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Rechtes Frauennetzwerk auf Instagram – eine Analyse neurechter Influencerinnen und ihrer Wirkmacht

von Gideon Wetzel, Sächsische Forschungs- und Dokumentationsstelle für Demokratie, Amadeu Antonio Stiftung

Der Text ist Online-Teil der Veröffentlichung „(R)echte Männer und Frauen. Analysen zu Geschlecht und Rechtsextremismus

 

Soziale Medien sind eines der wichtigsten Instrumente extrem rechter Akteur*innen, um ihre Inhalte zu verbreiten und Zielgruppen fernab ihrer Stammklientel zu erreichen. Immer wieder beweisen vor allem Mitglieder des AfD-Umfelds, aber auch neurechte Influencer*innen hier besonderes Geschick – doch wie sind diese untereinander vernetzt, welcher ideologische Background kennzeichnet sie und welchen Einfluss entfalten sie in nichtrechte Sphären? Die Analyse eines Netzwerks neurechter Influencer*innen gibt Einblicke zu diesen Fragen.

 

Soziale Plattformen wie Instagram sind für die extreme und insbesondere die selbsternannte Neue Rechte ein wichtiges Medium bei der Agitation im vorpolitischen Raum. Hier trifft man auf breite Bevölkerungsschichten, politische Gegenspieler*innen und den sogenannten Mainstream. Im vorpolitischen Raum, also auch in Teilen der Zivilgesellschaft, sieht die extreme Rechte ein wichtiges Betätigungsfeld im Kampf um kulturelle Hegemonie, welche als Voraussetzung für einen politischen Wandel angesehen wird. „In den intimen Öffentlichkeiten des Internets sind rechte Gefühle omnipräsent und für Nutzer*innen beheimatend. Sie bestimmen vielfach das Diskursklima, sind zu wirkmächtigen Parallelwelten mutiert, drängen auf Realität und stellen sie in massenwirksamer Form für viele bereit“ (Strick 2021: 22).


Der Plattform-Algorithmus

  • Instagrams Hauptmedium sind Bilder, aber auch Videos (Reels) haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Stories ad hoc und affektiv gestalteter und somit authentischerer Content sind von großer Bedeutung und werden ästhetisiert aufbereitet. Eben jene vergänglichen, weil innerhalb von 24 Stunden von der Plattform verschwindenden Stories werden dabei gern genutzt, um explizitere Inhalte zu teilen – zumal die automatische Löschung dieser Content-Form sie schwerer moderierbar macht.
  • Akteur*innen auf Instagram unterliegen den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie. Grundlage für die Steuerung dieser Aufmerksamkeit ist der geheimnisumwobene „Algorithmus“. Einfach definiert sind Algorithmen Handlungsvorschriften zur Lösung eines Problems. Im Kontext von Sozialen Medien ist damit insbesondere die Verteilung und Priorisierung von Inhalten, welche in den Feed jede*r Nutzer*in eingespeist werden, gemeint. Der Algorithmus löst also grob gesagt das Problem, die Inhalte möglichst entsprechend der individuellen Aufmerksamkeitsstruktur der einzelnen Nutzer*innen zu priorisieren und zu verteilen. Dafür entwickeln Plattformen wie Instagram den Algorithmus stetig weiter und passen ihn an aktuelle technische sowie gesellschaftliche Dynamiken an. Im Grunde geht es darum, die Nutzer*innen möglichst viel Zeit auf der Plattform verbringen zu lassen, da somit auch die aufgebrachte Zeit für den Konsum von Werbung steigt – welche die Haupteinnahmequelle für kommerzielle Plattformen wie Instagram ist.
  • Somit werden von Instagram auch Profile bevorzugt behandelt, die möglichst viel Aufmerksamkeit binden. Entsprechend erfolgreiche Inhalte werden von der Plattform in die Vorschläge und Feeds jener Nutzer*innen gespült, die den Content-Creator*innen nicht folgen: Sie gehen viral. Diesen Effekt will sich selbstverständlich auch die Neue Rechte zu Nutzen machen. Viele Strategien zielen auf emotional ansprechende, empörende, die Aufmerksamkeit stärker vereinnahmende Videos ab. Da eine Anfeindung und Abwertung marginalisierter Gruppen aktuell gegen die meisten Nutzungsbedingungen Sozialer Plattformen verstößt, werden solche politische Ansichten und Botschaften in Codes versteckt. Sogenannte Dogwhistles[1] oder die Verwendung von Memes spielen hierbei eine große Rolle (MISRIK 2023).
  • Einen positiven Effekt auf die Verbreitung von Inhalten kann ebenfalls der Zusammenschluss von Akteur*innen durch gegenseitiges Folgen, Teilen, Liken, Kommentieren und Bewerben haben, damit der Instagram-Algorithmus den Inhalten eine höhere Relevanz beimisst. Wir reden hierbei von einem Netzwerk.

