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Nuno João Fontinha Lourenço

, 49 Jahre (staatlich anerkannt)

Am 4. Juli 1998 wird der portugiesische Zimmermann Nuno João Fontinha Lourenço in Markkleeberg-Gaschwitz (Sachsen) von einer Gruppe junger Neonazis verprügelt und schwer verletzt. Nuno Lourenço stirbt am 29. Dezember in Portugal an den Spätfolgen seiner Verletzungen.

Nuno João Fontinha Lourenço wird 1949 in Mondrões im Norden Portugals geboren. Lourenço kommt aus prekären Verhältnissen und verlässt schon als Zehnjähriger das Dorf, um zum Arbeiten nach Lissabon zu gehen. Er schickt der Familie regelmäßig Geld, um die Mutter und die vier Geschwister zu unterstützen. Im Dezember 1973 heiratet er seine Frau Noémia Fontinha, die ihn als liebevollen Ehemann und fürsorglichen Vater für die beiden Söhne beschreibt. Nuno Lourenço wird zum Militärdienst in die portugiesische Kolonie Angola eingezogen und kämpft dort im Unabhängigkeitskrieg. 1998 war Lourenço vorübergehend nach Deutschland gekommen, um für ein halbes Jahr als Zimmermann beim Bau des MDR-Geländes in Leipzig zu arbeiten.

Nachdem am Abend des 4. Juli das deutsche Nationalteam bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer gegen die Auswahl aus Kroatien verloren hat, ziehen acht junge Männer zwischen 15 und 20 Jahren los, um ihren Frust abzulassen, indem sie „Ausländer hacken“.

Nuno Lourenço ist in Begleitung von vier weiteren portugiesischen Bauarbeitern auf dem Weg zum Arbeiterwohnheim Großdeuben. Es ist Lourenços 49. Geburtstag, aus einer Telefonzelle telefoniert er mit seiner Frau in Portugal. Im Hintergrund ist Gegröle zu hören, Lourenço sagt „O mein Gott, sie bringen mich um!“, dann endet das Gespräch.

Mit Rufen wie „Die schnappen wir uns!“ und „Blöde Ausländer, Scheiß-Ausländer, verpisst euch.“ schlagen die mit Eisenketten bewaffneten Täter auf die Gruppe Portugiesen ein. Während Lourenços Kollegen fliehen können, schnüren die Täter Nuno Lourenço die Kehle zu, bis er zu Boden geht. Sie treten mit Stahlkappenschuhen mehrmals gegen Lourenços Oberkörper und seinen Kopf.

Mit schweren Verletzungen und inneren Blutungen wird Nuno Lourenço in ein Leipziger Krankenhaus gebracht. Er kehrt nach Portugal zurück und leidet fortan unter Depressionen, Ängsten, Schlaf- und Essstörungen, er wird mehrfach in die Psychiatrie eingewiesen. Seine Frau muss ihn pflegen, Nuno Lourenço kann sich irgendwann nicht mehr aus eigener Kraft bewegen.Am 29. Dezember stirbt Nuno Lourenço in Portugal an den Spätfolgen seiner Verletzungen. Es ist der Tag der Silberhochzeit von ihm und seiner Frau Noémia Fontinha.

Das Landgericht Leipzig wertet die Tat im September 1999 nicht als versuchten Totschlag, sondern lediglich als Körperverletzung mit Todesfolge. Zwar sei Nuno Lourenço an den Folgen der Tat gestorben, doch sei nicht nachweisbar, dass die Angeklagten seinen Tod billigend in Kauf genommen oder mit Vorsatz gehandelt hätten. Dabei hatte der Haupttäter im Nachgang der Tat noch gesagt: „Hätte ich ein Messer gehabt, hätte ich dieses Schwein abgestochen.“

Der 21-jährige Haupttäter wird zu einer Jugendstrafe von vier Jahren Gefängnis verurteilt, die Mitangeklagten im Alter zwischen 15 und 20 Jahren erhalten Bewährungsstrafen und gemeinnützige Arbeitsstunden.

Nuno Lourenços Ehefrau Noémia verfolgt den Prozess als Nebenklägerin. Vor Gericht sagt sie: „Mein Mann hat den Krieg in Angola überlebt, aber nicht seinen Einsatz als Bauarbeiter in Deutschland.“ Die Verkündung des Urteils gleicht einem Skandal: Der zuständige Richter hat es unterlassen, einen Termin für den Haftantritt zu bestimmen, weshalb der Haupttäter zunächst auf freiem Fuß bleibt. Erst als das ARD-Magazin „Monitor“ dies öffentlich macht, wird der tatsächliche Vollzug der Haftstrafe angeordnet.

Obwohl der zuständige Richter der Witwe Lourenços versichert, dass ihr die Kosten der Nebenklage nicht auferlegt werden, habe es die Kammer „versehentlich unterlassen“ über die Kosten der Nebenklage zu entscheiden, ein klarer Verstoß gegen die Strafprozessordnung. Noémia Fontinha bleibt deshalb auf den Kosten von über 17.500 Euro sitzen, die unter anderem für die Unterbringung und Fahrtkosten der Zeugen*innen aus Portugal anfielen. Gleichzeitig wurde, anders als üblich, darauf verzichtet, den Verurteilten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Auch das Schmerzensgeld, zu dem die Täter verurteilt wurden, wurde nie bezahlt.

Der Initiativkreis Antirassismus Leipzig hat ausführlich zu Leben und Schicksal von Nuno Lourenço recherchiert und engagiert sich für ein zivilgesellschaftliches Gedenken an ihn, unter anderem mit der Ausstellung „Opfer rechter Gewalt in Leipzig seit 1990“.

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