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verschwörung.info

Wissen, Formate und Empfehlungen zum Umgang mit Verschwörungsideologien und Antisemitismus

Debunk ist ein pädagogisches Projekt mit dem Ziel, die Funktionsweise von Verschwörungsideologien und Antisemitismus Jugendlichen, jungen Erwachsenen sowie pädagogischen Fachkräften zu vermitteln… [mehr]

… Verschwörungsideologien stellen komplexe gesellschaftliche Ereignisse oder Prozesse als Teil einer „jüdischen Weltverschwörung“ dar und bieten autoritäre Lösungsvorschläge an, die sich gegen Minderheiten und die Grundwerte einer freien und offenen Gesellschaft richten. Gerade für Jugendliche und junge Erwachsene sind sie attraktiv: Als Gesellschaftskritik getarnt, werden Antisemitismus und Verschwörungsideologien zum vermeintlichen Ausdruck der Auflehnung gegen reale oder erdachte Autoritäten. Antisemitische Codes, wie beispielsweise das Bild einer geheimen Macht im Hintergrund, zu nutzen und sich als „gute*r Widerstandskämpfer*in“ zu inszenieren, wirkt für junge Leute in der Suche nach Identifikation anziehend. Beides verschleiert den zugrundeliegenden Antisemitismus und ein „sanfter“ Weg zur Radikalisierung kann geebnet sein. Debunk hat sich zum Ziel gemacht Verschwörungsideologien ihre Anziehungskraft für Jugendliche und junge Erwachsene zu nehmen. Während der Projektlaufzeit 2020 bis 2024 wurden konkrete Bildungsangebote in Form multimedialer Produkte erstellt. In Projekttagen und Workshops wurden Jugendliche, junge Erwachsene und Lehrkräfte

darin geschult, antisemitische, verschwörungsideologische und andere antidemokratische Inhalte zu erkennen und sensibilisierte für deren manipulativen Charakter. Das entstandene und bei den Projektveranstaltungen  genutzte Material wird nun Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften sowie Multiplikator*innen der Politischen Bildung zugänglich gemacht. Damit werden diese für die eigene Arbeit und Auseinandersetzung mit Verschwörungsideologien oder Antisemitismus nachhaltig unterstützt.

Formate

Publikationen

Empfehlungen

Ein Kernziel des Projektes bestand darin, verschiedene Formate zu entwickeln, mithilfe derer Jugendliche befähigt werden sollen, die Funktionsweise von Verschwörungsideologien zu verstehen und diesen entgegenzutreten.

Die entwickelten Formate reichen von Workshopkonzepten, die pädagogischen Fachkräften als Anleitung bereitgestellt werden, bis hin zum Verschwörungschecker, mit dem Jugendliche selbst Narrative darauf prüfen können, ob es sich bei ihnen um eine Verschwörungserzählung handeln könnte.

Planspiel Die Welt am Abgrund

Der VerschwörungsChecker

Workshop Die ganze Welt – ein düsterer Ort voller Verschwörungen?

Kartenset für die Fächer Gemeinschaftskunde, Politik, Sozialwissenschaften

Fortbildung für Lehrkräfte

Debunk veröffentlichte während der Projektlaufzeit verschiedene fachspezifische Publikationen. Von der kooperativen Veröffentlichung einer Metastudie zur Verschwörungsmentalität im Jugendalter mit dem Else-Frenkel-Brunswik Institut bis hin zu einem Lernplakat, das Jugendliche dafür sensibilisieren soll, wo ihnen Verschwörungserzählungen begegnen und wie sie darauf reagieren können.

An dieser Stelle möchten wir einige Empfehlungen für die Bildungsarbeit zu Verschwörungsideologien mit der Zielgruppe Jugendliche und junge Erwachsene aussprechen. Neben der Bildungsarbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen bietet die Amadeu Antonio Stiftung auch Empfehlungen für die Bildungsarbeit mit Erwachsenen in der Broschüre Entschwörung mit Format. Neue Wege der Erwachsenenbildung.

