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„Nirgendwo ist hier“ – Fotoprojekt über Flüchtlinge

© Patrick Skrypczak

Der Lebensalltag von Flüchtlingen ist vielen eine unbekannte Realität. Ein von der Amadeu Antonio Stiftung gefördertes Fotografie-Projekt des Flüchtlingsrats NRW hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, den schwierigen Alltag der Betroffenen darzustellen.

Je nach Bundesland sind die Wahrnehmung von Flüchtlingen und Gestaltung ihrer Lebenssituation unterschiedlich, doch insbesondere zu Zeiten der Wirtschaftskrise dreht sich die öffentliche Auseinandersetzung um einen vermeintlichen bedrohlichen „Ansturm“ von Flüchtlingen. Ohne über die Gründe für Migration, deren beschwerliches Leben in Deutschland oder die Tatsache des Rückgangs der Zahl von Flüchtlingen in Deutschland einzugehen schürt die öffentliche Debatte Vorurteile gegen Schutzbedürftige. Der Tenor erinnert an die 1990er Jahre, wo Medien mit Slogans wie „Das Boot ist voll“ vor den „Asylbetrügern“ warnten.

Die gegenwärtigen Hetzkampagnen von vermeintlichen Bürgerinitiativen – angeführt von rechtsextremen Meinungsmachern – und die Zunahme gewalttätiger Übergriffe zeigen, wie sehr solche Slogans auf fruchtbaren Boden treffen. Der Umgang mit den Flüchtlingen stellt die Bundesregierung – genau wie beim Umgang mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen – auf die Probe: haben wir aus den fehlern gelernt?

Für die Ausstellung „NIRGENDWO IST HIER“ wird die Lebenswelt der Asylsuchenden fotografisch erfasst. Indem die Situation von Menschen mit prekärem Aufenthalt gezeigt wird, soll über Abschiebung informiert und die Debatte versachlicht werden. In die Erstellung der Ausstellung sind Studierende der Akademie für Gestaltung aus Köln, der Fachhochschule Bielefeld und der Fachhochschule Dortmund einbezogen, um verschiedene Zugänge zu dem komplexen Thema zu finden.

Thema Flucht oft einseitig behandelt

„Die Betrachtung von Flüchtlingen in der Öffentlichkeit ist eher negativ geprägt. Wir wollen dem entgegenwirken“, erzählt Birgit Naujoks, die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats über die Motivation zum Projekt. „Wir merken bei unserer täglichen Arbeit, dass das Thema Flucht in Deutschland oftmals einseitig behandelt wird. Die schwierige Situation von Flüchtlingen und ihre prekären Umstände werden nicht thematisiert. Dank des u.a. durch die Stiftung geförderten aktuellen Projekts wollen wir auf andere Weise auf die Situation der Betroffenen in Nordrhein-Westfalen aufmerksam machen. Mit den üblichen Mitteln erreicht man Fachleute, aber wir haben die Hoffnung mit Fotografie und Bildern ganz andere Gruppen zu erreichen.“

Entstanden ist die Wanderausstellung „NIRGENDWO IST HIER“, die informieren und sensibilisieren will. Im Rahmen der Ausstellung sollen sich die Betrachtenden anhand ganz persönlicher Schicksale mit den Themen Flucht, Asyl, Abschiebung und Leben in Deutschland auseinandersetzen können. Darüber hinaus knüpfen die beteiligten Studierenden direkten Kontakt zu Flüchtlingen und erfahren dadurch eine intensive Auseinandersetzung mit der prekären Lebenssituation Asylsuchender. Die Aufnahmen zeigen spontane Situationen oder auch symbolische Konstellationen.

Große Öffentlichkeit für menschenwürdige Flüchtlingspolitik

Neben der Präsentation der Wanderausstellung sollen die Bilder auch auf Bannern, Plakaten und Planen zu sehen sein. Diese werden in verschiedenen Städten Nordrhein-Westfalens ausgehängt und finden so in den öffentlichen Raum. Begleitet wird die Kampagne mit Informationsmaterial des Flüchtlingsrats zu Flüchtlingsschicksalen, Fluchtgründen und politischen und juristischen Dimensionen von Flucht. Damit öffnet sie den Weg zu einer sachlichen und vorurteilsfreien Auseinandersetzung mit einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik endlich auch einer breiten Gesellschaft – fern der aufgeheizten medialen Berichterstattung.

Eröffnet wird die Ausstellung voraussichtlich noch in diesem Jahr in Velbert. Ab dem nächsten Jahr geht die Ausstellung dann auf Wanderschaft – und kann von Interessierten ausgeliehen werden. Auf den meisten ihrer Stationen wird die Ausstellung von einem Begleitprogramm umfasst, das mittels Vorträgen das komplexe Thema Flucht noch näher bringt. Gerade wegen dieser Kombination aus persönlichen Schicksalen, individuellem Zugang und bildungspädagogischer Begleitung hat die Amadeu Antonio Stiftung die Ausstellung finanziell gefördert.

Die genaue Route der Ausstellung und weitere Informationen können der begleitenden Website entnommen werden: http://nirgendwoisthier.de/

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Tahera_Ameer_2022
Interview

Warum die Gesellschaft noch keinen sicheren Umgang mit Rassismus hat

Tahera Ameer im Interview: „Das gesellschaftliche Bewusstsein dafür, dass es Rassismus in Deutschland gibt, ist stark gestiegen. Das ist ein Schritt vorwärts, dazu hat die Amadeu Antonio Stiftung beigetragen. Bis praktische Maßnahmen umgesetzt werden, die Rassismus als strukturelles Problem bekämpfen, ist es noch ein weiter Weg. Wir brauchen Proviant und Ausdauer für einen Marathon, nicht für einen Sprint.“

Gruppenbild_algerische Vertragsarbeiter_Mohamed Kecheroud und Oral-History-Forschungsstelle der Universität Erfurt
Gefördertes Projekt

Nach 50 Jahren: Gedenken an rassistische Hetzjagd auf Vertragsarbeiter in Erfurt

Am 10. August 1975 jagten bis zu 300 DDR-Bürger*innen algerische Vertragsarbeiter durch die Erfurter Innenstadt und verletzten einige schwer. 50 Jahre später erinnerten Betroffene und Erfurter*innen an die Ereignisse. In der Öffentlichkeit spielt die Auseinandersetzung mit rassistischer Gewalt in der DDR weiterhin kaum eine Rolle. Die Auseinandersetzung mit rassistischer Gewalt findet auch Jahrzehnte später viel zu selten statt.

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