Der 49-jährige Klaus-Peter Beer wird in der Nacht zum 7. September 1995 in Amberg von zwei Neonazis ermordet. Nachdem die beiden Klaus-Peter Beer in einem Gasthaus zufällig treffen, beschließen sie, „es dem Schwulen zu zeigen“. In einem Park schlagen sie ihn brutal zusammen und treten mit ihren Springerstiefeln wiederholt auf seinen Kopf ein. Schließlich werfen sie Klaus-Peter Beers bewusstlosen Körper in die Vils, wo er ertrinkt.
Eine Kindheit zwischen Sehnsucht und Schweigen
Klaus-Peter Beer wurde am 8. August 1946 in Amberg geboren. Gemeinsam mit seiner Schwester Monika wuchs er in einfachen Verhältnissen auf, sein Vater arbeitete im Stahlwerk Luitpoldhütte. Schon als Kind liebte er Bücher, Musik und die Natur. Bereits früh begann er, Tagebuch und Gedichte zu schreiben, die seine innere Zerrissenheit widerspiegeln. In der Schule stellte er fest, dass er „anders“ liebt als seine Mitschüler und dass er sich „einfach nicht in Mädchen verlieben“ kann. Doch in einer Zeit, in der Homosexualität nicht nur als Sünde, sondern auch als Straftat galt, vertraute er sich niemandem an, außer seiner Schwester Monika.
„Hoffentlich sieht’s mir keiner an. Vor allem wegen meiner Eltern nicht. ‚Sieh mal: Das sind die Eltern von dem schwulen Peter‘. Mit Fingern wird man auf sie zeigen“, schreibt er 1965 in sein Tagebuch.
„Ich weiß genau was sie über einen wie mich denken: Schwuchtel, Tunte, usw. Wenn ich doch nur den Mut hätte. Seht her, ich bin auch so einer. Einer von denen.“
Trotz dieser inneren Kämpfe schaffte es Klaus-Peter Beer, sich ein Leben aufzubauen: Seine Nachbar*innen beschrieben ihn als ruhigen, freundlichen und hilfsbereiten Menschen. Er arbeitete als LKW- und Busfahrer, später als Taxifahrer in Frankfurt am Main. Seine Sehnsucht nach Liebe spielten in seinen Niederschriften immer eine große Rolle: „Durch diese Stadt zu fahren, macht Spaß. Das Gerede der Gäste, ihre Sorgen und Freuden. Was mir jetzt noch fehlt, ist die große Liebe meines Lebens. Zu wissen, da ist jemand, der an mich denkt, während ich durch die Stadt fahre. Sich freuen auf einen lieben Menschen, der mich, mich Peter liebt. Gott, wär das schön“, schreibt er 1980.
Doch die Angst lässt ihn weiterhin versteckt leben. „Mutig. Mutig. Sei mutig. Geh hin. Sag es. Was würde ich dafür geben, mit einem Mann hier aufzutauchen und allen zu sagen: den liebe ich und der liebt mich auch. In meinem nächsten Leben… vielleicht.“
Am Abend seiner Ermordung besucht Klaus-Peter Beer ein Gasthaus seiner Geburtsstadt Amberg. Dort trifft er auf seine späteren Mörder. Der Mord an Klaus-Peter Beer war ein gezielter Angriff auf einen Menschen, der aus Sicht der Täter „nicht normal“ war. Sie kannten Klaus-Peter Beer nicht, sondern ermordeten ihn – nicht aus Zufall – sondern, weil er als Mann andere Männer liebte. Sein Leben wurde ausgelöscht, weil er nicht in das rechtsextreme und queerfeindliche Weltbild der Neonazis passte.
Gerichtsurteil ohne Anerkennung des Hasses
Die beiden Mörder wurden gefasst, weil sie auf einem Konzert mit ihrer Tat geprahlt hatten. Das Gericht verurteilte sie nicht wegen Mordes, sondern lediglich wegen Totschlags – zu zwölf und acht Jahren Haft. Prozessbeobachter*innen berichteten von massiven Einschüchterungsversuchen durch Neonazis, Journalist*innen wurden bedroht, und der Vorsitzende Richter sprach von einem „Klima der Angst und des Terrors“.
Erst in der Revisionsverhandlung fand der Richter klare Worte: Die Täter hätten „dieselbe schreckliche Einstellung an den Tag gelegt, wie sie schon von 1933 bis 1945 in Deutschland vorherrschte“. Trotzdem konnte aufgrund des Verschlechterungsverbots keine höhere Strafe verhängt werden.
Im Zuge der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) wurde bekannt, dass einer der Mörder von Klaus-Peter Beer aus dem Gefängnis heraus Kontakt mit einer rechtsextremen Aktivistin hatte, die auch zum Unterstützungsnetzwerk des NSU gehörte. Sie engagiert sich für die rechtsextremistische „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG), die im September 2011 verboten wurde, und schreibt ihm Briefe. Die Rechtsextreme verhilft 1998 den drei Mitgliedern der Zwickauer Terrorzelle zu einem Unterschlupf, als diese per Haftbefehl gesucht werden. Beate Zschäpe, Rechtsterroristin des NSU-Kerntrios, nimmt zeitweise die Identität der Rechtsextremen an.
Das Bündnis gegen das Vergessen und der lange Kampf um Gedenken und Anerkennung
In Amberg wollte lange niemand von einer Neonazi-Szene sprechen – und auch an Klaus Peter Beer wurde nicht erinnert. Getragen wurde der Kampf um das Gedenken vor allem von Initiativen wie dem Bündnis gegen das Vergessen, das das Leben von Klaus-Peter Beer recherchiert und in einer umfangreichen Broschüre dokumentiert hat.
Im September 2010 übergab die ver.di Jugend eine Gedenktafel symbolisch an die Stadt. Es war die erste sichtbare Erinnerung an Klaus-Dieter Beer. Die Übergabe fand im Rahmen einer Gedenkkundgebung statt, die von circa 40 Neonazis gestört wurde. Wenige Tage später war die Tafel bereits wieder von Unbekannten entfernt worden, und Aufkleber des verbotenen rechtsextremen Kameradschaftsnetzwerks ‚Freies Netz Süd‘ fanden sich an dessen Stelle. Nach langen Kämpfen des Bündnis gegen das Vergessen wurde von der Lokalpolitik beschlossen, eine Gedenktafel am Tatort anbringen zu lassen. Das Bündnis fordert darüber hinaus, einen Platz oder eine Straße in Klaus-Peter Beers Gedenken umzubenennen.
Erst 2020 wurde der Mord vom Landeskriminalamt Bayern als rechtsmotivierte Gewalttat in die polizeiliche Kriminalstatistik aufgenommen und Klaus-Peter Beer damit als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.