Die Teilnehmenden einer Veranstaltung oder die Leser*innen einer Handreichung wissen, dass der Begriff Verschwörungstheorie ungenau ist und eine stärkere Differenzierung erfordert. Bewährt hat sich beispielsweise das Modell des Politikwissenschaftlers Armin Pfahl-Traughber. Es unterscheidet zwischen einer realen Verschwörung, einem Verschwörungsverdacht (Verschwörungshypothese) und einer Verschwörungsideologie. Mit Hilfe des Modells können die Teilnehmenden verschiedene Verschwörungserzählungen, die ihnen im Alltag begegnen (z.B. „Labor-Theorie“ oder „9/11“) einordnen. Der Begriff Verschwörungsideologie ermöglicht es, das Muster der spezifisch demokratie- und menschenfeindlichen Varianten von Verschwörungserzählungen zu erkennen und diese im Alltag zu kritisieren. Dabei sollte auch auf den antisemitischen Grundton hingewiesen werden.


Junge Menschen machen in der Regel frühe Erfahrung mit Verschwörungserzählungen. Wahlweise weil diese Gegenstand der Unterhaltungsindustrie sind (bspw. „Außerirdische auf der Erde“) oder weil radikale Akteur*innen Jugendliche als Zielgruppe haben (bspw. rechtsextreme Organisationen).

Bildungsveranstaltungen oder Aufklärung im Netz sollte junge Menschen dort abholen, wo sie diese Erfahrungen machen. Anstelle von abstrakten oder weit entfernten Beispielen, sollte über die Inhalte gesprochen werden, die gerade aktuell für junge Menschen sind (bspw. Verschwörungserzählungen in Zusammenhang mit Pop-Kultur oder Gender/Geschlecht). Dabei kann und sollte auch mit den Jugendlichen über die Konsequenzen und Gefahren gesprochen werden, die durch die Verbreitung entstehen.


Verschwörungserzählungen verhaften auch deswegen bei vielen Menschen, weil diese positive wie negative Gefühle wachrütteln, die wichtig sind: In der Fachsprache ist von affektiven Funktionen die Rede. Am wichtigsten ist dabei das Gefühl beziehungsweise das Bedürfnis nach Identifikation sowie Erkenntnis oder Sinnstiftung. Die Überforderung, die viele Menschen mit der modernen Welt spüren, führt beispielsweise zu der Sehnsucht nach eindeutigen Mustern oder Erklärungsansätzen, wie sie in Verschwörungserzählungen zu finden sind. Genau über diese Aspekte sollte gesprochen werden. Eine Grundfrage dabei lautet: “Wie nimmst du die Welt wahr, in der wir leben?” oder „Woher kommt das Bedürfnis nach Eindeutigkeit oder Klarheit, wenn du auf die Welt blickst?“


Es mag zwar für manche witzig oder unterhaltsam sein, einem “Flat-Earthler” bei TikTok zu folgen oder sich einen Vortrag von Daniele Ganser bei YouTube anzusehen, es darf aber dabei nicht vergessen werden: In der Regel fördern Verschwörungsideologien negative Gefühle und Empfindungen in Bezug auf die demokratische und liberale Gesellschaft, in der wir leben. Politiker*innen oder Wissenschaftler*innen erscheinen dadurch als Betrüger*in oder Lügner*in. Geflüchtete als Invasor*innen oder LGBTQI Personen als Gefahr für Kinder.  Indirekt wird auch zum Widerstand oder Gewalt gegen Menschen aufgerufen. Insbesondere antisemitische Gefühle nehmen zu und richten sich bei manchen Menschen direkt gegen jüdische Personen.


Anhand des Beispiels zahlreicher politisch motivierter Gewalttaten können konkrete Gefahren, die von Verschwörungsideologien ausgehen, vermittelt werden. Die Geschichte des Attentäters von Halle/Saale, der am 9. Oktober 2019 versuchte, bewaffnet in eine Synagoge einzudringen, um dort möglichst viele jüdische Personen zu ermorden, zeigt den potenziell tödlichen Charakter von Verschwörungsideologien. Der Konsum von Hass, Hetze und Desinformation in Online-Welten oder auch in der direkten Umgebung von Menschen, kann zur Legitimation und Anwendung von Gewalt führen. Es ist wichtig, dass junge Menschen diese konkreten Gefahren für sich oder auch ihre Umfelder kennen.


