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Rechtsextremismus 2025: Gewalt, Gewöhnung, Gegenwehr

Jahresrückblick des Kompetenzzentrums Rechtsextremismus: 2025 war ein Jahr der Auseinandersetzung und ein Gradmesser dafür, wie viel Widerstandskraft die offene Gesellschaft noch besitzt.

Von Lisa Geffken, Jan Riebe und Hannes Müller

2025 fühlte sich erneut an, als hätte jemand den Takt des Landes verschoben. Es war das Jahr, in dem sich Rechtsextremismus zur neuen Normalität verdichtete. Und es war das Jahr, nachdem in Thüringen 2024 erstmals nach 1945 eine rechtsextreme Partei stärkste Kraft wurde und die politische Öffentlichkeit aufhörte, sich darüber zu empören. Ein Jahr, in dem sich sehr deutlich zeigte, dass der Kampf um die Demokratie nicht nur an Wahlurnen entschieden wird, sondern auf Straßen, Schulhöfen und in Kommentarspalten. Und es war womöglich, wenn man den Blick nach Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern richtet, das letzte Jahr seit 1945 ohne eine rechtsextreme Partei in Regierungsverantwortung.

Während die AfD ihre Machtbasis professionalisiert, ihre Auftritte perfektioniert und ihre Wortwahl in die Alltagssprache diffundiert, zeigt die Zivilgesellschaft eine neue Beharrlichkeit: Menschen gehen auf die Straße, gründen Bündnisse, wehren sich. 2025 war deshalb kein Jahr der Entscheidung, sondern eines der Auseinandersetzung. Und nicht zuletzt ein Gradmesser dafür, wie viel Widerstandskraft eine offene Gesellschaft noch besitzt.


Lisa Geffken, Hannes Müller und Jan Riebe arbeiten im Kompetenzzentrum Rechtsextremismus und Demokratieschutz der Amadeu Antonio Stiftung und befassen sich dort mit aktuellen Entwicklungen im Rechtsextremismus und zivilgesellschaftlichen Gegenstrategien. 


Parteiförmiger Rechtsextremismus

Die AfD bleibt der Motor für die gegenwärtige gesellschaftliche Etablierung des Rechtsextremismus. Mit dem besten Bundestagswahlergebnis ihrer Geschichte, doppelt so stark wie 2021, markiert sie den Übergang zur Machtoption. Die Bundestagswahl im Februar 2025 hat auch gezeigt: Rechtsextremismus ist schon lange kein rein ostdeutsches Phänomen mehr. Der Westen holt rasant auf und ist nur noch vier Jahre hinter der Entwicklung im Osten hinterher – wenn nicht sogar noch weniger. Die AfD etabliert sich als die erfolgreichste Partei der Arbeiter*innen, obwohl keine andere Partei im Bundestag eine stärkere Lobby der Reichsten der Reichen im Land ist.

In vielen Kreistagen ist sie bereits stärkste Fraktion, und lokale Funktionär*innen arbeiten daran, Normalisierung durch Präsenz zu erzeugen: auf Dorffesten, in Bürgerhäusern, in Vereinen. Laut dem Bundesverband mobiler Beratungen ist die AfD in etwa der Hälfte aller ostdeutschen Kreistage und kreisfreien Städte die größte Fraktion oder gleichauf mit anderen. Hierdurch kann sich rechtsextreme Politik weiter etablieren und normalisieren, selbst wenn keine Landrats- oder Bürgermeisterämter gewonnen wurden.

Begleitet wird dieser Aufstieg von einem Netzwerk parteinaher Online-Medien wie NiUS oder Apollo-News. Sie fungieren als Echokammern, die Diskurse verschieben und Empörung in Engagement gegen Vielfalt und Demokratie verwandeln.

