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Geschlechter- und familienpolitische Zielsetzungen und Positionen der AfD

Der Text ist Online-Teil der Veröffentlichung „(R)echte Männer und Frauen. Analysen zu Geschlecht und Rechtsextremismus

An der AfD lassen sich beispielhaft geschlechter- und familienpolitische Zielsetzungen der extremen Rechten aufzeigen. Zwar verzichtet die AfD in ihren Äußerungen strategisch – vor allem um einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen – eher auf Begriffe wie „Umvolkung“, „Großer Austausch“ oder „Volkstod“. Ihre geschlechter- und familienpolitischen Vorstellungen unterscheiden sich darüber hinaus allerdings wenig von anderen extrem rechten Parteien. Auch innerhalb der AfD stellen sie ein Klammerthema im Kulturkampf für die unterschiedlichen Flügel dar. „Geht es für letztere um die Kontrolle der Reproduktion des ,Volkskörpers‘, steht für die Konservativen ein traditionell christlich geprägtes Familien- und Rollenbild im Zentrum“ (Wiegel 2022: 209). Die im Beitrag skizzierten geschlechter- und familienpolitischen Zielsetzungen und Positionen gehören damit zum „Markenkern“ der AfD.

 

Antifeminismus, eine Feindschaft gegen geschlechtliche und sexuelle Emanzipationsbewegungen überhaupt und die Ablehnung entsprechender Modernisierungs- und Pluralisierungsprozesse auf der einen Seite, die Propagierung vermeintlich tradierter Sexualitäts-, Geschlechter- und Familienbilder auf der anderen Seite kennzeichnen die rechte Identitätspolitik. Es gehe, so der AfD-Politiker Maximilian Krah (2023), um „eine „Übereinstimmung mit dem, was wir sind“. Wenn die AfD ihr Programm für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag (AfD 2021) mit „Deutschland. Aber normal“ überschreibt, wird deutlich, was sie unter Normalität versteht: Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität, patriarchale Vorherrschaft und weiße Kernfamilien „aus Vater, Mutter und Kindern“ – als „Keimzelle unserer Gesellschaft“ – die als „normal“ gesetzt werden (ebd. 104).

 

Familistische und pronatalistische Bevölkerungspolitik

Die AfD beschreibt die „Notwendigkeit einer aktivierenden, also geburtenfördernden Familienpolitik“ angesichts einer durch den Geburtenrückgang ausgelösten „demografischen Katastrophe“ (ebd. 104), hervorgerufen durch die „herrschende[n], familienzersetzende[n] Politik“ (ebd. 104) und auch durch einen „vermeintliche[n] ,Feminismus‘, der den Wert von Frauen ausschließlich an ihrer beruflichen Karriere bemisst und abweichende Lebensentwürfe als ,altbacken‘ und ‚rückständig‘ diffamiert“ sowie einer „Bagatellisierung“ des „Vergehens“ der Abtreibung (AfD 2020: 12f.). Die Geburtenrate zu steigern diene der „Bewahrung unserer Kultur und zum Fortbestand unseres Volkes“ (AfD 2020: 15). Diese Politik ist weder kinderfreundlich – die AfD spricht sich bspw. gegen Kinderrechte aus – noch bezieht sie alle Kinder ein, wie die Sorge um „unser Volk“ bei gleichzeitiger Forderung nach Wiedereinführung des Abstammungsprinzips zeigt. Familienpolitik erscheint hier als Bevölkerungspolitik, die auf möglichst viele Kinder bestimmter Familien abzielt. Dementsprechend lehnt sie jeglichen Familiennachzug für Geflüchtete ab (AfD 2021: 94).

In „Familien, Schule und Medien“ gelte es „den Respekt vor dem Leben und ein positives Bild von Ehe und Elternschaft [zu] vermitteln. Abtreibungen sollen möglichst nicht mehr stattfinden („Ungeborene Kinder haben ein Recht auf Leben“, ebd. 110), die Schwangerschaftskonfliktberatung „muss stattdessen dem Schutz des Lebens dienen“ (AfD 2021: 111).[1] Die AfD zielt also darauf, das Recht auf Abtreibung – eine zentrale feministische Forderung – möglichst abzuschaffen. Beatrix von Storch forderte gar eine Beobachtung feministischer Initiativen zur Abschaffung des §218 durch den Verfassungsschutz (Wiegel 2022: 88).

