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Rechtsextreme und der erfundene „War on Christmas“

Jedes Jahr zur Adventszeit wiederholt sich ein bekanntes Muster: Rechte und rechtsextreme Akteur*innen inszenieren sich als angebliche Verteidiger*innen von Weihnachten, christlicher Tradition und „abendländischer Kultur“. Tatsächlich geht es dabei weniger um Religion oder Brauchtum – sondern um die Mobilisierung von Ressentiments, insbesondere gegen Muslim*innen, Migrant*innen und eine offene Gesellschaft. Weihnachtszeit ist auch Kulturkampfzeit.

Advent, Weihnachten und das „christliche Abendland“

Die Adventszeit besitzt für viele Menschen eine hohe emotionale Bedeutung – auch unabhängig von persönlicher Religiosität. Genau diese emotionale Resonanz macht Weihnachten für rechte Akteur*innen so attraktiv. Sie knüpfen an diffuse Gefühle von Vertrautheit, Nostalgie und Zugehörigkeit an und verknüpfen sie mit politischen Feindbildern. Anstatt sich an der Wärme der Weihnachtszeit zu berauschen, geht es in erster Linie um Ausgrenzung.

Unter dem Schlagwort des „christlichen Abendlandes“ werden dabei nicht christliche Werte wie Nächstenliebe oder Solidarität betont, sondern vor allem Abgrenzung: gegen Muslim*innen, gegen Migration, gegen gesellschaftliche Vielfalt. Weihnachten wird so zu einem identitätspolitischen Marker umgedeutet.

Der Mythos vom „War on Christmas“

Zentral für diese Erzählungen ist der angebliche „War on Christmas“ – also die Behauptung, Weihnachten werde systematisch abgeschafft, umbenannt oder verdrängt. In rechten Narrativen sind dafür wahlweise „Political Correctness“, „der Islam“ oder eine vermeintlich „links-grüne Elite“ verantwortlich.

In der Realität handelt es sich bei den angeführten Beispielen jedoch fast immer um:

  • Missverständnisse,
  • gezielte Falschdarstellungen,
  • Marketingentscheidungen von Unternehmen oder
  • sachliche Gründe wie Sicherheits- oder Brandschutzauflagen.

Der „War on Christmas“ ist keine reale Entwicklung, sondern eine Verschwörungserzählung. Sie funktioniert über Angsterzeugung: „Unsere Tradition wird uns genommen.“

Deutschland und USA: Unterschiedliche Feindbilder, gleiche Logik

Während in den USA der „War on Christmas“ häufig als Angriff eines säkularen, progressiven Liberalismus dargestellt wird, verschiebt sich die Erzählung in Deutschland stärker auf eine angebliche „Islamisierung“. Gemeinsam ist beiden Kontexten, dass kulturelle Identität über Alltags- und Konsumpraktiken verhandelt wird: Weihnachtsmärkte, Dekoration, Süßigkeiten oder Begriffe auf Verpackungen werden politisiert und überhöht.

Typische Skandalisierungen – und was wirklich dahintersteckt

Jahr für Jahr kursieren ähnliche Empörungswellen:

  • Ein Discounter verkauft einen „Herbststern“ – tatsächlich handelt es sich um eine neue Pflanzensorte, nicht um die Abschaffung des Weihnachtssterns.
  • Auf der Rückseite eines Adventskalenders steht „Geschenke-Lager“ – die Vorderseite ist weiterhin eindeutig weihnachtlich gestaltet.
  • Weihnachtsmärkte oder Feste sollen angeblich umbenannt worden sein – oft hat es diese Umbenennungen nie gegeben oder sie hatten sachliche Gründe.
  • Ein Christbaum wird in einer Klinik versetzt – aus Brandschutzgründen, nicht aus religiöser Ablehnung.

In diesem Jahr dominierten vor allem Videos von Demonstrationen, die den Sturz des Assad Regimes in Syrien feierten, die als „Sturm“ auf den Weihnachtsmarkt verkauft wurden, um muslimfeindliche Ressentiments zu schüren. Wasser auf den Mühlen einer Ressentiment-getriebenen „Stadtbild-Debatte“. Solche Einzelbeispiele werden aus dem Kontext gerissen, emotional aufgeladen und als Beleg für einen angeblichen Kulturkampf präsentiert.

Strategien rechter Stimmungsmache

Rechte Akteur*innen nutzen dabei wiederkehrende Kommunikationsmuster:

  • selektive Darstellung: Fotos, Videos oder Zitate ohne Einordnung.
  • Framing: Sachliche Korrekturen werden als „Unterwerfung“ oder „Kapitulation“ gedeutet.
  • Emotionalisierung: Begriffe wie „Säuberung“, „Auslöschung“ oder „Islamisierung“ sollen Bedrohung suggerieren.
  • Vereinfachung: Komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge werden auf simple Schuldzuweisungen reduziert.

