Am 13. November trafen sich über fünfzig Teilnehmende aus zivilgesellschaftlichen Organisationen zum digitalen Fachtag «Gefährdete Grundlagen. Verschwörungsideologie und Desinformation als Bedrohung für Demokratie und Zivilgesellschaft». Vertreter*innen bundesweit aktiver Verbände wie der AWO und der Naturfreunde, ebenso wie Teilnehmer*innen aus katholischen Organisationen, Beratungsstellen und ländlichen Initiativen nutzten die Gelegenheit, um sich über aktuelle Analysen auszutauschen und praktische Ansätze kennenzulernen, die Engagierte im Umgang mit wachsenden Herausforderungen stärken.
Erosion gemeinsamer Realität
Denn demokratische Gesellschaften stehen derzeit unter erheblichem Druck. Eine zentrale Entwicklung ist der Verlust eines gemeinsamen Verständnisses von Realität. Verschwörungserzählungen unterlaufen faktenbasierte Debatten, schaffen parallele Wirklichkeiten und verhärten den politischen Diskurs. Besonders rechtsextreme Verschwörungsnarrative entfalten eine zerstörerische Wirkung. Sichtbar wird dies im Erstarken separatistischer und reichsideologischer Gruppen, die sich ihre eignen Fakten schaffen, sowie in rechtsterroristischen Taten, die häufig auf dem rassistischen und antisemitischen Mythos eines erfundenen „Großen Austauschs“ beruhen. Solche Erzählungen untergraben zudem grundlegende demokratische Werte und verändern diese zugleich. Das Ergebnis ist wachsende emotionale Spaltung und pauschales Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Betroffen sind genau jene Akteur*innen, die für Teilhabe, Austausch und sozialen Zusammenhalt stehen.
Analysen am Vormittag, Werkzeuge für die Praxis am Nachmittag
Die Inputs des Vormittags machten deutlich, wie direkt diese Dynamiken in die Arbeit vieler Initiativen hineinwirken. Marie Künne und Anna Blume Böttcher zeigten anhand ländlicher Regionen in Sachsen, wie schnell sich Gerüchte über Gleichstellungsarbeit oder queere Angebote festsetzen und Engagement als vermeintlich geheimes, verschwörerisches Vorhaben markiert wird. Lisa Wassermann erläuterte, wie gezielt befeuertes Misstrauen demokratische Debatten erschwert und eigene Realitäten entstehen lässt. Parallel dazu zeigte Dr. Christoph Schiebel die Kontinuitäten antisemitischer Verschwörungsmythen, die in Krisenzeiten neue Wirkmacht entfalten. Am Beispiel des rechtsextremen „White Genocide Narrativs“ in den USA zeigte er eindrücklich, wie solche Vorstellungen reaktiviert werden und gesellschaftliche Spaltungen vertiefen. Der Nachmittag bot konkrete Handlungsansätze. Ruth Fischer arbeitete mit den Teilnehmenden zu Situationen, in denen antisemitische Aussagen Sprachlosigkeit auslösen, und entwickelte gemeinsam klare Reaktionsmöglichkeiten. Anne Mahr und Annika Stange erarbeiteten Strategien gegen Anfeindungen, die demokratisches Engagement als verschwörerische Einflussnahme abwerten. Niklas Titgmeyer beleuchtete digitale Dynamiken von Social Bots bis Deepfakes und zeigte Anknüpfungspunkte für die politische Bildungsarbeit gegen Desinformation.
Der Fachtag der Fachstelle für politische Bildung und Entschwörung machte deutlich, wie umfassend die Gefahr ist, die von Verschwörungsdenken ausgeht. Es schwächt Vertrauen, verschiebt gemeinsame Bezugspunkte und verengt den Raum für demokratische Aushandlung. Umso wertvoller war die offene und solidarische Atmosphäre, in der Erfahrungen geteilt und neue Impulse entwickelt wurden. Der Tag zeigte, wie viel Kraft entsteht, wenn zivilgesellschaftliche Akteur*innen ihr Wissen bündeln und gemeinsam Strategien für eine widerstandsfähige demokratische Kultur entwickeln.