Wenn Familienbeauftragte zur Unterstützung dieser aktivierenden Familienpolitik Gleichstellungsbeauftragte ersetzen sollen (AfD 2020: 17), zeigt das einmal mehr den Antifeminismus der Partei.

 

Thorsten Weiß schaffte es mit seinem Twitter-Posting vom 4.2.2018 in den Prüfbericht des Bundesamts für den Verfassungsschutz. Mit dem Begriff „Volkstod“ stelle Weiß „offene Bezüge“ zu rechtsextremen Theorien her, so das Amt.

 

Feminismus und Gleichstellungpolitiken als Feindbild

Feminismus taucht bereits im demografischen Szenario der AfD als Schuldiger und als Feindbild auf. Der programmatische Antifeminismus der Partei richtet sich darüber hinaus gegen jede Politik der Gleichstellung wie zum Beispiel Quotenregelungen. Gender Mainstreaming, ein „Sonntagskind der Dekadenz“, ziele auf die „Auflösung der natürlichen Geschlechterordnung“ ab, so Björn Höcke bereits 2014 in einem Interview mit der neurechten Online-Publikation „Blaue Narzisse“.

Bemühungen zur Erhöhung des Frauenanteils etwa im Bundestag seien ein „Ausguss radikalfeministischer Ideologie“ und „ideologisch bedingter Realitätsverlust“, denn „Männer und Frauen sind in Deutschland gleichberichtigt, und zwar zu 100 Prozent“, erklärte etwa Beatrix von Storch im Bundestag[2]. „Brauchen wir den klassischen Feminismus noch? Weg damit!“, forderte Nicole Höchst (zit. in. Wiegel 2022: 90). Der Begriff „Geschlechtergerechtigkeit“ sei ein „geschicktes Framing für radikalfeministische Forderungen“, so Marc Jongen, von 2017 bis 2021 kulturpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion und bedeute „nicht Gleichberechtigung und auch keine Gerechtigkeit“, „sondern so ziemlich das Gegenteil, nämlich positive Diskriminierung, das heißt Bevorzugung von Frauen und Benachteiligung von Männern aufgrund des Geschlechts. Das ist nicht nur kulturfeindlich, es ist auch grundgesetzwidrig, jedenfalls nach unkorrumpiertem Rechtsverständnis“[3].

Eine Gleichberechtigung sei bereits erreicht, Gleichstellung aufgrund unterschiedlicher „Natur“ der Geschlechter nicht erstrebenswert, deswegen brauche man auch keinen Internationalen Frauentag mehr – stattdessen müsse es um das tatsächliche Thema gehen: „die islamische Unterwerfung der Frau“ und darum, „dass wir ohne Not zusätzliche Horden testosterongesteuerter junger Männer aus islamisch geprägten Kulturkreisen en masse importieren und uns mit Messern oder sonst wie abschlachten lassen“ (Höchst zit. in Wiegel 2022: 90). Wenn auf Frauenrechte Bezug genommen wird, dann nur instrumentell: Einerseits werden Sexismus und sexualisierte Gewalt ethnisiert und externalisiert. Es gehe darum, so die AfD-Abgeordnete Iris Harder-Kühnel, „importierte patriarchalische Strukturen wieder aufzubrechen. Es geht um Nulltoleranz bei der zunehmenden Gewalt gegen Frauen, … Kinderehen, Zwangsheiraten oder Genitalverstümmelungen. (…) Meine Damen, nicht der alte weiße Mann ist der Feind der Frauen im 21. Jahrhundert. Es ist Ihre utopiebesoffene Multikultipolitik, deren Folgen für viele Frauen zum realen Albtraum werden“[4]. Oder es werden andererseits Mütter verteidigt, die angeblich „durch den feministischen Egoismus vergessenen Frauen“, welche „von Feministen als Heimchen am Herd diskriminiert“ würden, so Martin Reichardt, familienpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion.[5]. Demgegenüber sind Vorschläge zum Scheidungs- und Umgangsrecht durch maskulistische väterrechtliche Positionen geprägt (Beck et al. 2021).

Ein soziales Verständnis von Geschlecht – Gender – mit seinen Veränderbar- und vor allem demokratischen Aushandelbarkeiten sehen die extreme Rechte und die AfD als Angriff auf die natürlich vorgestellte Geschlechterordnung. Ihr Antifeminismus tritt daher in den letzten Jahren vor allem als sogenannter „Anti-Genderismus“ auf (Blum 2019).

