptakteur*innen sind ehemalige IB-Kader. So wirken etwa Marie-Thérèse Kaiser und Lisa Lehmann als Gesichter des Hetz-Video-Formats „Wir klären das“, welches in „enger Zusammenarbeit“ mit Ein Prozent produziert wird. Generell fällt auf, dass die neurechten Frauen immer wieder in extrem rechten (Szene)Medien auftauchen, was wiederum auf die starke Vernetzung hinweist. Zudem gibt es für die heutige extrem rechte Szene verschiedene Workshop-Angebote – auch dafür, wie man als Aktivist*in Social Media zu bespielen habe.
Literatur
Al-Khalaf, Nadja (2018): Die Identitäre Bewegung gibt sich feministisch, um neue Mitglieder anzuwerben. Ze.tt, 20.2.18. Online: https://www.zeit.de/zett/politik/2018-02/die-identitaere-bewegung-will-mit-angeblichem-feminismus-mitglieder-anwerben
Amadeu Antonio Stiftung (2018): Le_rstellen im NSU-Komplex. Geschlecht, Rassismus, Antisemitismus. Online: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2018/08/nsu_leerstellen_internet-1.pdf
Ayyadi, Kira (2020): Die Frau als Bedrohung für die inneren Sicherheit. Belltowernews, 12.01.2018. Online: https://www.belltower.news/der-antifeminismus-der-neuen-rechten-die-frau-als-bedrohung-fuer-die-inneren-sicherheit-46650/
Ayyadi, Kira (2020): Lisa Licentia – früher IB-Aktivistin, jetzt extrem rechte YouTuberin. Belltowernews, 17.1.20. Online: https://www.belltower.news/propaganda-auf-youtube-lisa-licentia-frueher-ib-aktivistin-jetzt-extrem-rechte-youtuberin-94845/
Ayyadi, Kira (2021): Rechtsextreme Inhalte schön verpackt. Belltowernews, 25.8.21. Online: https://www.belltower.news/rechte-influencerinnen-rechtsextreme-inhalte-schoen-verpackt-120301/
Correctiv (2020): Kein Filter für Rechts. Wie die rechte Szene Instagram benutzt, um junge Menschen zu rekrutieren. Online: https://correctiv.org/top-stories/2020/10/06/kein-filter-fuer-rechts-instagram-rechtsextremismus-frauen-der-rechten-szene/ (29.8.23)
Endstation Rechts (2019): AfD-Videoclip wird zum Reinfall. Online: https://www.endstation-rechts.de/news/afd-videoclip-wird-zum-reinfall
Hansen, Friederike (2022): „Frauenkongress“ von rechtsradikaler Frauengruppe und AfD in Münster. Belltowernews, 15.6.22. Online: https://www.belltower.news/lukreta-frauenkongress-von-rechtsradikaler-frauengruppe-und-afd-in-muenster-133219/
IDZ (o.J.): Inszenierte Menschenfeindlichkeit im gewand von Kommerz und Lifestyle. Online: https://www.idz-jena.de/fileadmin/media/documents/Factsheet_Rechtsextremes_Influencertum_IDZ.pdf
Lauer, Stefan (2017): Die „Reconquista“ der „Identitären Bewegung“. Belltowernews, 17.7.17. Online: https://www.belltower.news/debunking-die-reconquista-der-identitaeren-bewegung-44714/
Mayer, Iris (2022): Putschversuch mit 75. Süddeutsche Zeitung, 14.10.22. Online: https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorismus-reichsbuerger-lauterbach-1.5675141
NDR (2023): Phänomen Insta-Moms – Was steckt dahinter? NDR, 09.01.2023. Online: https://www.ndr.de/kultur/Phaenomen-Insta-Moms-Was-steckt-dahinter,instamoms100.html
Nymoen Ole/Schmitt, Wolfgang M. (2021): Influencer. Die Ideologie der Werbekörper. Suhrkamp Verlag, Berlin.
Rösch, Victoria (2023): Politische Influencer:innen, die neuen Emotionsarbeiter:innen? In: Wagener, Andreas/Stark, Carsten (Hg.): Die Digitalisierung des Politischen. Theoretische und praktische Herausforderungen für die Demokratie. Springer Fachmedien, Wiesbaden, S. 307-326.
Seidel, Stefanie (2022): Wie sich rechte Frauen auf TikTok inszenieren. Belltowernews, 19.5.22. Online: https://www.belltower.news/selbstverharmlosung-auf-der-for-you-page-wie-sich-rechte-frauen-auf-tiktok-inszenieren-131463/
[1] „Organisationen oder Personen, die organisierten Hass verbreiten, sind weder auf Facebook noch auf Instagram erlaubt“, hieß es damals. Online: https://www.profil.at/oesterreich/identitaere-bewegung-facebook-instagram-gesperrt-10106093
[2] Aus dem Personenkreis von „EinProzent“ hat sich mittlerweile ein eigenes Medien-Team herausgebildet, das sich „Filmkunstkollektiv“ nennt. Zu dessen Zielen gehört unter anderem, eine „Gegenöffentlichkeit zu schaffen“. „Wir machen die ästhetischen Bilder des Widerstandes und zeigen die schönen Momente“, heißt es in der Selbstbeschreibung des „Filmkunstkollektivs”.