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Alexandra Rousi

, 62 Jahre

Am 14. Oktober 1994 wurde die 62-jährige Alexandra Rousi in der Detmolder Straße in Paderborn ermordet. Sie verbrannte in einem Feuer, das aus rassistischen Motiven von einem ihrer Nachbarn gelegt wurde. Dem Brandanschlag voraus gingen monatelange rassistische Schikanen, Drohungen und Beleidigungen.

Alexandra Rousi war Köchin und Familienmensch

Alexandra Rousi hatte als Köchin in einer Kantine gearbeitet, bis sie dies gesundheitlich nicht mehr konnte. Sie liebte ihre Familie, ihre beiden Enkelkinder seien alles für sie gewesen. Auch ihre Hunde liebte sie über alles, sie sei ein äußerst tierlieber Mensch gewesen. „Sie war immer für jeden da, das war ganz außergewöhnlich.“ berichtete Tina Curis, die Schwester der Schwiegertochter von Alexandra Rousi. Ihr Sohn Nikolaos und ihre Schwiegertochter Chariklia arbeiteten rund um die Uhr in ihrem Imbiss „Gyros Grill bei Niko“. Die ganze Familie wurde von Kund*innen und in ihrem übrigen Umfeld sehr geschätzt.

Täter verübte einen rassistischen Brandanschlag gegen seine Nachbar:innen

Der Täter, der 60-jährige Herman J., wohnte gemeinsam mit der Familie in einem Zweifamilienhaus. Er besorgte am 14. Oktober 1994 an einer Tankstelle zwei Kanister Benzin und übergoss den Wohnungseingang der Familie Rousi damit.  Als Nikolaos Rousi versuchte, ihn aufzuhalten, schlug Herman J. ihn nieder. Zusammen mit ihrer Schwiegertochter versuchte auch die 62-jährige Alexandra Rousi den Täter aufzuhalten, wobei Benzin auf ihre Kleidung gelangte. Wie Nikolaos später berichtete, schrie der Täter: „Ihr scheiß Ausländer, ich zünd euch alle an!“. Anschließend zündete er ein Streichholz an und es kam zu einer Verpuffung. Chariklia Rousi konnte sich durch einen Sprung vom Balkon retten – Alexandra Rousi selbst starb in den Flammen. Nikolaos zog sich bei dem Versuch, seine Mutter zu retten, schwere Brandverletzungen zu. Alexandra Rousis Enkel waren zum Tatzeitpunkt in der Schule – erst am Nachmittag erfuhren die beiden von der grauenvollen Tat und dem Tod ihrer geliebten Großmutter.

In den Tagen nach der Tat organisiert die Schwester von Chariklia, Tina Curis, eine Demonstration: Als Solidaritätsbekundung mit Alexandra Rousi und anderen Opfer rassistischer Gewalt und als Aufforderung an die Stadt, sich zu der Tat zu positionieren. 300 Menschen kamen, sogar der griechische Generalkonsul aus Düsseldorf – eine Reaktion der Stadt blieb aus.

Dieser Fall gehört zu denjenigen, die bis heute von staatlicher Seite nicht als rechtsextrem motiviert eingestuft wurden: Weil der Täter vorher nicht als Rechtsextremist in Erscheinung getreten war. Der Umstand, dass er die Familie Rousi im Vorfeld der Tat mehrfach als „Kanaken“, „Ratten“, „griechische Schweine“ und „Ausländerschweine“ beschimpft hatte, wurde bei der Bewertung der Tat nicht einbezogen. Auch Drohungen wie „irgendwann steck ich euch an“ sprach der Täter lange vor der Tat aus. Die Familie Rousi hatte sich bei ihrem städtischen Vermieter beschwert, da sie sich berechtigterweise nicht sicher in ihrem eigenen Zuhause fühlten. Diese Beschwerden im Vorfeld der Tat blieben allerdings ohne Reaktion.

Da der Täter bei der Tat selbst ums Leben kam, kam es auch nie zu einem Gerichtsprozess, in dem das Tatmotiv genauer hätte beleuchtet werden können. Eine staatliche Anerkennung ist überfällig. Von den ermittelnden Behörden wurde der Täter als „Verrückter“ abgestempelt, die Ermittlungen zügig eingestellt. Diese Pathologisierung angeblicher Einzeltäter*innen ist leider bis heute ein Hindernis für die fundierte Auseinandersetzung mit rechtsextremen Gewalttaten und ihren ideologischen Hintergründen. Tina Curis ist noch immer enttäuscht über das Schweigen der Stadt, formulierte der Neuen Westfälischen Zeitung gegenüber jedoch optimistisch: „Aber ich glaube, heutzutage würde man im Rathaus bei einem solchen Vorfall anders reagieren.“

Alexandra Rousis Sohn und seine Frau gingen wenige Monate nach der Tat zusammen mit den gemeinsamen Kindern zurück nach Griechenland – zu sehr haben sie der Mord und die vorangehenden rassistischen Anfeindungen geschockt. Der Mord an Alexandra Rousi gerät für über 25 Jahre in Vergessenheit, die Stadt Paderborn hat sich nicht für ein würdiges Gedenken eingesetzt. Erst als eine Frau in ihrem Urlaub in Griechenland die Hinterbliebenen von Alexandra Rousi trifft und diese ihr von der Tat und der noch immer anhaltenden schweren Traumatisierung durch dieselbe berichten, kommt der Fall wieder an die Öffentlichkeit. Die Frau wendete sich anschließend an die Redaktion der ZEIT.

Gegenüber Radio Hochstift äußert sich Tina Curis, die Schwester von Chariklia Rousi, kürzlich zu der Tat: „Immer wenn ich an dem alten Haus vorbeikomme, dann fährt mir der Schrecken in die Glieder. Da bleibt mir das Herz stehen.“ Ssie musste ihre traumatisierte Schwester am 14. Oktober 1994 auf der Wache abholen, völlig durchnässt und nach Benzin riechend.

Tina Curis lebt noch immer in Paderborn. Der Täter hat ihr „die Familie genommen“, berichtet sie.

Nikolaos und Chariklia Rousi leben seither mit ihren Kindern auf einer griechischen Insel. Die 1966 in Hamburg geborene Chariklia kannte Griechenland nur aus Familienurlauben. Und doch schimpfte Hermann J. immer und immer wieder, sie solle dorthin „zurückgehen“.

Alexandra Rousi wurde auf der griechischen Insel Korfu beigesetzt. Die Angehörigen haben das Geschehene bis heute nicht richtig verarbeitet – eine Beileidsbekundung seitens der offiziellen Behörden bleibt bis heute aus.

Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen überprüfte ab Mitte 2022 im Rahmen seines Projekts „ToreG NRW“ (Todesopfer rechter Gewalt in NRW) 30 zurückliegende Gewaltdelikte aus den Jahren 1984 bis 2020 auf eine mögliche politische Tatmotivation. Anfang September 2024 gab Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul bekannt, dass drei der geprüften Fälle nun als rechtsmotiviertes Tötungsdelikt zu bewerten sind. Der Fall Alexandra Rousi wurde im Zuge des Projekts ebenfalls geprüft, gilt jedoch immer noch nicht als rechtsmotiviert.

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