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Amadeu Antonio

, 28 Jahre (staatlich anerkannt)

Amadeu Antonio, der Namensgeber dieser Stiftung, war eines der ersten Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung. Er wurde zu Tode geprügelt, weil er schwarz war – und deswegen zur Zielscheibe Rechtsextremer wurde. Die Amadeu Antonio Stiftung will das Gedenken an ihn hoch halten und setzt sich in seinem Namen für eine offene und demokratische Gesellschaft ein, die keinen Platz lässt für Menschenverachtung.

Der gebürtige Angolaner war der Älteste von 12 Geschwistern und wurde am 12. August 1962 in der Stadt Quimbele geboren. Seine Freunde und Freundinnen beschreiben ihn als aufgeschlossenen und ruhigen Menschen, der die Musik liebte. Amadeu Antonio absolvierte mehrere Ausbildungen, unter anderem in Schweden und Portugal, bevor er 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR kam – gemeinsam mit 103 weiteren Personen aus Angola. Er kam mit dem Traum nach Deutschland, Flugzeugtechnik zu studieren. Dieser Wunsch wurde ihm jedoch von der DDR-Verwaltung nicht gestattet. Stattdessen wurde er, wie zu dieser Zeit viele ausländische Vertragsarbeiter, zum Fleischer ausgebildet.

Amadeu Antonio fand seine neue Heimat in der Brandenburgischen Stadt Eberswalde – einer Hochburg der Rechtsextremen. Er arbeitete in einem Schlacht- und Verarbeitungskombinat und wollte sich eine langfristige Perspektive in der Stadt aufbauen, eine Familie gründen. Die Ankunft wurde ihm jedoch von der Verwaltung erschwert: die Vertragsarbeiter mussten in gesonderten Wohnhäusern wohnen, abgeschirmt von der restlichen Bevölkerung. Kontakte zu Einheimischen waren unerwünscht, in den örtlichen Gaststätten waren die „Ausländer“ nicht gerne gesehen.

Am 24. November 1990, in der rassistischen Pogromstimmung, die unmittelbar nach der Wiedervereinigung herrschte, zog eine Gruppe Rechtsextremer durch Eberswalde, um „N**** zu klatschen“ – wie ein Angeklagter später vor Gericht aussagte. Die 50-60 Personen hatten die Gaststätte „Hüttengasthof“ zum Ziel – einer der wenigen Orte, an dem sich die ausländischen Vertragsarbeiter ungestört treffen konnten. Schon auf dem Weg dorthin brüllten die Neonazis rassistische Parolen wie „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ oder „N**** verpisst euch“.

Amadeu Antonio war an diesem Abend Gast des Lokals, zusammen mit zwei Männern mosambikanischer Herkunft und zwei weißen Frauen. Die Polizei, die über das Treffen der Neonazis informiert war, empfahl dem Gastwirt des „Hüttengasthofs“ kurz nach Mitternacht, sein Lokal an jenem Abend zu schließen.

Als der Gastwirt die Gruppe hinaus bat, lief sie dem aufgepeitschten Mob der Neonazis direkt in die Arme. Die Neonazis, bewaffnet mit Zaunlatten, Messern und Baseballschlägern, fingen sofort an auf die Gruppe einzuschlagen. Amadeu Antonios Begleitung konnte schwer verletzt fliehen – er selbst jedoch nicht. Rund zehn Personen verfolgten ihn und schlugen ihr wehrloses Opfer brutal zusammen. Selbst als Amadeu Antonio bereits am Boden lag, ließen die Angreifer nicht von ihm ab. Einer sprang ihm mit beiden Füßen auf den Kopf. Erst als ein Bus vorbeifuhr, stoppten die Neonazis den Angriff und ließen ihr Opfer regungslos zurück. Amadeu Antonio erlangte nie wieder das Bewusstsein. Nachdem er 11 Tage im Koma lag, starb er am 6. Dezember 1990 an Multiorganversagen. Eine unmittelbare Folge des Angriffs.

Amadeu Antonios damalige Freundin war zum Zeitpunkt der Tat schwanger. Sein Sohn, nach seinem Vater ebenfalls Amadeu benannt, kam am 9. Januar 1991 zur Welt.

Die Polizei hielt es im Vorfeld nicht für notwendig, das Treffen der Neonazis zu unterbinden. Drei bewaffnete Beamte in Zivil beobachteten den Mord an Amadeu Antonio – griffen jedoch aus Angst vor der Gruppe nicht ein. Eine Anklage gegen die Beamten wegen „Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen“ wurde im Jahr 1994 vom Landgericht Frankfurt (Oder) wegen Unanfechtbarkeit zurückgewiesen. Der Fall selbst wurde nicht als Mord, sondern als schwere Körperverletzung mit Todesfolge eingestuft. Fünf der Angreifer wurden im September 1992 vom Bezirksgericht Frankfurt (Oder) zu maximal vierjährigen Bewährungs- und Haftstrafen verurteilt. Wer genau für die tödlichen Schläge verantwortlich war konnte nie nachgewiesen werden. Die Strafen wären wesentlich höher ausgefallen, wäre die Tat als Mord behandelt worden. Stattdessen bagatellisierte das Gericht die Tat und bewertete sie als gruppendynamischen Prozess – nicht als gezielten Angriff auf Grundlage rassistischer und rechtsextremer Gesinnung. Die ideologische Motivation wurde vielmehr durch die damaligen gesellschaftlichen und politischen Umstände verharmlost. Wie vielerorts wurde ein Bild von verwirrten Jugendlichen gezeichnet, die mit den gesellschaftlichen Veränderungen nicht zurechtkamen.

Heute erinnert eine Gedenktafel am Tatort an den grausamen Mord an Amadeu Antonio. Doch auch darüber hinaus hat sich eine vielseitige Gedenk- und Erinnerungskultur entwickelt. So wurde beispielsweise das Bürgerbildungszentrum in Eberswalde nach Amadeu Antonio benannt. Ein Freund Amadeu Antonios gründete den afrikanischen Kulturverein Palanca e.V. aus Reaktion zu dem Verbrechen. Die Kampagne „Light me Amadeu“ setzt sich seit Jahren für ein würdiges Gedenken ein und fördert eine Auseinandersetzung mit Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Schließlich hat sich die Amadeu Antonio Stiftung zum Ziel gesetzt, mit der Unterstützung von Projekten gegen Rechtsextremismus diese schreckliche Tat niemals vergessen werden zu lassen.

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