Altes, reaktionäres Wissen wird durch vermeintlich aktuelle Verschwörungserzählungen erneuert. Seit jeher diente die Verbreitung von Verschwörungserzählungen dem Machterhalt oder Machterwerb von Menschen. In der deutschen Geschichte finden sich viele Beispiele. Indem junge Menschen konkrete Beispiele für die historische Verwendung von Verschwörungsideologie kennen (bspw. die Dolchstoßlegende in den 1920er Jahren beförderte den Aufstieg der NSDAP in den 1930er Jahren), sind sie auch besser in der Lage, die Neuauflagen in der heutigen Zeit zu erkennen. Das gilt besonders auch für antisemitische Ideologien wie beispielsweise die Verbindung aus mittelalterlicher Ritualmordlegende und QAnon-Mythos in unserer Zeit.  


Der Konsum von Verschwörungsideologien regt nicht zur aktiven Gestaltung der eigenen Umgebung an: Radikale Akteur*innen, welche Verschwörungsideologie vermitteln, wollen zwar die Wut und die Empörung von Menschen mobilisieren, sie wollen diese aber nicht zu aktiven Gestalter*innen der eigenen Umwelt werden lassen. Dies kann in der Bildungsarbeit genutzt werden! Hilfreich ist, wenn konkret über Missstände oder Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen gesprochen wird. Veranstaltungen oder Handreichungen sollten Hilfestellungen bieten, wie man vom passiven zum aktiven Gestalter*in werden kann. Indem Erfahrungen der Selbstwirksamkeit angeregt oder erzeugt werden, kann Verschwörungsdenken reduziert und Teilhabe gefördert werden.


Verschwörungsideologien führen zwar manchmal zur Sprachlosigkeit, es gibt aber Hilfe! Indem durch die Bildungsangebote konkret an der Frage gearbeitet wird, was jede*r machen kann, der mit Verschwörungsideologie konfrontiert ist, kann zugleich die Motivation zum Gegen-Handeln erhöht werden. Die Palette reicht von relativ einfachen Handlungen, wie der Meldung eines Inhalts auf den Online-Plattformen, über die Kenntnis und Nutzung von Beratungsangeboten bis hin zum geübten Gegen-Argumentieren. Inzwischen stehen auch einige Hilfsangebote im Internet zur Verfügung. Hier kann beispielsweise das Debunking geübt oder das Prebunking genutzt werden.


Verschwörungsideologien reagieren auf die Unübersichtlichkeit und das manchmal vorhandene Chaos in der Welt mit scheinbarer Klarheit und Einheitlichkeit. Das schafft bei manchen das Gefühl von Orientierung, Kontrolle oder Sicherheit. Bildungsangebote sollten hierauf nicht mit eigenem vereinfachten Denken reagieren. Ein beliebter Mechanismus lautet: Hinter jeder Verschwörungsideologie stecken ausschließlich Lügen und die Unwahrheit. In dem Sinne erscheinen Menschen, die verschwörungsideologisch denken oder fühlen als weniger intelligent oder kompetent. Anstelle des verschwörungsideologischen Denkens muss aber die Befähigung zur Ambiguität also Mehrdeutigkeit oder Uneindeutigkeit treten. Dies kann z.B. durch das Frage-Antwort-Verhalten der Trainer*innen oder die Analyse aktueller Ereignisse vorbildhaft vorgelebt werden. Auch kann verdeutlicht werden, wie sich Wissen und Erkenntnis über die Zeit verändert haben.


Es gibt in Deutschland ein großes Milieu von Magazinen, Internetseiten, Social-Media-Profilen, politischen Akteur*innen oder Vortragenden, welche Verschwörungsideologien professionell verbreiten. Indem sich Teilnehmende damit auseinandersetzen und bspw. deren Verstrickung in radikale Kreise erkennen, können diese gewarnt werden. Zugleich sollte darauf geachtet werden, dass die Webseiten, Social-Media-Kanäle etc. nicht noch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Es wird empfohlen, keine unnötige Werbung zu betreiben und Autor*innen nur dann zu nennen, wenn es der Aufklärung dienlich ist. Ein positives Beispiel hierfür ist das Online-Tool Swipe Away der Amadeu Antonio Stiftung.


Grafiken: Mandy Münster

Redaktionsleitung: Sophie Nissen

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