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Hintergründe

Sieg für Compact – die rechtsextreme Normalisierung schreitet voran

Jürgen und Stephanie Elsässer nach der Urteilsverkündung (Quelle: Thomas Witzgall)

Am 24. Juni hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über das Verbot des rechtsextremen Magazins Compact entschieden – und zugunsten der rechtsextremen Propaganda-Plattform geurteilt. Diese fatale Entscheidung könnte weit über das Schicksal des rechtsextremen Mediums hinausreichen – insbesondere mit Blick auf die AfD und weitere Organisationen der Neuen Rechten, die sich nun bestärkt fühlen dürften.

Auslagerung an die Zivilgesellschaft

Der vorsitzende Richter Ingo Kraft entschied, die Inhalte von Compact seien als „überspitzte, aber zulässige Migrationskritik“ zu deuten. Ein Urteil, das bestätigt, wie weit die Grenzen des Sagbaren bereits zugunsten rechtsextremer Ideologien der Ungleichwertigkeit von Menschenleben, verschoben wurden. Das Gericht begründete seine Entscheidung am Dienstag mit dem „Vertrauen auf die Kraft der freien gesellschaftlichen Auseinandersetzung“, selbst im Umgang mit „den Feinden der Freiheit, der Meinungs- und Pressefreiheit“. Es vertraue „mit der Vereinigungsfreiheit grundsätzlich auf die freie gesellschaftliche Gruppenbildung und die Kraft des bürgerschaftlichen Engagements im freien und offenen politischen Diskurs“. Damit ist es jetzt wieder – an der eh schon ausgelaugten – Zivilgesellschaft, den rechtsextremen Hass von Compact weiter zurückzudrängen und gesellschaftlich zu sanktionieren. Es ist einfach fatal, dass der Kampf gegen Demokratiefeinde und Rechtsextreme immer stärker auf die Zivilgesellschaft ausgelagert wird.

Der Verfassungsschutz stuft Compact seit 2021 als gesichert rechtsextrem ein. Im November 2023 hatte das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser die Compact-Magazin GmbH verboten – ein bislang einmaliger Vorgang gegen ein Unternehmen, das sich selbst als Presseorgan bezeichnet.

Wo hört die Meinungsfreiheit auf?

Compact verbreitet in Print- und Online-Ausgaben, auf Social Media und in Videos Inhalte, die antisemitisch, rassistisch, geschichtsrevisionistisch und verschwörungsideologisch sind – aber scheinbar durch das Vereins- und Presserecht gedeckt sind. Hass und Hetze gegen Andersdenkende und ausgemachte Feinde sind hier an der Tagesordnung. Diese Agitation richtet sich aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das sieht auch das Bundesinnenministerium so. Laut dem Ministerium habe sich das Magazin also nicht auf journalistische Arbeit beschränkt. Das Gericht sieht dennoch keinen Grund, das Medium zu verbieten.

„Wir wollen das Regime stürzen“

Compact schreibt über Migrantinnen etwa von „kulturfremden Barbaren“ und impliziert damit, Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichten, insbesondere Musliminnen, seien unzivilisiert und eine Gefahr für „die deutsche Kultur“. 2018 schrieb Compact-Chef Jürgen Elsässer: „Aufgabe der oppositionellen Medien ist es, zum Sturz des Regimes beizutragen, und dabei gehen wir Schulter an Schulter.“ Die Rhetorik bei Compact lässt kaum Zweifel an der politischen Stoßrichtung: „Wir wollen dieses Regime stürzen“, sagte Elsässer abermals 2023 bei einer Spendengala.

Für die Compact-Anwälte Ulrich Vosgerau (Teilnehmer des Potsdamer Remigrations-Treffen), Laurens Nothdurft (einst in der HDJ) und Fabian Walser sind solche Aussagen, die Menschen aufgrund bestimmter äußerer Merkmale kategorisch abwerten und sie entwürdigen, „bloße Meinungsäußerungen“ – und damit „unproblematisch“.

