In der Nacht zum 26. Juli 1994 ertrank der polnische Bauarbeiter Jan Wnenczak in der Spree in Berlin. Der 45-Jährige und ein 36-jähriger Freund wurden nach einem Streit mit einer Gruppe junger Männer ins Wasser getrieben und gewaltsam daran gehindert, ans Ufer zurückzuschwimmen. Die Tat wurde begleitet von rassistischen Beschimpfungen der Täter.
Jan Wnenczak war ein begnadeter Bauarbeiter
Jan Wnenczak lebte die meiste Zeit seines Lebens in Niedzica, einem kleinen Dorf im Süden Polens, unweit der slowakischen Grenze. Er war Bauarbeiter und half beim Bau einer Vielzahl von Gebäuden in seinem Heimatdorf und in den umliegenden Gemeinden. Neben einer Kirche errichtete Jan Wnenczak auch ein Haus für sich und seine Familie – er hatte eine Ehefrau und zwei Töchter. Seine Frau lebt noch heute in dem Haus.
Wie viele seiner Bekannten ging auch Jan Wnenczak vorübergehend nach Deutschland, um seine Fähigkeiten dort für eine bessere Bezahlung einzusetzen. 1994 kam er nach Berlin, um auf einer Baustelle zu arbeiten. Er lebte zu dieser Zeit in einer Gemeinschaftsunterkunft, die ihm von seinem Arbeitgeber zugewiesen wurde.
Sein Tod war ein großer Schock für seine Familie, der ihr gesamtes Leben verändert hat.
Täter verhöhntes das Opfer nach der Tat
Jan Wnenczak verbrachte den 25. Juli 1994 gemeinsam mit einem Freund am Ufer der Spree in Berlin-Friedrichshain. Die beiden waren erst vor kurzem aus Polen nach Berlin gekommen, um dort zu arbeiten. Es war ein heißer Sommertag, deshalb blieben die beiden Freunde bis zur Nacht am Wasser und tranken dort Alkohol.
In der Nacht traf eine Gruppe Jugendlicher im Alter zwischen 13 und 24 Jahren an derselben Stelle des Spreeufers ein, um dort baden zu gehen. Jan Wnenczak und sein Freund gerieten in einen Streit mit den Jugendlichen. Dem Gerichtsurteil und Medienberichten zufolge kam es dazu, weil Jan Wnenczak und sein Freund zwei Frauen aus der Gruppe belästigten und bedrängten. Der Freund Jan Wnenczaks bestritt dies später vor Gericht.
Es kam zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Jugendlichen und den beiden Männern, die jedoch ohne schwere Verletzungen beigelegt werden konnte. Ohne ersichtlichen Anlass fingen zwei Männer aus der Gruppe einige Zeit später erneut Streit mit Jan Wnenczak und seinem Freund an. Sie drängten die beiden, die mittlerweile unter erheblichem Alkoholeinfluss standen, ins tiefe Wasser der Spree. Der Rest der Gruppe beteiligte sich an dem Angriff. Zu acht hinderten sie Jan Wnenczak und seinen Freund gewaltsam daran, das Wasser zu verlassen. Immer wieder schlugen sie auf die beiden ein, schubsten sie und drängten sie tiefer ins Wasser. Dabei rief die Gruppe rassistische Bemerkungen wie „Polacken, verpisst euch“ und „lasst die Polen nicht raus“. Jan Wnenczak und sein Freund verloren bei den fortlaufenden Versuchen, das Ufer zu erreichen, zunehmend die Kraft. Da die Täter ihn nicht an Land ließen, versuchte Jan Wnenczak schließlich, das andere Ufer zu erreichen. Bei diesem Versuch ertrank er.
Das ganze Geschehen wurde von zwei Zivilpolizisten beobachtet. Sie sahen in der Auseinandersetzung nichts Auffälliges und griffen erst ein, als sie die rassistischen Rufe der Täter hörten. Der Freund Jan Wnenczaks konnte so gerettet werden – für ihn selbst kam die Hilfe zu spät. Den Tätern wurde noch am Tatort vom Tod Jan Wnenczaks berichtet. Darauf reagierten die Jugendlichen, mit zwei Ausnahmen, „keineswegs betroffen, sondern beinahe belustigt“, wie aus dem Gerichtsurteil hervorgeht.
Gericht erkannte kein rassistisches Motiv
Die Täter wurden noch am Tatort festgenommen. Am 5. Mai 1995 sprach das Landgericht Berlin die Urteile über die Angreifer. Drei Personen wurden wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu Freiheitsstrafen zwischen drei und vier Jahren verurteilt. Zwei weitere Personen wurden wegen Beihilfe zum genannten Delikt zu sechs bzw. neun Monaten Jugendstrafe verurteilt. Eine weitere Person erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Einer der Täter war zum Tatzeitpunkt noch nicht strafmündig.
Bei der Festnahme der Täter waren laut den Beamten Sätze wie „das ist ja nur ein Polacke“ gefallen. Trotz der rassistischen Aussagen der Täter während und nach der Tat erkannte das Gericht keine rassistische Tatmotivation.
Der schreckliche Mord an Jan Wnenczak ist bis heute nicht als rechter Mord anerkannt. Leider gibt es bisher keine aktive Gedenkarbeit zu Jan Wnenczak. In Niedzica, der kleinen polnischen Gemeinde, in der Jan Wnenczak lebte, wurde anlässlich seines 26. Todestages ein Gedenkgottesdienst abgehalten.