Im Folgenden wird ein Netzwerk von neurechten Influencerinnen auf Instagram untersucht. Uns interessiert, wie sie vernetzt sind, welchen ideologischen Background sie haben, wie anschlussfähig sie an nicht rechte Netzwerke sind und wie sich die Inhalte ihrer Postings und Stories einordnen lassen. Ausgangspunkt der Untersuchung sind 17 öffentliche Profile bekannter und aktuell aktiver Akteurinnen der extrem rechten und neurechten Szene, welche Charakteristika von Influencerinnen (s. Beitrag „Die Macht der Inszenierung“) aufweisen. Diese „Persons of Interest“ (POIs) wurden durch die Kolleg*innen von De:Hate und der Fachstelle Gender, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus qualitativ evaluiert und in Zusammenarbeit mit Expert*innen und Netzwerkpartner*innen der Amadeu Antonio Stiftung ausgewählt.

 

Der Großteil der Profile ist dem Umfeld der AfD und deren Jugendorganisation Junge Alternative zuzuordnen. Ebenso sind einige Akteurinnen der Identitären Bewegung (IB) enthalten. Das Phänomen von Influencerinnen via Social Media ließ sich in der extremen Rechten zuerst bei der IB verorten. Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die IB Deutschland 2019 als rechtsextrem einstufte, ist zu beobachten, dass sich Gruppierungen, welche der IB zuzuordnen sind, unter anderen Namen oder in privaten Profilen auftreten – möglicherweise, um einer Überwachung zu entgehen. Einzelpersonen der IB organisieren sich außerdem zunehmend in der Jungen Alternative. Aus dieser Melange gründete sich in AfD-Nähe die Frauen-Vereinigung Lukreta, welche gezielt an emanzipatorische Diskurse mit rückwärtsgewandten Geschlechterrollen andocken will und somit in Tradition mit der #120db-Kampagne der Identitären Bewegung steht (Hansen 2022). Das Lukreta Profil sowie zugehörige Vertreterinnen sind in der Untersuchung enthalten. Weitere Eckpfeiler bilden die Profile der Musikerin Runa, welche dem extrem rechten Label Neuer Deutscher Standard (NDS) angehört, sowie der Influencerin „eingollan“. Runa, die mit bürgerlichen Namen Ramona Naggert heißt, macht Rap-Musik mit nationalistischen und extrem rechten Inhalten (Bernstein 2022). Als treue Teilnehmerin der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen in Sachsen verarbeitet sie außerdem Themen dieser Bewegung. Michelle Gollan („eingollan“), welche seit kurzem mit dem schon länger aktiven rechten Youtuber Leonard Jäger („Ketzer der Neuzeit“), aber auch in Soloformaten in Erscheinung tritt, hat die höchste Zahl an Follower*innen unter den untersuchten Profilen. Zusammen mit Jäger besucht sie Demonstrationen des politischen Gegenübers. Beide versuchen dort, entweder durch suggestive Befragung der Teilnehmenden und willkürliche Schnitte oder durch die Provokation und Dokumentation des eigenen Ausschlusses von der Demonstration vermeintlich entlarvende und verhöhnende Szenen einzufangen. Dieses Format sorgt für hohe Klickzahlen und Reichweite, aber auch satirische Rollenspiele und Reaction-Videos gehören zum Repertoire der sich in Ausbildung befindenden Schauspielerin.

