Heinz Mädel wurde am 25. Juni 1990 in Erfurt von zwei jungen Frauen brutal angegriffen. Er erlag seinen schweren Verletzungen am 1. Juli 1990. Über sein Leben ist bislang wenig bekannt. Er war 58 Jahre alt, Maurer und zur Tatzeit arbeitslos. Ein stern-Artikel beschrieb ihn als unverheirateten, scheuen Einzelgänger, der „abgerissen wirkend“, also sozial randständig, war. So bleiben viele Fragen offen, die es ermöglichen würden, Heinz Mädel als den Menschen zu sehen, der er war, und nicht nur als Opfer rechter Gewalt.
Die Tat
Am 25. Juni 1990, gegen 23 Uhr, traf Heinz Mädel auf seinem Spaziergang in der Erfurter Altstadt auf der damaligen Leninstraße (heute Johannesstraße) auf zwei junge Frauen, die ihn aus einer Gruppe junger Personen, darunter Skinheads, heraus beobachteten. Die damals 17-jährigen Frauen griffen ihn unvermittelt von hinten an. Zuerst stieß eine der beiden Heinz Mädel in den Rücken, schlug ihm die Mütze vom Kopf und zog ihn an den Haaren. Als er sich wehrte, riss ihn die andere Frau mit den Worten: „Lass meine Freundin in Ruhe!“ zu Boden.
Die beiden Frauen traten anschließend 13-mal auf den am Boden liegenden Mann ein, wobei sie Kopf und Oberkörper fokussierten. Sie ließen ihn liegen und gingen weiter. Als sie ihre vergessene Tasche holen wollten und sahen, wie jemand Heinz Mädel half, spotteten sie: „Seit wann bist du gegen uns? Seit wann hilfst du Schwulen?“
Heinz Mädel erlitt neun Rippenbrüche, Prellungsblutungen in beiden Lungenflügeln und ein Hämatom am Auge. Aus diesen Verletzungen und bestehenden organischen Vorschäden entwickelte sich eine tödliche Lungenentzündung, an der er am 1. Juli 1990 verstarb. Seine einzige direkte Aussage gegenüber der Polizei war: „Er habe sich nicht weiter gewehrt, um die Skinheads nicht zu provozieren, die sich selbst nicht beteiligt hätten, sondern nur zugesehen hätten.“ (Thüringer Allgemeine 1990, 143, 06.07.1990, S. 2)
Gerichtsprozess und Entpolitisierung der Tat
Die zwei Frauen waren nach Erfurt gefahren, um „etwas zu erleben“ und vor der Währungsunion ihr restliches DDR-Bargeld auszugeben. Sie tranken viel Alkohol (2,5 Promille) und trafen sich später mit einer Gruppe Jugendlicher an einem bekannten Treffpunkt für rechte Skinheads und Neonazis. Von dort aus beobachteten sie Heinz Mädel. Die Gruppe schaute der Tat zu, wobei die jungen Frauen die Gruppe offenbar beeindrucken wollten.
Am 3. Juli 1990 wurden die zwei Frauen festgenommen. Im Mai 1991 wurden sie wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge, bei alkoholbedingter Schuldunzurechnungsfähigkeit und unter Anwendung des DDR-Jugendstrafrechts, zu Bewährungsstrafen verurteilt (1 Jahr und 10 Monate sowie 1 Jahr und 6 Monate). Das Gericht folgte weitgehend den Ausführungen der Täterinnen. Weitere Zeugenaussagen, die beispielsweise die Verbindung zur umstehenden Gruppe betrafen, wurden verworfen.
Das Gericht konstatierte, dass den beiden Frauen die Tat „persönlichkeitsfremd“ sei und es eine „Ausnahme- oder Exzess-Handlung“ gewesen sei. In der Gesamtschau des Gerichtsprozesses zeigte sich die aktive Verneinung von gruppenbezogenen menschenfeindlichen Einstellungen als Tatmotiv für den Angriff auf Heinz Mädel. Ebenso wurde die Gruppendynamik dekonstruiert und die Tat zu einer Einzeltat ohne Vorläufer umgedeutet.
Fehlende Anerkennung und das Verblassen der Erinnerung
Nach der Tat berichtete die Lokalzeitung zunächst, doch Heinz Mädel verschwand bald aus dem Fokus der Berichterstattung. Über den Gerichtsprozess schwieg man, und auch überregional fand sein Fall nur einmal im stern Erwähnung.
Heute erinnert fast nichts mehr an Heinz Mädel. Die Amadeu Antonio Stiftung führt ihn in der Liste der Todesopfer rechter Gewalt. Eine offizielle Anerkennung durch die Bundesregierung wird ihm aber für immer verwehrt, da diese Fälle erst ab dem 3. Oktober 1990 erfasst.
Gemeinsam Heinz Mädel erinnern
Angehörige und Menschen, die Heinz Mädel kannten, sind herzlich eingeladen, sich bei uns zu melden. Ihre Geschichten machen das Bild des Verstorbenen persönlich und sind für die Aufarbeitung und die Erinnerung von unschätzbarem Wert.
Für lokale Initiativen und Gruppen, die sich an den betroffenen Orten engagieren und das Andenken an die Todesopfer bewahren möchten, gibt es Unterstützung. Sie können tiefer in die individuelle Recherche einsteigen und würdige Gedenkorte schaffen, wobei die Amadeu Antonio Stiftung auch finanzielle Hilfe bereitstellt.
Heinz Mädel wird in der Chronik der Todesopfer rechter Gewalt genannt, weil er aufgrund einer schwulenfeindlichen und sozialdarwinistischen Motivation der Täterinnen getötet wurde. Er wird jedoch außerhalb der Zählung geführt, weil eine Anerkennung von offizieller Seite durch die Bundesregierung ausgeschlossen werden kann. Die Bundesregierung führt eine Statistik über Todesopfer rechter Gewalt erst ab dem 3. Oktober 1990. Infolgedessen wird Heinz Mädel von der offiziellen Statistik nicht erfasst.