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Theodoros Boulgarides

, 41 Jahre (staatlich anerkannt)

Der 41-jährige Theodoros Boulgarides wurde am 15. Juni 2005 vom sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) in München ermordet.

Theodoros Boulgarides war Inhaber eines Schlüsseldienstes in München-Westend. Er arbeitete am 15. Juni hinter der Ladentheke, als Mitglieder des „NSU“ das Geschäft betraten und ihn mit drei gezielten Kopfschüssen aus nächste Nähe ermordeten. Sein Geschäftspartner wunderte sich darüber, dass Theodoros Boulgarides nicht ans Telefon ging und suchte ihn. Er fand seine Leiche hinter der Ladentheke.

„Das waren doch alles anständige Menschen. Warum wurden sie nicht respektiert?“

Theodoros Boulgarides wurde 1964 in Triantafyllia in Griechenland geboren. Anfang der 1970er Jahre zogen er und sein zweijähriger Bruder nach Deutschland. Seine Eltern lebten und arbeiteten zu diesem Zeitpunkt bereits in München. In Deutschland machte Theodoros Boulgarides sein Abitur, anschließend ging er für kurze Zeit zurück nach Griechenland, um seinen Militärdienst abzuleisten. Wieder in Deutschland absolvierte er eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann – anschließend arbeitete er bei der Firma Siemens. Während dieses Jobs lernte Theodoros Boulgarides seine spätere Frau kennen, mit der er 1987 und 1990 zwei Töchter bekam. Nach seinem Job bei Siemens arbeitete er über zehn Jahre bei der Deutschen Bahn. Am 01. Juni 2005, zwei Wochen vor seiner Ermordung, eröffnete Theodoros Boulgarides gemeinsam mit einem Partner den Schlüsseldienst „Schlüsselwerk“.

Sein Bruder sagte über ihn: „Das waren doch alles anständige Menschen. Warum wurden sie nicht respektiert? Mein Bruder hatte eine deutsche Frau, zog seine Kinder deutsch groß, war Stammgast bei 1860 München. Er hat seine Steuern gezahlt, hat keinem etwas getan, im Gegenteil. Bevor er sich selbstständig gemacht hat, war er Fahrkartenkontrolleur, und er hat viele Leute nicht aufgeschrieben“

Ermittlungsbehörden versagen bei der Aufklärung der „NSU“-Morde

Wie auch bei den anderen Morden des „NSU“ an Menschen mit einer Migrationsgeschichte, ermittelte die Polizei auch bei der Ermordung Theodoros Boulgarides im direkten Umfeld des Opfers – nicht in rechtsextremen Kreisen. Die Ermittlungsbehörden vermuteten, Theodoros Boulgarides hätte Verbindungen zur „Mafia“, zu Prostitutionsringen und ins Drogengeschäft. Damit stigmatisierten die Ermittlungsbehörden die Familie des Opfers und offenbarten vorurteilsgeleitetes Ermittlungsverhalten. Die Boulevard-Presse titelte nach dem Mord: „Türken-Mafia schlug wieder zu“.

Im Jahr 2011 kam es zur Selbstenttarnung des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“. Die beiden Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wurden im November 2011 gemeinsam mit einer Tatwaffe tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden. Beate Zschäpe, die ebenfalls als Teil des sogenannten Kerntrios der Terrorzelle gilt, verschickte daraufhin Videos, in denen sich der „NSU“ zu den Morden an insgesamt 10 Menschen bekannte. Dieses Ereignis offenbarte das jahrelange Versagen der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden, die die Angehörigen schikanierten, statt in Richtung rechtsextremer Tatmotive zu ermitteln, und die etliche Hinweise auf die Terrorzelle missachteten.

Am 08. November 2012 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des sogenannten „NSU“. Am 11. Juli 2018 verhängte das Oberlandesgericht München eine lebenslange Haftstrafe für Beate Zschäpe. Die „Helfer“ wurden zu Haftstrafen von zwei, zweieinhalb, drei und zehn Jahren verurteilt.

Der Prozess lässt viele Fragen offen – beispielsweise nach dem rechtsextremen Unterstützungsnetzwerk der Terrorzelle oder danach, welche Informationen Sicherheitsbehörden wie der Verfassungsschutz über die Terrorzelle hatten.

Zivilgesellschaftliche Initiativen halten die Erinnerung die Opfer des „NSU“ wach

Angehörige und zivilgesellschaftliche Initiativen streiten seit Jahren für eine umfassende Aufklärung der Morde des „NSU“ und für die Etablierung einer würdigen Erinnerungskultur.

An der Hauswand des Tatorts erinnert heute eine Gedenktafel an Theodoros Boulgarides. Jährlich finden Gedenkveranstaltungen in München und anderen Städten statt.

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