Für dieses Jahr hatte sich die Banda Internationale aus Dresden einiges vorgenommen. Dann kam die Corona-Krise, und alle Pläne hatten ein jähes Ende. Anstatt Rechtsradikalen mit Blasmusik zu widersprechen, Workshops in Schulen zu geben oder sich für Proben zu treffen, sitzen die 16 Mitglieder der Dresdner Brassband jetzt zu Hause.
„Ich vermisse es so sehr, auf die Straße zu gehen, um laut gegen Hassverbrecher zu spielen“, berichtet Thabet. Seit er 2015 in Dresden angekommen ist, musiziert er in der Kapelle. Wie er zur Banda kam? „Eigentlich wollte ich nur meine Oud reparieren lassen, die beim Transport aus der Türkei nach Deutschland kaputtgegangen ist“, erzählt der Medizinstudent aus Syrien. Auf der Suche nach einem Gitarrenbauer findet er sich in der Küche von Klarinettist Michal wieder, und probt noch am selben Donnerstagabend mit der Banda Internationale.
Als Banda, damals noch mit dem Zusatz “Comunale”, haben sich die Dresdner Musiker bereits 2001 gegründet – um am 13. Februar gegen den größten Neonaziaufmarsch Deutschlands in den Straßen ihrer Stadt anzuspielen. Michal war von Anfang an dabei. Über die Jahre wurde aus der Demo-Band ein gefragtes Ensemble mit mehr als 50 Konzerten im Jahr. Seit Beginn der Pegida-Demonstrationen in der sächsischen Landeshauptstadt haben die engagierten Musiker noch mehr zu tun als zuvor.
„Wir wollen durch Musik Berührungsängste abbauen“, erklärt Thabet. Seit drei Jahren tourt die Band dafür durch Sachsen und bietet Workshops an Schulen an. Gerade in ländlichen Regionen, wo es wenig Angebote gibt und Jugendzentren häufig von Rechtsradikalen unterlaufen sind, füllen sie eine Leerstelle. „Es ist mehrmals passiert, dass wir an eine Schule in irgendeinem Dorf kamen und die Kinder in ihrem ganzen Leben noch keinen Ausländer gesehen hatten – und trotzdem hatten sie Angst“, erzählt Thabet. „Sie hören eine Fluchtgeschichte, lernen Instrumente aus anderen Ländern kennen, lernen Menschen kennen, die hier eine neue Heimat gefunden haben“, erklärt Michal.
Als Thabet mit seiner Oud in Chemnitz auftritt, ist eine Grundschülerin aus einem der Workshops unter den Konzertbesucher*innen. Sie hat ihre Mutter mitgebracht. Erklärt, woher die Oud kommt und dass die mesopotamische Gitarre die Mutter aller Saiteninstrumente ist. Das hat sie im Banda-Workshop gelernt. „Ich war sehr beeindruckt“, erzählt Thabet und ist überzeugt: „Ein Kind, das ein solches Erlebnis hatte, nach rechts zu schieben, wird nicht so einfach sein“.
Die Band erreichen mehr Anfragen als sie beantworten kann – und das, obwohl die initiierenden Lehrer*innen häufig auf Widerstände im Kollegium stoßen „Wir sind nicht irgendeine Folkband, sondern eine politisch sehr klar positionierte Kapelle. Und wenn man so eine Band an eine Schule in der Sächsischen Schweiz oder im Erzgebirge schickt, ist das eine Ansage“, erklärt Michal. Weil die Anfragen so zahlreich und die Rückmeldungen so positiv sind, ist die Dresdner Band eine Kooperation mit dem Ausländerrat Dresden eingegangen, hat Förderanträge gestellt und sich entschieden, ihr Workshopangebot zu erweitern. Neben den Banda-Mitgliedern hat sie weitere Musiker*innen und Pädagog*innen an Bord geholt. Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt sie dabei.
Doch damit ist jetzt erstmal Schluss. Für viele der Banda-Musiker*innen, die hauptberuflich an Musikschulen unterrichten oder als freischaffende Künstler*innen tätig sind, brechen die Einnahmen weg. „Die Band ist unsere Form von politischem Engagement, und das ist gerade in Gefahr, weil viele von uns um ihre Existenz bangen“ erklärt Michal. Sich in dieser Situation zu organisieren und alternative Formen politischen Engagements zu überlegen, ist eine große Herausforderung.
„Unsere Workshops kann man nicht durch ein Online-Format ersetzen – die Begegnung auf Augenhöhe mit den jungen Menschen fehlt“, erklärt Thabet. Die engagierten Musiker*innen finden trotzdem Möglichkeiten, mit den Schüler*innen in Kontakt zu bleiben. Mit einer Videoreihe bringen sie ihre Workshops in die Wohnzimmer Sachsens. So erklärt Thabet aus seiner Wohnung Gemeinsamkeiten und Unterschiede arabischer und europäischer Musik. In Michals Werkstatt erfahren die Zuschauer*innen mehr über die Kalimba. Schlagwerker Qutaiba erklärt aus seinem Zimmer, wie Body Percussion funktioniert. Ihre Online-Tutorials hat die Band an Lehrer*innen in ganz Sachsen geschickt, damit die sie im Unterricht einsetzen können.
Als die Stadt Dresden am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, eine Pegida-Demonstration mit 80 Teilnehmenden genehmigt, macht die Band jede Menge digitalen Wind – und erreicht gemeinsam mit anderen engagierten Dresdner*innen, dass die Entscheidung revidiert wird. Nur noch 15 Pegida-Anhänger*innen dürfen in Dresden aufmarschieren. Fazit: Die Zivilgesellschaft bleibt aktiv.