Gericht prüfte Grundsatzfragen

Nun musste das Bundesverwaltungsgericht – derselbe Senat, der auch über die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz urteilt – klären, ob das Verbot rechtlich Bestand hat. Konkret ging es hier um die Frage, ob das Vereinsgesetz auf eine GmbH angewandt werden kann.

Compact als rechtsextreme Kampagnenorganisation

Längst ist Compact nicht mehr nur ein Printprodukt, sondern ein medialer Knotenpunkt der extremen Rechten: Auf YouTube zählte Compact TV rund 515.000 Abonnentinnen, auf Telegram über 81.000. Inhaltlich werden dort rassistische, antisemitische und demokratiefeindliche Erzählungen verbreitet. Rassistische Narrative von einer angeblichen „Migrationswaffe“ und einem „kalten Genozid am deutschen Volk“ transportieren die rechtsextreme Verschwörungserzählung eines sogenannten „Bevölkerungsaustauschs“. Dabei soll eine geheime Elite (meist antisemitisch konnotiert, etwa in der Person George Soros) ein vermeintlich weiß-christliches Stammvolk durch Migrantinnen ersetzen, da diese sich besser beherrschen ließen. Es ist die Erzählung, auf der der moderne Rechtsextremismus fußt. Mit der Aktion „Blaue Welle“ unterstützte das Magazin offen den Wahlkampf der AfD, auch das rechte Netzwerk „Ein Prozent“ wurde beworben.

Das Compact-Magazin verfolgt seit Jahren eine eigene politische Agenda, die sich gegen das demokratische System richtet. Elsässer versucht mit seinen verschiedenen Medienkanälen seit Jahren, eine Art Querfront zu schaffen. Mit dieser Strategie verfolgt er das Ziel, unterschiedliche politische Lager jenseits der etablierten Parteienlandschaft gegen das demokratische System zu vereinen – und sucht dabei gezielt Anschluss an Figuren wie Sahra Wagenknecht. Die frühere Linken-Politikerin bedient mit ihrer national-sozialpatriotischen Rhetorik ähnliche Narrative wie Compact: Kritik an Globalisierung, NATO, „Eliten“ und Migrationspolitik.

Der AfD-Faschist Björn Höcke wird bei Compact bereits als „Friedens-Kanzler“ gelabelt. In der Darstellung von Compact verschwimmen so vermeintlich rechte und linke Positionen gezielt zugunsten eines gemeinsamen Feindbilds: der liberalen Demokratie. Das Querfront-Konzept wird dadurch zu einem gefährlichen ideologischen Katalysator, der legitime Systemkritik in autoritäre Sehnsüchte überführt.

Ein Urteil mit Signalwirkung

Dass das Compact-Verbot nun aufgehoben wurde, dürfte Signalwirkung für andere Akteure der extremen Rechten haben – und sie weiter in ihrem rechtsextremen Kulturkampf bestärken. Besonders die AfD dürfte das Verfahren genauestens verfolgen. Die Partei klagt aktuell gegen ihre Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz – ebenfalls vor dem 6. Senat. Da das Gericht jetzt zugunsten von Compact geurteilt hat, könnte das der rechtsextremen Partei als Argumentationshilfe dienen.

Rechtsextreme Normalisierung stoppen

Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens gilt Compact vielen als Paradebeispiel für die mediale Normalisierung rechtsextremer Positionen in Deutschland. Lange Zeit war das Magazin bundesweit im Bahnhofsbuchhandel und in Supermärkten erhältlich. Mit professioneller Aufmachung, anschlussfähigen Verschwörungserzählungen zur Corona-Pandemie und klarem rechtsextremen Weltbild hat Compact eine Brückenfunktion in der gesellschaftlichen Radikalisierung übernommen – vom rechtskonservativen Zweifel bis zur demokratiefeindlichen Hetze.

Das aktuelle Urteil sendet ein Signal an jene, die Medienfreiheit missbrauchen, um die Demokratie von innen heraus zu bekämpfen. Und nun wurde die Aufgabe Rechtsextremismus zu bekämpfen wieder auf die Zivilgesellschaft abgewälzt.

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