Transatlantische Rückkopplung

Das Jahr 2025 brachte auch eine neue internationale Bühne. Mit der Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus suchte die AfD die Nähe zur Macht und konnte einen starken außenpolitischen Verbündeten für sich gewinnen. US-Vizepräsident J.D. Vance trat bei der Münchner Sicherheitskonferenz als Stichwortgeber auf, indem er europäische Demokratien pauschal delegitimierte; kurz darauf traf AfD-Chefin Alice Weidel ihn für eine Unterredung.

Selbst Elon Musk mischte mit: Sein Online-Gespräch mit Weidel, viral verbreitet, war weniger politisch als symbolträchtig. Ein digitaler Schulterschluss der selbsternannten „Tabubrecher“, trotz kruder Thesen und reichlich Fremdscham-Potenzial, ein Vernetzungserfolg der AfD. Zwei Wochen später ließ sich Musk per Videoschalte zum Wahlkampfauftritt der AfD zuschalten. Im Dezember reisten gleich zehn AfD-Abgeordnete auf Steuerzahler*innenkosten zur weiteren Annäherung an die Trump-Regierung in die USA. Diese transatlantische Lichterschneise markierte das neue Selbstbewusstsein einer Partei, die längst Anschluss an den globalen Rechtspopulismus gefunden hat.

Und doch: Die AfD strauchelt lokal. Trotz hoher Umfragewerte scheitern viele Kandidat*innen in Bürgermeister- und Landratswahlen. Diese Misserfolge zeigen, dass es bisher erst sehr wenige Orte rechtsextremer Hegemonie gibt.

Und auch die Auflösung der Jugendorganisation „Junge Alternative“ aus Angst vor deren Verbot, ist Ausdruck eines Scheiterns der rechtsextremen Partei. Es zeigt sich, dass die Debatte um eine Prüfung eines Parteiverbots die AfD in ihrer Etablierung behindert. Aus der „Jungen Alternative“ ist die „Generation Deutschland“ entstanden – die kein bisschen weniger radikal ist. Die Neugründung der Jugendorganisation, jetzt als integraler Bestandteil der Partei, könnte sich als Bumerang erweisen und ihr in einem Verbotsverfahren massiv schaden.

Türkischer Rechtsextremismus

Zum Bild des Jahres 2025 gehört auch ein Phänomen, das in Debatten oft als Randthema behandelt wird: türkischer Rechtsextremismus. Die „Grauen Wölfe“ bzw. die Ülkücü-Bewegung bilden hier eine der größten, am besten organisierten rechtsextremen Strukturen, deren Ideologie autoritär, ultranationalistisch, antisemitisch, antikurdisch, anti-alevitisch und queerfeindlich ist. 2025 wurde sichtbarer, wie sehr dieser Rechtsextremismus transnational funktioniert: Über Dachverbände, Moschee- und Kulturvereine, Jugendgruppen, Kampfsport- und Freizeitangebote, aber auch Social Media werden autoritäre, türkisch-nationalistische und religiös aufgeladene Narrative in Community-Strukturen hineingetragen. Oft unter dem Radar der Mehrheitsgesellschaft.

​Besonders brisant ist, dass sich die Szene gezielt an Kinder und Jugendliche richtet, die selbst Rassismus- und Ausgrenzungserfahrungen machen und damit anfällig für Angebote von Stärke, Stolz und Zugehörigkeit sind. In Protesten rund um Israel und Palästina, bei antisemitischen Narrativen und in der Mobilisierung gegen kurdische, alevitische oder oppositionelle Stimmen zeigen sich 2025 Überschneidungen zu anderen extremistischen Milieus. Genau hier braucht es eine betroffenenorientierte Auseinandersetzung, die türkischen Rechtsextremismus nicht länger verharmlost, sondern als festen Bestandteil der extremen Rechten in Deutschland mitdenkt.

Generation Rechtsextrem?