Folgerichtig fordert die AfD „Kein Geld für ,Gender Studies‘, keine Gender-Quoten“. Dazu will sie die Wissenschaft einschränken: „Fördermittel für die auf der Gender-Ideologie beruhende Lehre und Forschung sind zu streichen. Politisch korrekte Sprachvorgaben zur Durchsetzung der Gender-Ideologie lehnen wir ab“ (AfD 2021: 154). Behauptungen der „Gender-Ideologie“ stünden im Widerspruch zu Erkenntnissen der Biologie.

 

Feminismus ist Krebs. Die Programmatik der AfD im Twitterposting-Format von Maximilian Krah 14.11.23.

 

Ablehnung der „Gender-Ideologie“ und Transfeindlichkeit

Die AfD richtet sich gegen Bildungsansätze zu geschlechtlicher und sexueller Aufklärung: „Kinder sollten frei von Indoktrination aufwachsen, bis sie in der Familie gefestigt und alt genug sind, sich den Problemen unserer Welt zu stellen“ (AfD 2021: 113). Mit dem Kampfbegriff der „Frühsexualisierung“ wird ein Angstszenario gezeichnet: „Die ‚Sexualpädagogik der Vielfalt‘ versucht, Kinder in Bezug auf ihre sexuelle Identität zu verunsichern und Geschlechterrollen aufzulösen. Sie werden dadurch massiv in ihrer Entwicklung gestört. Kinder haben das Recht auf Schutz ihrer Intimsphäre, damit sie ihre Sexualität selbstbestimmt herausbilden können“ (AfD 2021: 113f.). Hier wird deutlich, wie das Thema Kinderschutz bespielt und instrumentalisiert wird. Daneben werden Vorbehalte gegen „Fremdbetreuung“ formuliert, wie auch von Mariana Harder-Kühnel im Bundestag, gegen Kinderrechte gerichtet: „Kinder haben das Recht auf Erziehung durch ihre Eltern, und es gibt niemanden, der das besser kann als sie – kein Staat und keine Kita.“[6] Es ist die AfD, die sich programmatisch unter Bezug auf eine „biologische Geschlechterbindung“ gegen eine sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung ausspricht. Die gleichzeitige Einforderung der „Würdigung auch traditioneller Lebensentwürfe“ und der Anerkennung vermeintlich „von der Natur gesetzten Grenzen“ (ebd. 115) verdeutlicht, dass eine Selbstbestimmung auch hinsichtlich von Rollen und Lebensentwürfen zumindest potentiell bestritten wird. Die individuelle Möglichkeit, den Geschlechtseintrag im Geburtenregister zu ändern, nennt von Storch einen „Kreuzzug gegen die Zweigeschlechtlichkeit, (…) gegen die Biologie und gegen die Natur des Menschen schlechthin“ (von Storch zit. In Wiegel 2022: 67f.).

 

Queerfeindlichkeit

Die Positionen der AfD setzen wie gezeigt auf ein „traditionelles“ Familienbild mit ungeschiedener Hetero-Ehe und möglichst vielen eigenen Kindern. Das bildet nicht die vielfältigen Lebensrealitäten[7] in der Gesellschaft und auch in der extremen Rechten ab. Zwar findet sich im Programm von 2021 keine explizite Ablehnung von Homosexualität. Andererseits richten sich Positionen der AfD gegen Antidiskriminierungsmaßnahmen und gegen Aufklärungsformate, die die Akzeptanz homosexueller und queerer Lebensweisen erhöhen wollen. Solche Lebensweisen werden auch vor dem Hintergrund der skizzierten Bevölkerungspolitik notwendigerweise als weniger wertvoll erachtet als heterosexuelle, während unterstützende Maßnahmen als unnötig und Luxus (Nicole Höchst: „Kleinstinteressengruppen“[8]) dargestellt werden. Alice Weidel warb 2017 mit dem Spruch „Ehe für alle, während das Land islamisiert wird?“ und Nicole Höchst fragte im Bundestag im gleichen Tenor, ob „angesichts der fatalen Gesamtsituation eines sich nicht reproduzierenden Deutschlands eine solche Nischenpolitik Berechtigung“ haben könne.[9] Bernd Baumann erklärte in der Bundestagsdebatte zu „Hass und Hetze gegen LSBTI wirksam bekämpfen“: „Worauf zielen dann aber Ihre Anträge in Sachen Gender-Gaga, Transsexuelle, Homosexuelle, Migranten, People of Color, Black Lives Matter usw.? (…) Klassische, tief bewährte, tief verinnerlichte Identitäten wollen Sie auflösen – allen voran die nationale Identität, vor allem die der Deutschen. Die Nation, unsere Heimat, das über Jahrhunderte gewachsene Zusammengehörigkeitsgefühl sollen aufgelöst und ersetzt werden durch ein neues, wirres Babylon, ein Flickwerk aus grellen Minderheitsidentitäten und einem großen, irren Regenbogenfahnenwerk.“[10]

 

Christina Baum (MdB) sprach im Wahlkampf 2021 von „Homo-Propaganda“.