 

Die Instagram-Profile der POIs wurden zum einen nach Follower*innen, die möglichst vielen der POIs folgen und zum anderen nach Profilen, denen wiederum möglichst viele der POIs folgen, untersucht. Dabei können Follower*innen Aufschluss über mögliche Anknüpfungen an nicht rechte Themenwelten und Kreise geben. Wiederum Profile, denen die POIs folgen zeigen uns welche Einflüsse auf diese wirken und zeichnen somit auch ein Bild von deren ideologischen Background.

 

Dafür wurden die Profile der POIs im Laufe einer Woche im Juli 2023 nach den folgenden und gefolgten Profilen gescannt[2]. Unter den gefolgten Profilen wurden jene herausgefiltert, welchen mehr als fünf unserer POIs folgen: Das ergab insgesamt 14 Profile. Um aus den insgesamt 63.559 folgenden Profilen eine repräsentative Menge für die Untersuchung zu erhalten, wurden all jene herausgefiltert, welche öffentlich sind, jeweils mehr als fünf der POIs folgen und selbst mehr als 1.000 Follower*innen aufwiesen – diesen könnte mitunter eine gewisse Multiplikator*innenrolle zugeschrieben werden. Die Auswahl ergab 147 Profile, welche anschließend nach ihrer thematischen Verortung und einer möglichen Verbreitung von Inhalten der POIs untersucht wurden.

 

Die Einflüsse auf die „Persons of Interest“

Als Einflüsse der POIs ergaben sich an erster Stelle – mit jeweils zehn der POIs als Follower*innen – die Wochenzeitung Junge Freiheit, welche von Politikwissenschaftler*innen als das Sprachrohr der sog. Neuen Rechten gesehen wird, und Alice Weidel, welche wie auch Beatrix von Storch (Platz 5) eine wichtige weibliche Führungspersönlichkeit der AfD ist. Auf Platz 2, mit neun folgenden POIs, steht der Account des Youtubers Leonard Jäger („Ketzer der Neuzeit“), dessen Videos verschwörungsideologische[3] oder queerfeindliche Inhalte transportieren. In jüngster Zeit tritt Jäger in seinen Videos häufig mit Michelle Gollan („eingollan“) auf, welche eine unserer POIs ist. Die weiteren Influencer-Profile sind überwiegend der AfD zuzuordnen. Es finden sich die Profile der Bundestagsfraktion (Platz 3; 8 POIs), der AfD Nordrhein-Westfalen (Platz 2 und 4) und der Jungen Alternative Dresden (Platz 4; 7 POIs). Mit Björn Höcke (Platz 2) und Stephan Brandner (Platz 5) haben wir bekannte Vertreter des ehemaligen, als extrem rechts geltenden „Flügels” der AfD, sowie die AfD-Politiker Tino Chrupalla (3), Roger Beckamp (5) und Sebastian Wippel (5). Auf Platz 4 liegt mit Freya Rosi eine Influencerin aus der Tradwife Szene (s. Beitrag „Tradwives statt trans Girls“, S. 28 der Broschüre), welche aktuell jedoch nicht aktiv ist.

Abb. 1: Netzwerkdiagramm – Einflüsse der POIs (in Rot, Einflüsse in Blau)

 

Platzierung von Instagram Profilen nach Anzahl der folgenden POIs

Platz Profil-Name Anzahl der

folgenden POIs

1 JUNGE FREIHEIT 10
Alice Weidel 10
2 Leonard Jäger (ketzerderneuzeit) 9
AfD NRW 9
Björn Höcke 9
3 Alternative für Deutschland 8
Tino Chrupalla 8
4 Junge Alternative Dresden 7
Freya Rosi 7
AfD-Fraktion NRW 7
5 Beatrix von Storch 6
Roger Beckamp MdB 6
Stephan Brandner 6
Sebastian Wippel 6

 