Wenn Rassismus christliche Werte ersetzt

Besonders deutlich wird die Instrumentalisierung dort, wo christliche Werte offen konterkariert werden. So etwa im Fall einer St.-Martins-Feier in Rheidt, bei der eine muslimische Mutter abwertend angesprochen wurde. Rechte Medien stellten anschließend nicht die Ausgrenzung in den Mittelpunkt, sondern stilisierten die Täter*innen zu Opfern angeblicher „Überempfindlichkeit“.

Hier zeigt sich: Es geht nicht um gelebte Nächstenliebe, sondern um Abwertung und Ausschluss.

Wenn Traditionen tatsächlich gelebt werden

Dass rechte Empörung nichts mit Religion zu tun hat, zeigt sich auch dann, wenn christliche Traditionen von Menschen gelebt werden, die nicht ins völkische Weltbild passen. Als das Nürnberger Christkind rassistisch angefeindet wurde, weil es nicht weiß war, wurde offensichtlich: Entscheidend ist nicht der christliche Bezug, sondern eine ethnisch definierte Vorstellung von „Deutschsein“.

Widersprüche der rechten Inszenierung

Besonders widersprüchlich ist die gleichzeitige Berufung auf christliche Werte und die Verherrlichung von Gewalt. In rechten Milieus werden Weihnachtsmotive mit Waffenästhetik kombiniert, etwa durch Geschenke in Form von Sturmgewehren oder martialische Symbolik. Advent und Weihnachten werden hier nicht spirituell gelebt, sondern politisch instrumentalisiert.

Weihnachtsmärkte als Ort des Kulturkampfes

Weihnachtsmärkte gelten für Rechtsextreme als besonders geeignete Orte des Kulturkampfes. Sie sind öffentlich, emotional aufgeladen und für viele Menschen ein zentraler Bestandteil der Vorweihnachtszeit – auch für jene, die sonst wenig Bezug zum Christentum haben. Rechtsextreme Musik auf Weihnachtsmärkten oder gezielte Provokationen sollen Normalität verschieben und Zugehörigkeit neu definieren.

Das Märchen vom „Weihnachtsmarktsterben“

Eng verknüpft mit dem „War on Christmas“ ist die Erzählung vom angeblichen Sterben der Weihnachtsmärkte. Ausgangspunkt waren sachliche Berichte über steigende Sicherheitskosten, etwa in Dresden. Daraus wurde in sozialen Netzwerken schnell die Behauptung, Weihnachtsmärkte würden massenhaft abgesagt.

Die Fakten sprechen eine andere Sprache:

  • In Deutschland finden jedes Jahr mehrere Tausend Weihnachtsmärkte statt.
  • 2025 wurden lediglich zwei Veranstaltungen wegen Sicherheitskosten abgesagt.
  • Weitere vereinzelte Absagen hatten andere Gründe, etwa Baustellen oder fehlende Nachfrage.
  • Branchenverbände stellen klar: Von einem flächendeckenden Sterben kann keine Rede sein.

Ein reales Kostenproblem wird hier gezielt zu einer kulturellen Katastrophe umgedeutet.

Sicherheit, Angst und Realität

Es ist unbestritten, dass es eine islamistische Bedrohungslage gibt und dass Weihnachtsmärkte seit dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz als potenzielle Anschlagsziele gelten. Diese Realität anzuerkennen, ist legitim. Sie wird jedoch von rechtsextremen und rechts-alternativen Akteur*innen instrumentalisiert, um pauschale Feindbilder zu bedienen.

Gleichzeitig unternehmen Staat, Kommunen und Sicherheitsbehörden erhebliche Anstrengungen, um Weihnachtsmärkte bestmöglich zu schützen. Angst ist gerechtfertigt und sollte als solche benannt werden – sie darf aber nicht zur Legitimation von Rassismus missbraucht werden.

Fazit: Kein Kulturkampf, sondern rechte Mobilisierung

Der angebliche „War on Christmas“ ist kein realer Angriff auf Weihnachten. Er ist ein politisches Narrativ, das gezielt Empörung erzeugt, um antimuslimische und rassistische Stimmung zu machen. Gerade in einer Zeit, die für Besinnung, Gemeinschaft und Nächstenliebe stehen sollte, wird Weihnachten so zum Werkzeug rechter Mobilisierung.

Dem gilt es mit Aufklärung, Fakten und einer klaren Haltung für eine offene, solidarische Gesellschaft entgegenzutreten.

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