Die Jugend des Jahres 2025 ist mit der AfD aufgewachsen. Sie kennt den Bundestag nur mit rechtsextremer Präsenz, Reels voller männlicher Wutreden und Telegram-Kanäle im Stil von Lifestyle-Magazinen. Das prägt und erklärt, warum rechtsextreme Jugendgruppen seit wenigen Jahren einen Zulauf erleben, wie man ihn in der Geschichte der Bundesrepublik nur selten erlebt hat. Für 2025 lässt sich konstatieren: Nie seit den Baseballschlägerjahren war rechtsextreme Jugendgewalt so organisiert, nie war der Anschluss an soziale Medien so nahtlos. Neonazis gab es schon immer in Schulklassen, aber aktuell sind sie mancherorts zum ersten Mal seit den 1990er Jahren wieder dominierend. Die Situation in Schulen in Ost und West ist mehr als alarmierend.

Neonazistische Jugendgruppen von „Die Heimat“ (früher NPD) oder Splitterparteien wie der „III. Weg“ füllen Lücken, wo Schule, Familie und Politik versagen. Sie bieten Zugehörigkeit, Abenteuer und Weltbilder in Schwarzweiß. Die positive Nachricht ist, dass einige der neugegründeten Jugendgruppen auch ziemlich schnell wieder zerfallen. Das hat mal politische, öfter aber private Gründe. Aber die Gefahr ist keineswegs gebannt: Viele neugegründete rechtsextreme Jugendorganisationen fielen anfänglich durch einen fast nicht vorhandenen Organisierungsgrad auf. Das ändert sich aktuell.

Der gestiegene Organisierungsgrad spiegelt sich teils auch in einer zunehmenden Radikalisierung wider. Die Razzien im Mai gegen die Terrorzelle „Letzte Verteidigungswelle“ (14 bis 18 Jahre alt) zeigen, wie Kinder in apokalyptische Kampfvorstellungen abrutschen können. Ihnen werden durchgeführte und geplante Anschläge auf eine bewohnte Asylbewerber*innenunterkunft und ein Kulturzentrum vorgeworfen. Auch der Angriff auf das Vielfaltsfest „Bad Freienwalde ist bunt“ zeigt, wie selbstbewusst rechtsextreme Täter auftreten und zivilgesellschaftliches Engagement angreifen.

Feindbild Queer

Kaum ein Thema wurde 2025 so zur Projektionsfläche des Hasses wie Queerness. Die rechtsextreme „Bewegung“ gegen CSDs hat bereits im letzten Jahr begonnen, doch noch nie wurden so viele CSDs angegriffen, gestört, diffamiert, wie 2025. Die Demos gegen Pride-Paraden, oft von Jugendlichen und jungen Männern getragen, folgten einer Choreografie digitaler Mobilisierung: Memes, Hashtags, Livestreams. Rechtsextreme Influencer inszenierten „Widerstand gegen Genderwahn“ als jugendliche Rebellion.

Doch jede Attacke hatte eine Gegenseite. 2025 fanden über 40 CSDs zum ersten Mal statt – viele in Kleinstädten, wo Menschen sagten: Jetzt erst recht.

Alltag der Normalisierung

Besonders im ländlichen Raum verdichten sich die Trends. Die Etablierung und Normalisierung der AfD gehen mit zunehmender Gewalt einher. Beispiele wie brennende Kreuze für Vielfalt der Gruppe beherzt am Rande einer „privaten“ Feier eines AfD-Lokalpolitikers bei Gardelegen sind dafür Belege. An der Feier nahmen hunderte Rechtsextreme aus ganz Deutschland teil.

Doch nicht nur die AfD macht sich in ländlichen Räumen breit. Dörfer in der Altmark, in Vorpommern oder der Oberlausitz werden zu Laboren rechtsextremer Gegenkultur. Völkische Siedlerfamilien kaufen Höfe, gründen Heimatschulen, veranstalten vermeintlich unpolitische Dorffeste und erziehen ihre Kinder in einer Ideologie, die Abstammung über Menschenrecht stellt. Hier wird kein Aufstand geprobt, sondern Normalität gebaut. Ein besonderes Augenmerk der völkischen Familien ist die ideologische Schulung ihres Nachwuchses. In völkischen Jugendbünden werden Kinder und Jugendliche bei Outdoor-Survival-Camps oder gemeinsamen Ausflügen von klein auf ideologisch gefestigt erzogen.

