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Alja Nickel

, 26 Jahre (staatlich anerkannt)

Am 7. Oktober 2003 wird die dreiköpfige Familie Mechthild Bucksteeg,  Hartmut Nickel und Alja Nickel in Overath (Nordrhein-Westfalen) mit einer Pumpgun von einem Neonazi erschossen. Sie hinterlassen zwei weitere Töchter im Alter von 12 und 15 Jahren. 

Eine engagierte Familie 

Familie Nickel lebt in einem kleinen Idyll, umgeben von einem Bach und einer Weide mit Schafen. In der Freizeit besucht Hartmut Nickel mit seiner Frau Mechthild Bucksteeg gerne gemeinsam die Salzburger Festspiele, die Dresdner Semperoper oder die Kölner Philharmonie. Den Nachbarn erzählen sie jedoch nur ungerne davon, da sie nicht protzig rüberkommen wollen. 

Hartmut Nickel führt seit  27 Jahren  seine Kanzlei an der Hauptstraße in Overath und ist ein geachteter Mann in der westfälischen Kleinstadt. Wenn Mandant*innen nicht genügend Geld zur Verfügung haben, verteidigt Nickel sie trotzdem pro bono. Er arbeitet meistens bis spätabends und studiert auch zu Hause noch weiter Akten. Mechthild Bucksteeg arbeitet als Assistentin in der Kanzlei ihres Mannes.In der wenigen Freizeit, die sie hat, ist sie gesellschaftlich sehr engagiert. Sie gibt ehrenamtlich Kommunionsunterricht, singt im Kirchenchor und unterstützt Jugendliche, die ohne Eltern aufwachsen. Die 26-jährige Tochter der beiden, Alja Nickel, hat das Abitur als Jahrgangsbeste absolviert . Zum Tatzeitpunkt ist sie gerade dabei, ihr erstes Jura-Examen zu absolvieren und damit auf dem besten Weg, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Deshalb hat sie  gerade auch ihr eigenes kleines Büro in der Kanzlei ihres Vaters eingerichtet und ist stolz darauf, in die Kanzlei einzusteigen.

Kaltblütig ermordet

Am 7. Oktober 2003 arbeitet die Familie gemeinsam in der Kanzlei. Mechthild Bucksteeg freut sich auf den Feierabend. Sie will sich nach längerer Zeit mit ihrer Freundin zum Essen treffen. Am Nachmittag, gegen 16 Uhr, klingelt der Täter gemeinsam mit seiner 19-jährigen Komplizin an der Tür der Anwaltskanzlei und behauptet, er habe einen Termin.  Er kennt Hartmut Nickel, da dieser in einer Angelegenheit um Mietschulden die Gegenseite vertreten hat.

Während die beiden direkt auf das Besprechungszimmer von Hartmut Nickel zulaufen, läuft Frau Bucksteeg den beiden hinterher und fragt sie, was sie denn für einen Termin haben, um diesen im Kalender zu prüfen. Der glatzköpfige Täter zieht daraufhin wortlos eine Pumpgun aus seiner Sporttasche und schießt zwei Mal direkt auf Mechthild Bucksteeg. Die 53-Jährige ist sofort tot. Als Hartmut Nickel und Alja Nickel in das Besprechungszimmer kommen, erblicken sie Mechthild Bucksteeg, die tot in ihrem Blut liegt, während der Täter seelenruhig daneben steht. Der Täter bedroht daraufhin Hartmut Nickel mit der Pumpgun, während er seine Komplizin auffordert, die beiden mit Kabelbindern zu fesseln. Bei Alja Nickel klappt es, aber ihr Vater wehrt sich, sodass der 45-Jährige zur Hilfe kommt und sich bei Nickel entschuldigt: Seine Freundin würde noch lernen. Kurz darauf erschießt der Täter die beiden aus unmittelbarer Nähe durch Kopfschüsse. Während des Mordes trägt der Täter SS-Runen am Hemdkragen. Nach der Tat  entwendete der 45-jährige mit seiner Komplizin Bargeld, um anschließend zu flüchten. Etwa eine Woche später werden die beiden von der Polizei gestellt, nachdem der Haupttäter im Bekanntenkreis mit der Tat geprahlt hat und Freunde ihn schließlich an die Polizei verraten.

Rechtes Tatmotiv bis heute ausgblendet

Im Dezember 2004 verurteilt das Landgericht Köln den Haupttäter wegen Mordes mit besonderer Schwere der Schuld zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Die Mittäterin erhält eine Jugendstrafe von siebeneinhalb Jahren Haft.  Die Sicherheitsverwahrung sei nötig, da der Täter „den bewaffneten Kampf nach seiner Haftentlassung fortzusetzen gedenkt“, so die Richter.

Bei dem Haupttäter handelt es sich um einen bekennenden  Rechtsextremen und Ex-Söldner. Im Gerichtsverfahren stellt er seine rechtsextreme Gesinnung offen zur Schau und  beschreibt sich selbst als „engagiertes Mitglied der Nazi-Szene“.Eine psychiatrische Gutachterin stellt zudem fest, dass der Täter sich, als er das Gewehr anlegte, als „Sturmbannführer“ sah. Er betrachtete sich als Chef einer „SS-Division Götterdämmerung“, die vermutlich aber nur ihn selbst als Mitglied hatte. Er spricht außerdem von einer Todesliste, die ihm von Mitgliedern dieser Division überreicht worden sei. Er hätte den Auftrag, die dort genannten Juristen, Politiker und Medienvertreter zu töten. Die Morde an der Familie Nickel nennt er eine „von mir selbst durchgeführte Maßnahme zur Gesundung des deutschen Volkes“, die „mehr als notwendig“ gewesen sei

Die Strafkammer beschreibt im Urteil, dass die NS-Anschauung des Täters  „ein Handeln mit Härte, Entschlossenheit und ungerührtem Vollstreckerwillen“ ermöglicht.Trotz dieser eindeutigen Beweislage wird der brutale Dreifach-Mord bis heute nicht in der staatlichen Statistik rechts motivierter Tötungsdelikte aufgenommen. Die Mittäterin sagte im Gericht aus, der Neonazi hätte versucht, irgendwie an Geld zu kommen und hätte Hartmut Nickel ausgewählt, da er diesen für die Kündigung seiner Wohnung verantwortlich machte. Es ist schockierend, dass die Landesregierung Nordrhein-Westfalen den Dreifach-Mord nicht in den Phänomenbereich des PMK-rechts zuordnet. Dass das Motiv für die Morde hauptsächlich darin liegen soll, dass Thomas Adolf den Rechtsanwalt und seine Tochter umbrachte, um den vorangegangenen Mord und eine Raubtat zu verdecken, ist nicht nachvollziehbar. Hier zeigt sich ein eklatantes Defizit der staatlichen Statistik: Da es sich nach Auffassung des Gerichts vordergründig um eine „Verdeckungstat“ gehandelt habe, tritt die rechtsextreme Motivation des Täters in den Hintergrund. Dabei verkennen sie jedoch die Tatsache, dass als Raubüberfälle getarnten Delikten oftmals durchaus ein politisches Motiv zugrunde liegt. Der ideologische Kontext des Täters darf bei dieser furchtbaren Bluttat nicht ignoriert werden, da dieser maßgeblich dazu beitrug, dass seine Hemmschwelle zum Morden zu gering war.

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