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Helmut Sackers

, 60 Jahre

Der 60-jährige Helmut Sackers wird am 29. April 2000 von einem Rechtsextrem im Treppenhaus eines Plattenbaus in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) erstochen.

Helmut Sackers wurde am 20. April 1940 in Kleve (Nordrhein-Westfalen) geboren. Er arbeitete als Fernfahrer und zog später nach Halberstadt in Sachsen-Anhalt. Sein Umfeld erlebte ihn als einen Menschen, der viel diskutierte, stets offen seine Meinung vertrat. Er war überzeugter Sozialdemokrat und glaubte an Toleranz und Demokratie.

Seine Courage endete tödlich

Am 29. April 2000 sitzt Helmut Sackers mit seiner Lebensgefährtin Heide Dannenberg zu Hause und hört, wie ein Nachbar lautstark verbotene, rechtsextreme Musik abspielt, darunter das verbotene „Horst-Wessel-Lied“. Er ruft die Polizei mit dem Hinweis: „Bei uns im Haus werden Nazilieder gespielt.“ Als die Polizei vor der Wohnung des 29-jährigen Nachbarn eintrifft, bittet sie ihn, die Musik leiser zu stellen. Am rechtsextremen Inhalt nimmt sie keinen Anstoß – und fährt wieder ab. Davor jedoch mischt sich Sackers ein: „Spielst Du noch einmal Nazilieder, erstatte ich Anzeige!“ Der Nachbar ist darüber verärgert und beschimpft Helmut Sackers als „Kommunist“. Eine Stunde später tötet der Rechtsextreme Helmut Sackers im Hausflur mit vier Messerstichen, Sackers verblutet im Treppenhaus.

Trotz belastender Funde wird der rechtsextreme Täter freigesprochen

Die Polizei nimmt den Täter fest und durchsucht seine Wohnung. Dabei findet sie mehr als 80 rechtsextreme CDs mit neonazistischen Kampfliedern u.a. von den Rechtsrockbands „Landser“ und „Freikorps“, Kassetten und Videos aus Produktionen des inzwischen verbotenen Neonazinetzwerks „Blood & Honour“, Videos mit Aufrufen zum Mord an politischen Gegnern sowie 90 neonazistische Propagandahefte. In einem Lied auf einer der rechtsextremen CDs wird dazu aufgerufen, „Kommunisten tot zu schlagen“. Seit Anfang der 1990er Jahre gehört der spätere Angeklagte, der am Tatabend ein Shirt der Neonaziband „Blue Eyed Devils“ trägt, außerdem zur lebhaften neonazistischen Szene in Halberstadt.

Trotz dieser Hinweise wird die Tat seitens Polizei und Staatsanwaltschaft als „Nachbarschaftsstreit“ dargestellt. In einem ersten Gerichtsverfahren im Jahre 2000 wird der Täter völlig überraschend freigesprochen. Das Gericht schenkt dem Angeklagten Glauben, nach dessen Aussage er in „Notwehr“ gehandelt habe, obwohl die Gerichte dem Angeklagten und seiner Verlobten zum Teil sogar Widersprüche und falsche Angaben nachweisen konnten. Das Urteil stützt sich auf die Aussage der einzigen Zeugin – der damaligen Verlobten und späteren Ehefrau des Täters.

Auch das Abspielen des Horst-Wessel-Lieds kann dem Mörder von Helmut Sackers nicht nachgewiesen werden. In einem zweiten Verfahren wird der Angeklagte erneut freigesprochen, obwohl spätestens in diesem das Lügengerüst des Täters zusammenfällt. Ein skandalöses Urteil, vor allem, weil der vorsitzende Richter Helmut Sackers noch für seine Zivilcourage lobt. Dennoch stuft das Gericht die vier Messerstiche gegen das 60-jährige Opfer als „intensiven Notwehrexzess“ ein. Mit diesem Urteil wird Helmut Sackers nicht nur eine Mitschuld unterstellt, er wird sogar zum Täter umgedeutet.

Helmut Sackers ist bis heute kein staatlich anerkanntes Opfer rechter Gewalt

Das Urteil sorgt bundesweit für Empörung. Bis heute engagiert sich Helmut Sackers‘ Lebensgefährtin Heide Dannenberg für das Gedenken an ihn. Am 14. Todestag, dem 29. April 2014, findet erstmals ein öffentliches Gedenken an Helmut Sackers statt. Rund 60 Menschen folgen einem Aufruf der »Initiative für ein würdiges Gedenken an Helmut Sackers«, die von jungen Engagierten aus der Harzregion gegründet worden ist. Langfristiges Ziel der Initiative und ihrer Unterstützer*innen ist es, in enger Abstimmung mit der ehemaligen Lebensgefährtin von Helmut Sackers einen öffentlichen Gedenkort in Halberstadt zu schaffen.

2012 ringt sich die Landesregierung Sachsen-Anhalt dazu durch, noch einmal bislang nicht-anerkannte Todesopfer rechter Gewalt in ihrem Bundesland neu zu prüfen. Obwohl das Innenministerium von Sachsen-Anhalt bei dem Tötungsdelikt an Helmut Sackers eine rechtsextreme Motivation sieht, bestehe jedoch keine Möglichkeit, den Fall in die Statistik aufzunehmen, da das Landgericht Halle den Täter freigesprochen hat, und somit rein juristisch kein Verbrechen vorliege.

Helmut Sackers zählt bis heute nicht zu den staatlich anerkannten Opfern rechter Gewalt.

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