Weiter zum Inhalt

Pressemitteilung

Urteil im Prozess gegen Xavier Naidoo: Herber Rückschlag für die Meinungsfreiheit

© Michael Thurm via flickr cc

Berlin, 24.10.2019. In dem Prozess Xavier Naidoos gegen eine Referentin der Amadeu Antonio Stiftung vor dem Oberlandesgericht Nürnberg wurde am 22. Oktober das Urteil verkündet. Das Gericht wies die Berufung gegen das Urteil der ersten Instanz zurück. Es bleibt der Referentin vorerst verboten, Herrn Naidoo als Antisemiten und dies als strukturell nachweisbar zu beurteilen.

In seinem Urteil kommt das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis, dass die Meinungsfreiheit der Referentin weniger schutzwürdig ist, als das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Sängers – und das, obwohl das Gericht die Aussage der Referentin als sachbezogene Meinungsäußerung versteht und bestätigt, dass sich Naidoo als Person des öffentlichen Lebens der Diskussion um seine Äußerungen stellen muss.

„Es ist ein fatales Urteil, da hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Offenbar ist es hierzulande weit schlimmer, als Antisemit bezeichnet zu werden, als sich tatsächlich antisemitisch zu äußern“, kritisiert Anetta Kahane, Vorsitzende des Vorstands der Amadeu Antonio Stiftung. „Andere Personen des öffentlichen Lebens müssen sich nach Auffassung deutscher Gerichte auf zutiefst menschenverachtende und rassistische Weise beschimpfen lassen, doch die Bezeichnung als Antisemit scheint eine der schlimmsten Beleidigungen zu sein – selbst wenn man sich antisemitisch äußert“, führt Kahane aus. Zuletzt urteilte das Berliner Landgericht, dass die Politikerin Renate Künast frauenverachtende Beleidigungen hinnehmen müsse.

„Die von der Mitarbeiterin kritisierten antisemitischen und verschwörungsideologischen Aussagen ähneln dem Weltbild des Attentäters von Halle, der von einer jüdischen Weltverschwörung überzeugt war. Wenn nicht einmal jetzt Gerichte erkennen, wo Antisemitismus anfängt und wie er sich äußert, ist das ein Skandal“, so Kahane weiter.

Die Amadeu Antonio Stiftung hält es für unerlässlich, in einer sachbezogenen Auseinandersetzung antisemitische Äußerungen und Verschwörungserzählungen auch als solche zu bezeichnen. „Die Entscheidung des Gerichts ist ein herber Rückschlag für die Meinungsfreiheit und die politische Bildung“, urteilt Kahane.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es wird nun sorgfältig geprüft, ob weitere rechtliche Schritte eingeleitet werden.

Zum Hintergrund:
Die betroffene Referentin war während eines Vortrags zu „Reichsbürgern“, Selbstverwaltern und Souveränisten im Juli 2017 in Straubing vom Publikum zu ihrer Einschätzung Naidoos gefragt worden. In Straubing hatte es zuvor zivilgesellschaftliche Proteste gegen einen Auftritt der Söhne Mannheims – zu denen auch Xavier Naidoo gehört – gegeben. Die Referentin der Amadeu Antonio Stiftung stützt ihre Meinung unter anderem auf Textzeilen verschiedener Lieder Xavier Naidoos und der Söhne Mannheims, die ihrer Ansicht nach antisemitische Stereotype und Welterklärungen wiedergeben. Naidoo und die Söhne Mannheims waren zuvor durch ihren Song „Marionetten“ in die öffentliche Kritik geraten.

Über die Amadeu Antonio Stiftung: Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

Weiterlesen

Rückblick_Antisemitismus

Antisemitismus 2025: Die Geiseln sind frei, der Hass bleibt

Die antisemitischen Vorfälle haben 2025 ein neues Hoch erreicht. Und das, obwohl mit dem Waffenstillstand im Nahen Osten die antisemitischen Massenmobilisierungen ihren Zenit überschritten haben. Jüdisches Leben ist ständig bedroht, wie zuletzt der Terroranschlag auf eine Chanukka-Feier in Sydney verdeutlicht. Und niemand sollte die rechtsextreme Raumnahme unterschätzen, die in Deutschland schon immer mit einer Zunahme an Antisemitismus einherging.

Projektförderung Bilanz 2025 Beitragsbild
Hier wirkt deine Spende

Menschenwürde verteidigen: Hier macht deine Spende einen echten Unterschied!

Die demokratische Zivilgesellschaft steht bundesweit unter Druck, Angriffe und Diffamierungen haben sich in 2025 weiter zugespitzt. Engagierte Menschen bleiben trotzdem stabil und kämpfen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus – für die Werte des Grundgesetzes und eine lebendige Demokratie. Die Amadeu Antonio Stiftung fördert und unterstützt sie dank zahlreicher Spender*innen.

Bleib informiert!

Melde dich jetzt zum Newsletter an und verpasse keine unserer nächsten Publikationen!

Schön, dass du dich für unsere Publikation interessierst! In unserem monatlichen Newsletter erhältst du spannende Einblicke in den Alltag demokratischer Zivilgesellschaft und in unsere Arbeit.

    Mit dem Absenden des Formulars erkläre ich mich mit der Verarbeitung meiner Daten gemäß der Datenschutzerklärung einverstanden und erhalte den Newsletter. Ich kann meine Einwilligung jederzeit über den Abmeldelink im Newsletter widerrufen.

    Publikation bestellen Direkt zum PDF