Insgesamt folgen die POIs also vor allem bekannten Persönlichkeiten und regionalen Ablegern der AfD. Die Nähe zur AfD verwundert nicht, da ein Großteil der POIs selbst der Partei zuzuordnen ist. Jedoch stechen die zwei Akteure des ehemaligen Flügels und AfD-Abgeordnete aus den Bundesländern Sachsen und Thüringen hervor, wo die AfD zur Bundestagswahl 2021 den höchsten Stimmenanteil unter den Parteien bekam. Auffällig ist auch die große Überschneidung über die neurechte Wochenzeitung Junge Freiheit. Weiterhin finden sich zwei namhafte und erfolgreiche Influencer*innen aus dem rechten Spektrum unter den Einflüssen.

 

Ein neurechtes Netzwerk bei Instagram

Die Follower*innen der POIs haben wir auf zwei Fragen hin überprüft: Gibt es hier Profile, welche nicht auf dem ersten Blick dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, aber dennoch entsprechende Inhalte verbreiten? An welche anderen Themenwelten docken unsere POIs über solche Brückenprofile an?

Abb 2: Netzwerkdiagramm POIs und Follower*innen

 

Das Netzwerkdiagramm zeigt die Verknüpfung zwischen unseren POIs und den herausgefilterten 147 Follower*innen. Es wird nicht gezeigt, welchen Profilen die Follower*innen außer den POIs folgen – wenn diese sich z.B. gegenseitig folgen, ist dies hier nicht zu sehen. Tauchen POIs jedoch als Follower*innen der jeweils anderen POIs auf, sind diese ebenfalls in der Darstellung verknüpft. Der Übersicht halber sind nur Knoten beschriftet, welche mehr als zwölf unserer POIs folgen. Die rot gefärbten Knoten kennzeichnen die POIs selbst. Der Algorithmus, welcher das Netzwerkdiagramm erzeugt, ordnet die Punkte anhand ihrer Verknüpfungen zueinander an. Folglich sind sich in dieser Darstellung Punkte näher, welche sich auch die meisten Follower*innen teilen. Die Abbildung lässt somit Rückschlüsse auf das Verhältnis der Profile zueinander zu.

 

In der Analyse zeigt sich eine starke Vernetzung der POIs untereinander und mit vielen Persönlichkeiten vor allem aus dem AfD-Umfeld. Das verwundert nicht, stammt doch der überwiegende Teil der POIs selbst aus dem AfD-Dunstkreis. Hieraus ergibt sich auch die starke Vernetzung mit AfD-Profilen und ein überwiegend aus AfD-Profilen bestehender Cluster in der Mitte.

 

Das gut vernetzte Zentrum bilden Akteur*innen der extrem rechten „Fraueninitiative“ Lukreta: Anna Leisten, Marie-Thérèse Kaiser, Mary Khan, Seli Enxhi sowie das Profil von Lukreta selbst. In der Verdichtung unten rechts finden sich die Profile aus der AfD oder deren Umfeld. Wiebke Muhsal bildet dabei das Zentrum. Die beiden IB-Aktivistinnen Anni Hunecke und Paula Winterfeldt, Hauptprotagonistin von #120db (Kulaçatan 2021), stehen eher am Rand des Clusters (linke Seite), zusammen mit weiteren Follower*innen, welche dem identitären sowie extrem rechten Spektrum zugeordnet werden können. Hier lässt sich auch das Profil von Reinhild Boßdorf verorten und das der Rapperin Runa vom extrem rechten Label NDS.

 

Am oberen Rand und mit größerem Abstand zum Hauptfeld befindet sich das Profil von eingollan, diese weist kaum Verknüpfungen zu den restlichen POIs auf, jedoch zu vielen anderen neurechten Profilen. Eingollan verzeichnet hier aktuell einen Erfolg mit rechten Inhalten. Die meisten Follower*innen aus dem Bereich Lifestyle lassen sich zwischen eingollan und dem IB-Cluster verorten. Weiterhin sehen wir drei Follower*innen aus dem extrem rechten Spektrum im unmittelbaren Umfeld von eingollan. Follower*innen mit persönlichen, nicht offen rechten Profilen sehen wir gleichmäßig verteilt im Netzwerk.