 

Für Politiker*innen wie Alice Weidel, die in gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft lebt, ist das erklärungsbedürftig. Mit dem Widerspruch wird offensiv umgegangen: Es sei folgerichtig, als homosexuelle Frau hier aktiv zu sein, denn „[d]ie AfD ist die einzige echte Schutzmacht für Schwule und Lesben in Deutschland“ (Merkur 2017). Weidels Aussage ist wieder ein Beispiel für die in der extremen Rechten häufig genutzten Externalisierung mit ihrer Fokussierung auf den Islam und islamisch vorgestellte Migrant*innen, die alleinig eine Bedrohung darstellten: „Muslimische Gangs machen in letzter Zeit förmlich Jagd auf Homosexuelle und das mitten in Deutschland, und das ist ein Skandal!“ (Alice Weidel[11]). Hier wird Toleranz gegenüber Homosexuellen propagiert, wobei jene Haltung allerdings instrumentell in der Migrationspolitik eingesetzt wird. Die AfD argumentiert hier weniger offen homofeindlich als homonationalistisch. Es gelte „Homosexuelle vor dem Islam zu schützen“. Auch positioniert sich die AfD vermeintlich homofreundlich, aber gegen das Feindbild „Gender“. Stabile, eindeutige, ursprüngliche Identitäten erscheinen als gefährdet – ein Angebot an „rechte Homosexuelle“. Bedrohungsszenarien – ob in Form von geschlechtlichen Uneindeutigkeiten oder durch „den Islam“ – halten also die widersprüchlichen Positionierungen zusammen (Wielowiejski 2018).

 

Literatur

Beck, Dorothee/Gesterkamp, Thomas/Kemper, Andreas/Stiegler, Barbara/von Bargen, Henning (2021): Antifeminismus auf dem Weg durch die Institutionen. Strategien und maskulistische Netzwerke. Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.). Online: https://www.boell.de/sites/default/files/2021-10/E-Paper%20%C2%ABAntifeminismus%C2%BB%20Endf.pdf

Blum, Rebekka (2019): Angst um die Vormachtstellung: Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus. Marta Press, Hamburg.

Merkur (2017): Weidels Wandel: „AfD ist einzige Schutzmacht für Schwule und Lesben“. Merkur.de, 20.9.17. Online: https://www.merkur.de/politik/weidels-wandel-AfD-einzige-echte-schutzmacht-fuer-schwule-und-lesben-zr-8701016.html

Wiegel, Gerd (2022): Brandreden. Die AfD im Bundestag. PapyRossa Verlag, Köln.

Wielowiejski, Patrick (2018): „Identitäre Schwule und bedrohliche Queers: Zum Verhältnis von Homonationalismus und Anti-/G/enderismus im Nationalkonservatismus“. In: Feministische Studien 36(2), S. 347–356.

 

AfD-Quellen

AfD (2020): Konzept zur Sozialpolitik. 11. Bundesparteitag der AfD in Kalkar 28. bis 29. November 2020. Online: https://www.AfD.de/wp-content/uploads/2021/04/20210326_Konzept_zur_Sozialpolitik_ohne_Programm.pdf

AfD (2021): Deutschland. Aber normal. Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag. Online: https://www.afd.de/wp-content/uploads/2021/06/20210611_AfD_Programm_2021.pdf

Krah, Maximilian (2023): Politik von rechts. Ein Manifest. Antaios Verlag, Schnellroda.


[1] „Abtreibungen, speziell aus sozialen und familiären Gründen, müssen dabei die Ausnahme bleiben.“ (AfD 2021: 111).

[2] Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 184

[3] Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 212

[4] Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 150

[5] Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 149

[6] Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 104

[7] https://genderdings.de/familie/familienformen/

[8] Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 6

[9] Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 6

[10] Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 211

[11] Alice Weidel, Rede in Viernheim, 23.09.17

 

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