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Analyse

#Stolzmonat – Rechtsradikale Social Media Kampagne gegen den Pride Month

Auf Twitter trendet der von rechtsradikalen Akteur*innen gepushte Hashtag “Stolzmonat” als versuchtes Gegennarrativ zum queeren #Pridemonth. Grund für den Trend ist aber vor allem: metapolitische Social Media-Manipulation. Eine Analyse.

Vorlauf zur Kampagne war ein Twitter-Post der AfD Wuppertal mit einem Auszug aus dem Lied “Neue deutsche Härte” des Rappers Fler: “Schwarz rot gold – Hart und stolz”. Dieser distanzierte sich daraufhin sowohl von der AfD als auch von dem Lied selbst. Anschließend verbreiteten sich relativ schnell Postings mit dem Hashtag “Stolzmonat”. User*innen sollen anstatt der Pride-Fahne die Deutschlandfahne nutzen, um ihren Nationalstolz zu zeigen – und queere Menschen zu verhöhnen und zu ärgern.

Suggeriert werden soll die organische Entstehung eines Trends, der von vielen Menschen getragen wird. Dies ist aber nicht wirklich der Fall, sondern es gibt Hinweise auf eine Koordinierung. Dies nennt sich “Astroturfing”.

Konkreter Aufruf zur Hashtag-Manipulation und direkter Bezug auf den bei Rechten sehr populären Film „300“
Aufruf zur breiten Partizipation von Miro Wolfsfeld

Außerdem soll über das Verbreiten des Hashtags eine Größe und Schlagkräftigkeit der queerfeindlichen Bewegung vermittelt werden, die so (zum Glück) nicht gegeben ist. Es handelt sich primär um frustrierte Menschen mit zu viel Zeit. Hashtag und Memes werden von einschlägig bekannten faschistischen Trollen, dem Blogger Miro Wolfsfeld, rechten Influencern und Mitgliedern der AfD verbreitet. Hier zeigt sich erneut , dass die AfD keine Berührungsängste hat, wenn es um Rechtsextreme geht.

Twitter-Post von Miro Wolfsfeld mit Pepe dem Frosch vor dem Brandenburger Tor und Aufruf zur Partizipation am „Stolzmonat“
Twitter-Post der AfD

 

Wie Martin Sellner erklärt, solle das Ziel der Aktion sein, eine Diskussion um Nationalstolz anzustoßen: “Wenn Menschen fragen, wieso man auf sein Land stolz ist, frage sie zurück, wieso sie auf ihre Queerness stolz sind”, so Sellner.

Video von Martin Sellner zum „Stolzmonat“

Dies zeigt vor allem, wie wenig Rechte die Kämpfe queerer Menschen verstehen: der Pride-Monat zelebriert, dass die Community gegen gesetzliche und gesellschaftliche Diskriminierung eine Sicherheit und Sichtbarkeit erstritten hat. Weiterer Aspekt der Kampagne sind die sogenannte “Memetic Warfare” und die Gamifizierung von Hass. User*innen können sich alle aktiv an der Hetze beteiligen, Memes erstellen, sich vernetzen und daran erfreuen, andere zu “triggern”.

Es wird außerdem dazu aufgerufen, LGBTQ-solidarische Inhalte mit queerfeindlichen Kommentaren vollzuspammen oder Unternehmen, die Regenbogenflaggen im Profilbild nutzen, dafür zu attackieren.

Tweet mit einem Meme zu gezielten Angriffen auf Accounts mit LGBTQ-Inhalten

LGBTQ-Feindlichkeit ist eines der momentan wichtigsten Themenfelder der bürgerlichen und extremen Rechten und dient regelmäßig als Radikalisierungsfaktor nach rechts. Im “Stolzmonat” wird sie konkret als Rekrutierungsinstrument genutzt. Des Weiteren soll vermittelt werden: “Queere Menschen gehören nicht zu Deutschland”. Dieser Gedanke von “zersetzenden” Homosexuellen und trans Personen geht bereits auf den Nationalsozialismus zurück.

Der bodenständige deutsche Nationalstolz gilt hier als Gegenbewegung zur Moderne, zu Diversität, zur Akzeptanz und Repräsentation von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Dieses Narrativ ist fester Bestandteil rechtsradikaler Ideologie

Der rechtsradikale Podcaster Aaron P., der unter dem Namen “Shlomo Finkelstein” auftritt, verklärt in einem Interview mit der “Jungen Freiheit” die Identifikation mit der Deutschlandfahne als “revolutionären Akt. Er verkauft damit Nationalstolz, der in Deutschland Grundlage für rassistische Morde, antisemitische Pogrome, menschenfeindliche Grenzpolitik etc. genutzt wird, als subversiv. Dies bezeichnet die kritische Theorie als “Autoritäre Revolte.”

Diejenigen, die am “Stolzmonat” partizipieren, bilden sich ein, als unterdrückte Rebell:innen gegen eine mächtige LGBTQ-Lobby zu handeln – dabei ist LGBTQ-Feindlichkeit nicht subversiv, sondern leider zunehmend gesellschaftsfähig. Dieser Blogbeitrag gibt einen genaueren Überblick über die Akteur:innen hinter dem “Stolzmonat”:

Zusammenfassend zeigt der Hashtag: die Vernetzung bereitwilliger Zusammenarbeit von AfD, Transfeind:innen, rechten Trollen und Neonazis. Es wird leider nicht der letzte Angriff gegen die queere Community sein. Nicht nur im Pride-Monat, sondern auch sonst ist es unerlässlich, gegen Homo- und Transfeindlichkeit aktiv zu werden. Reaktionäre Kräfte erstarken zunehmend – stellen wir uns ihnen entgegen!

Die Amadeu Antonio Stiftung wünscht allen Menschen der queeren Community, als auch ihren Mitstreiter:innen einen solidarischen, kämpferischen und bunten Pride Monat!

 

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