 

Die starke Vernetzung der POI-Profile und gegenseitiges Liken sowie Teilen entfalten einen verstärkenden Effekt auf die Inhalte, welche darüber verbreitet werden. Aber nicht nur inhaltliche Verknüpfungen sind wichtig: Allein die Tatsache, dass sich die Profile gegenseitig folgen, trägt dazu bei, dass interessierten Menschen eben diese Profile von Sozialen Plattformen wie Instagram vermehrt vorgeschlagen werden. Die starke Vernetzung kann zum einen strategisch sein, zum anderen ist aber auch davon auszugehen, dass sich die meisten Personen lose persönlich kennen und die Vernetzung organisch – auch offline – gewachsen ist.

 

Größere Accounts unter den Follower*innen

Wir haben die 147 öffentlichen Profile, welche mehr als fünf unserer POIs folgen und mehr als 1.000 Follower*innen haben, analysiert (Abb. 2): Über die Hälfte der Profile lassen sich Personen aus oder dem Umfeld der AfD oder der JA zuordnen. Das verweist zum einen auf die zentrale Rolle, die die Partei für die extreme Rechte spielt, und zum anderen auf deren strategische Nutzung Sozialer Medien (Hillje 2021).

 

Knapp 15 Prozent dieser Follower*innen lassen sich weiteren Organisationen des extrem rechten Spektrums zuordnen und etwa 5 Prozent der völkischen Identitären Bewegung. Uns haben indes die etwa 25 Prozent der Profile, welche auf den ersten Blick keine rechten Inhalte transportieren, besonders interessiert. Hiermit ist gemeint, dass im Profilbild, der Profilbeschreibung und den regulären Postings keine rechten Inhalte und Codes zu erkennen sind – also alle Informationen, die man sieht, wenn man das Profil überfliegt und ggf. die Entscheidung fällt, diesem zu folgen oder nicht. Ausgeschlossen hiervon sind Stories, da diese in der Regel nur für den aktuellen Tag sichtbar sind. Untersuchungen zeigen, dass explizitere Inhalte tendenziell über Stories verbreitet werden (Kero 2022: 104).

 

Abb. 3: Aufteilung der untersuchten Menge von Follower*innen

 

Themenwelten der „nichtrechten“ Follower*innen

Über die regulären Inhalte der „nichtrechten“ Profile lassen sich Aussagen darüber ableiten, welchen Einfluss das untersuchte Netzwerk außerhalb „der eigenen Bubble“ hat. Zudem kann eingeschätzt werden, inwiefern deren Strategie aufgeht, neue Menschen zu erreichen. Die anschließende Untersuchung der Stories soll aufdecken, in welchen Fällen ein Verbreiten rechter Inhalte bereits gelingt.

 

Bei den untersuchten größeren, vordergründig nicht rechts auftretenden Follower*innen des neurechten Netzwerks handelt es sich – nach Angabe in den Profilen – überwiegend um Männer. Inhaltlich lassen sich die untersuchten Profile wie folgt kategorisieren: Zum einen finden sich hier klassische Lifestyle-Profile, welche die geschönten Seiten des alltäglichen Lebens sowie Fotografie, Reisen, Luxus und Statussymbole zeigen. Daran anknüpfend gibt es die für Instagram ebenfalls typischen Fitness-Profile, welche die persönliche sportliche Betätigung und gesunde Lebensführung dokumentieren, angereichert mit Tipps für Übungen und Ernährung. Und schließlich gibt es Profile, welche Ausschnitte aus dem Privatleben zeigen: Selfies, Kochergebnisse, Ausflugserlebnisse, Treffen mit Freund*innen oder auch Spruchbilder. Hierbei sind die Übergänge zu den Fitness- und Lifestyle-Profilen fließend. Weitere Profile zeigen weniger persönliche Inhalte und widmen sich gezielt bestimmten Themen. Dabei stachen drei Themenzusammenhänge hervor:

 

Ein Bereich dreht sich um Wirtschaft und Ökonomie, hier werden Informationen in Form von Sharepics oder Reels zu Marketing, Management, Wirtschaftsnachrichten, Unternehmen sowie Geldanlagen offenbart. Daran anknüpfend beobachten wir einen Themenzusammenhang, welcher sich in gleicher Weise mit Kryptowährungen, Kryptohandel, Aktienhandel und Spekulation auseinandersetzt.

