Nguyễn Văn Tú wurde am 24. April 1992 vor den Augen vieler Passant:innen in Berlin-Marzahn ermordet. Zuvor kam es zu einem Angriff weißer deutscher Jugendlicher auf Vietnames*innen, die vor einem Supermarkt am Brodowiner Ring Verkaufsstände betrieben. Der 29-jährige Nguyễn Văn Tú stellte die Angreifer zur Rede – und wurde von dem 21-jährigen Täter unvermittelt mit einem Butterflymesser attackiert.
Als Vertragsarbeiter in der DDR
Nguyễn Văn Tú kam im Jahr 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR und arbeitete zunächst im Gummikombinat im thüringischen Waltershausen. Ein Großteil seiner Einkünfte schickte er an seine Eltern und Geschwister in Vietnam.
Für die meisten ehemaligen Vertragsarbeiter*innen war die Wiedervereinigung geprägt von einem Verlust von Beruf und Aufenthaltsstatus – so auch für Nguyễn Văn Tú. Er verlor 1990 seine Beschäftigung und zum Ende des Jahre 1992 seine Aufenthaltsgenehmigung.
Täter stand der rechtsextremen DVU nahe
Gegenüber der Polizei sagte der Täter bei der Vernehmung: „Also, ich fühl‘ mich der DVU zugehörig, weil es eine rechte Partei ist und weil se was gegen Ausländer noch tut, die Straftaten verüben.“ Das Gericht erkannte politische Motive und sprach von einem Fall von Selbstjustiz vor dem Hintergrund „fremdenfeindlicher“ Ressentiments. Der Angeklagte wie auch die Gruppe, mit der er unterwegs war, pflegten rassistische Bezeichnungen für Vietnames*innen zu nutzen.
Das Gericht stellte fest, dass der Täter nur deshalb angriff, weil er sich daran störte, dass vietnamesische Händler*innen unversteuerte Zigaretten verkaufte. Im Urteil hieß es dazu: „Selbstjustiz, vor dem Hintergrund nationalistischer Überheblichkeit gegen die fremde Rasse oder Nationalität der Händler […], sowie Wut und Empörung waren die Motive, die den Angeklagten veranlassten zuzustechen“
Der Täter wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.
Breites antirassistisches Gedenken
In den Wochen nach dem Mord fanden in Berlin-Marzahn antirassistische Demonstrationen statt und auch eine Gedenktafel wurde bereits kurz nach der Tat angebracht – jedoch wenige Wochen später zerstört. Seitdem kämpfen Engagierte für die offizielle Anbringung einer Gedenktafel und halten die Erinnerung an Nguyễn Văn Tú wach. Anfang 2021 wurde die Anbringung einer solchen Gedenktafel schließlich im Rahmen einer Bürgerabstimmung beschlossen.