Abwertung von Menschen mit Behinderung
Flyer zur Erklärung der Diskriminierungsform
Menschen mit unterschiedlichen körperlichen oder geistigen Befähigungen werden oft so behandelt, als würde mit ihnen etwas nicht stimmen. Eine solche Einstellung ist Ausdruck einer abwertenden Haltung. Obwohl Menschen mit Behinderungen gleichwertig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können sollen, erfahren sie oft Diskriminierung, etwa in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt.
Wer einem Menschen mit Behinderung hilft, ist nett. Oder? Hilfe ist gut, wenn die Person, der du helfen möchtest, das benötigt. Wenn dir dagegen Menschen pausenlos Hilfe anbieten bei Dingen, die du selbst kannst, entsteht vielleicht das ungute Gefühl, jemand würde dir nicht zutrauen, dein Leben meistern zu können. Problematisch wird es, wenn Menschen denken, dass sie der Person, der sie helfen wollen, überlegen sind. Wer so eine Einstellung hat, schließt von einem praktisch vorhandenen Unterschied auf einen grundsätzlichen. Wenn du sehend bist und ich blind, hast du mir gegenüber in diesem konkreten Fall einen Vorteil.
Es ist gut möglich, dass du mir dann tatsächlich helfen kannst, z.B. wenn du mir ein Bild beschreibst, das mich interessiert. Das heißt aber nicht, dass du allgemein ein besserer Mensch bist oder dass ich weniger wert bin als du. Alle Menschen haben unterschiedliche Fähigkeiten und brauchen bei Manchem Unterstützung. Ohne »Hilfsmittel« wie Räder, PKWs, Telefone, Computer oder Brillen sähe unser Leben komplett anders aus und hätte eine ganz andere Geschwindigkeit. Manche Menschen bewegen sich flink auf den Beinen, manche brauchen dafür einen Gehstock, einige Stützen, andere einen Rollstuhl. Aber nicht der Mensch im Rollstuhl ist ein Problem, sondern der zu schmale Türeingang, der fehlende Aufzug an der U-Bahn-Station oder die steile Treppe zum Theatersaal.
Flyer zur Erklärung der Diskriminierungsform
Offensichtlich feindselig sind körperliche Angriffe, abfällige Bemerkungen oder »Witze« über Menschen mit Behinderungen. Doch auch andere Verhaltensweisen sind abwertend: wenn Menschen mit Behinderungen z.B. permanent als Opfer dargestellt werden. Wenn ihnen ungefragt Hilfe aufgezwungen wird. Wenn sie nicht direkt angesprochen werden, sondern ihre Begleitpersonen. Oder Formulierungen wie »an den Rollstuhl gefesselt«, die ihr Leben als scheinbar weniger lebenswert darstellen. Menschen mit Lernschwierigkeiten erleben sogenannte »positive«, jedoch ebenso reale Diskriminierung: Wenn etwa Menschen mit Down-Syndrom als »engelsgleich« bezeichnet werden, ist das zwar nett gemeint, aber pauschalisiert Menschen. Menschen mit Down-Syndrom werden oft auch als Erwachsene als »kindlich« wahrgenommen und ungefragt geduzt.
Selbst wenn Menschen mit körperlichen oder Lern-Schwierigkeiten als Held*innen dargestellt werden, die ihren Alltag »gut meistern«, schwingt darin mit: weil ich es ihnen nicht zutraue. Wenn es heißt, jemand sei »trotz seiner Behinderung« ein toller Mensch, fragt sich doch: Warum nicht mit seiner Behinderung? Oder gleich ohne diese Einschränkung? Immer noch weit verbreitet sind Sprüche, die »behindert« als Beleidigung verwenden. Stell dir vor, jemand würde dein Leben als Grundlage für eine Beschimpfung nehmen! Es ist auch eine Form von Behindertenfeindlichkeit, wenn Menschen meinen, Paare mit Behinderungen sollten lieber keine Kinder bekommen. Das ist ihre eigene Entscheidung, wie bei allen anderen Menschen auch.
Zur Zeit des Nationalsozialismus war die Feindschaft gegen Menschen mit Behinderung mörderisch. Die NS-Gesellschaft sortierte Menschen nicht nur nach rassistischen Kriterien, sondern auch nach ihrem »Nutzen«: Zur Ideologie gehörte die Idee, dass es mehr und weniger wertvolle wie auch »lebensunwerte« Menschen gäbe. Tausende Kinder und Erwachsene wurden so von den Nazis ermordet. Heute gibt es immer noch Menschen, die denken, ein Leben mit Behinderungen sei weniger lebenswert. Das sehen Menschen mit Behinderungen nicht so! Sie fühlen sich nur von der Gesellschaft behindert, wenn diese sie ausschließt.
Neben der Behindertenfeindlichkeit macht Diskriminierung Menschen mit Behinderungen das Leben schwer: wenn z.B. Gebäude so eingerichtet sind, dass sie Menschen mit Behinderungen ausschließen. Auch wenn Kinder auf andere Schulen gehen müssen als die Mehrheit der Kinder, ist das nicht offen feindselig, aber trotzdem diskriminierend. Ob offensichtlich oder nicht, mit Absicht oder ohne: Werden Menschen mit Behinderungen so behandelt, als hätten sie nicht die gleichen Rechte, als seien sie »fehl am Platz«, so ist dies eine Form der Feindschaft. Oft drückt sich dies im Ausschluss von Menschen aus.
Das wird auch Exklusion genannt und ist so verbreitet, dass es von der Mehrheit oft nicht einmal mehr bemerkt wird. Daher ist es wichtig, auch die alltägliche Ausgrenzung zu benennen. Diese Diskriminierungen können mit anderen Merkmalen zusammenwirken: wenn etwa eine Frau zu hören bekommt, es sei schade, dass sie im Rollstuhl sitze, obwohl sie so schön sei. Mehrfachdiskriminierung setzt Menschen einem besonders hohen Risiko von Abwertung und Gewalt aus. So sind Frauen mit Behinderungen besonders häufig von sexualisierter Gewalt betroffen
Jeder Mensch ist vielfältig, daher ist es wichtig, Menschen mit Behinderungen nicht darauf, auf nur ein Merkmal von vielen, zu reduzieren. Wenn wir eine Gesellschaft wollen, in der alle gemeinsam und gleichwertig leben können, müssen wir unsere Perspektive der »Normalität« ändern. Alle Menschen sind unterschiedlich mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Wenn Menschen ausgeschlossen werden, liegt das nicht daran, dass mit ihnen etwas verkehrt ist, sondern daran, dass die Gesellschaft vieles so organisiert, als gäbe es sie nicht, als wären sie unerwünscht oder als wäre ihre Stimme nicht wichtig. Das können wir ändern.