 

Darüber hinaus finden sich Profile, welche sich politischen Themen aus einer konservativen Perspektive widmen. Es werden ausgewählte aktuelle Geschehnisse in Form von Sharepics und Reels kommentiert oder der eigene Podcast beworben. Ein weiterer Themenzusammenhang, welcher nicht ganz so stark wie die vorherigen vertreten ist, aber dennoch interessant erscheint, ist die Landwirtschaft. Hier wird alles rund um Ackerbau, Traktoren, Gerätschaften und Landleben behandelt. Auch hier gibt es Übergänge zu Lifestyle- und Privat-Profilen.

 

Besonders im Bereich Kryptowährungen und Trading fiel auf, dass die Profile sehr vielen anderen Profilen ohne erkennbaren thematischen Zusammenhang folgen – möglicherweise wird hier durch Profilautomatisierung[4] versucht, eine hohe Reichweite zu erzielen. Dahinter verbirgt sich die Strategie, dass auf manche Folge-Anfragen mit einem Zurückfolgen reagiert wird und das Profil somit in den Vorschlägen der Follower auftaucht. Die Frage bleibt offen, ob in diesem Fall die von uns ausgewählten POIs durch Zufall dabei sind, oder gezielt versucht wird, deren Gefolgschaft zu erreichen, da diese womöglich empfänglich für derartige Inhalte ist. Ebenso machten die Follower*innen der Profile im Bereich Wirtschaft/Ökonomie einen sehr generischen, möglicherweise gekauften Eindruck.

 

Im Beobachtungszeitraum konnten keine inhaltlichen Weiterleitungen der POIs, z.B. in Form von Stories, festgestellt werden. Allerdings gab es inhaltliche Überschneidungen beim Betrachten der Stories einiger der untersuchten Profile, wodurch eine Rezeption möglich erscheint.

 

Zusammenfassung

Die Profile der POIs finden überwiegend im extrem rechten, neurechten Lager Anschluss. Außerdem sind sie stark untereinander und mit Profilen aus dem Umfeld der AfD verknüpft. Die Follower*innenzahlen bewegen sich durchgehend im Bereich von Micro-Influencer*innen. Ein Andocken an nichtrechte Themenwelten hält sich in Grenzen und findet hauptsächlich in den Bereichen Wirtschaft, Kryptowährungen, Trading, Anlagen, konservative Politik-Blogs, Fitness, Lifestyle und Landwirtschaft statt. Hier konnte in einigen Fällen ein Verbreiten rechter Inhalte in Form von Stories festgestellt werden, obwohl die Profile auf den ersten Blick nicht darauf schließen ließen. Solche Multiplikator*innenprofile ermöglichen es, rechte Inhalte in andere gesellschaftliche Bereiche zu transportieren. Es bleibt abzuwarten, inwiefern es den Influencer*innen gelingt, den Anschluss an diese Themenwelten auszubauen und weitere für sich zu gewinnen.

 

Hervorzuheben ist dabei das Profil der Influencerin eingollan, welches kaum Verknüpfungen zu den anderen POIs aufweist, jedoch zu vielen anderen neurechten Profilen. Eingollan verzeichnet dafür aktuell einen Erfolg mit rechten Inhalten (de:hate/Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention 2023). Möglicherweise handelt es sich hier um eine neue Generation, welche noch stärker mit Social Media aufgewachsen ist und intuitiv mit anderen Strategien Erfolg hat. Möglicherweise spielt auch die Parteilosigkeit eine Rolle sowie das hippe, junge Auftreten, welches das Profil zunächst unpolitisch erscheinen lassen. Vorteilhaft sind mit Sicherheit auch der schauspielerische Background und die professionelle Produktion sowie Orientierung an aktuellen Influencer*innen-Trends und -strategien wie das Etablieren eigener Formate, welche in gleichbleibender Form wiederholt werden. Aber auch das Profil der Musikerin Runa zeigt im Vergleich zu den anderen POIs eine höhere Reichweite – die alte Strategie der Rechten, über Musik und Subkultur Ideen zu verbreiten, scheint immer noch gut zu funktionieren, lediglich der Musikstil hat sich gewandelt.