Recherchen zeigen, wie rechtsextreme Jugendbünde wie der „Jungadler“ seit vielen Jahren als rechtsextreme Kaderschmieden fungieren, oft mit Verbindungen zum Umfeld der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“, einer Nachfolgeorganisation der Hitlerjugend. Neonazi-Kleinstparteien wie der „III. Weg“ sichern sich über kommunale Mandate Strukturen und Ressourcen. Suppenküchen, Freizeitangebote, Nachbarschaftshilfen: Leistungen, mit denen sie Räume erobern, aus denen sich staatliche Strukturen längst zurückgezogen haben und die demokratische Zivilgesellschaft schleichend verdrängt wird. Diese Strategie funktioniert mittlerweile auch im Westen: In Hilchenbach im Siegerland (NRW) hat der „III. Weg“ ein Haus erworben, nachdem sie eine Immobilie im benachbarten Siegen abgeben mussten. Auch wenn das Haus selten für Propagandaaktionen genutzt wird, zeigt selbst die unregelmäßige Präsenz Erfolg: So ist der „III. Weg“ seit der Kommunalwahl im September erstmals in einem westdeutschen Stadtrat vertreten. Im Wahlbezirk Vormwald wählten 12,32 Prozent die Neonazipartei, in Hilchenbach-Nord 11,76 Prozent.

Eskalierende Gewalt, wachsende Gegenwehr

Rechtsextreme Straftaten stiegen 2025 um fast 50 Prozent, Gewalttaten um 17 Prozent. Täter*innen werden jünger, vernetzter, ideologischer. Besonders erschreckend ist die wachsende Gewaltbereitschaft aus dem Umfeld von AfD-Funktionär*innen.

Dem gegenüber steht aber ein neues Selbstbewusstsein der demokratischen Zivilgesellschaft. Von Großdemonstrationen gegen Kooperationen mit der AfD bis zum kontinuierlichen Widerstand der „Omas gegen Rechts“, welche fast jede Woche eine regionale Neugründung zu verzeichnen haben: Das Jahr brachte eine Welle von Beharrlichkeit.

Diese Energie zeigt Wirkung. Das Veranstaltungsverbot auf dem Heimathof Eschede, nach jahrelangem Engagement, wurde 2025 zum Symbol dafür, dass ziviler Druck wirkt, wenn er nicht nachlässt.

Zwischen Zorn und Zuversicht

2025 war auch das Jahr, in dem sich die politische Stimmung fühlbar veränderte. Nach Jahren der Fragmentierung begann etwas Neues: eine neue Direktheit, eine Lust auf Haltung.

Der sogenannte „Vibeshift“, viel diskutiert im Netz, beschreibt genau dieses Phänomen: Werte rücken wieder ins Zentrum, aber sie polarisieren stärker. Rechtsextreme nutzen Emotionalität strategisch, Zivilgesellschaft antwortet mit Empathie und Solidarität. Im Kern ist das kein Streit um Zahlen, sondern um Deutungshoheit: Wer erzählt die Geschichte dieses Landes?

Was bleibt

2025 wird als Jahr in Erinnerung bleiben, in dem der Rechtsextremismus sich weiter etabliert hat, er immer weniger als Skandal in einer Demokratie wahrgenommen wird, aber auch als ein Jahr, in dem die demokratische Zivilgesellschaft gezeigt hat, dass sie sich dieser Entwicklung entschlossen entgegensetzen wird.

Ob daraus ein neuer demokratischer Aufbruch oder ein weiterer Rückzug ins Zynische entsteht, entscheidet sich 2026. Denn das kommende Wahljahr wird zeigen, ob Deutschland bereit ist, aus der Erschütterung Konsequenzen zu ziehen oder ob das Gewöhnliche endgültig kippt.

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