 

Wir haben mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen und Möglichkeiten lediglich öffentliche Profile mit über 1.000 Follower*innen untersucht, möglicherweise haben aber auch private Profile oder jene mit weniger Follower*innen eine wichtige Funktion bei der Verbreitung extrem rechter Inhalte. Ebenso zeigt die Untersuchung nur einen zeitlichen sowie personellen Ausschnitt und somit nur ein Zerrbild der Realität. Die Untersuchung gab Rückschlüsse auf weitere relevante Profile, welche das zu untersuchende Netzwerk erweitern und neue Dynamiken aufdecken könnten.

 

Quellen

Bernstein, Bea (2022): HipHop Rechtsaußen. Ein neuer Versuch. Belltowernews. Online: https://www.belltower.news/hiphop-rechtsaussen-ein-neuer-versuch-144227/

de:hate/Kompetenznetzwerk Rechstextremismusprävention (2023): Jung und reaktionär. Die Nachwuchs-Rechts-Fluencer. Belltowernews. Online: https://www.belltower.news/jung-und-reaktionaer-die-nachwuchs-rechts-fluencer-150781/

Hansen, Friederike (2022): „Frauenkongress“ von rechtsradikaler Frauengruppe und AfD in Münster. Belltowernews. Online: https://www.belltower.news/lukreta-frauenkongress-von-rechtsradikaler-frauengruppe-und-AfD-in-muenster-133219/

Hillje, Johannes (2021): Propaganda 4.0. Wie rechte Populisten unsere Demokratie angreifen. Verlag J.H.W. Dietz, Bonn.

Kero, Sandra (2022): Jung, weiblich und extrem rechts. Die narrative Kommunikation weiblicher Akteurinnen auf der Plattform Instagram. Fakultät für Philologie an der Ruhr-Universität Bochum, unveröffentlicht.

Kulaçatan, Meltem (2021): Ausgespielt? Feministische Zielsetzungen im antimuslimischen Rassismus. In: Amadeu Antonio Stiftung (Hg.): Weiblich, bewegt, extrem rechts. Frauen, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen, Online: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2021/07/RexNRW-Netz.pdf, S. 51-54.

MISRIK (2023): Was machen rechtsextreme Memes? Memes in extrem rechter Internetkommunikation, Belltowernews,. Online: https://www.belltower.news/kreative-ans-werk-memes-in-extrem-rechter-internetkommunikation-was-machen-rechtsextreme-memes-153363/

Strick, Simon (2021): Rechte Gefühle. Affekte und Strategien des digitalen Faschismus. Transcript Verlag, Bielefeld.


[1] Eine Form codierter Sprache: versteckte Bedeutungen in Aussagen, welche die eigene Anhängerschaft erkennen (und aktivieren).

[2] Dauer aufgrund der Anfragen-Limitierung von Instagram

[3] Eine von Jäger häufig aufgegriffene Erzählung ist die des sog. „Great Reset“ –  eines angeblichen Plans eine „neue Weltordnung“ zu installieren – durch und zugunsten einer „Elite“ und auf Kosten der „einfachen“ Bevölkerung. Namensgeber für diese Verschwörungserzählung ist das Weltwirtschaftsforum (WEF), dass sich im Jahr 2021 unter dem Motto „The Great Reset“ traf.

[4] Ein Programm steuert die Interaktionen eines Profils und sorgt somit für mehr Reichweite. Profilautomatisierungen verstoßen gegen die Geschäftsordnung von Instagram, sind aber dennoch weit verbreitet und werden von Dritten als Service angeboten.

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