Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Sächsischer Förderpreis für Demokratie

Zivilgesellschaft unter Druck

© Mut gegen Rechts

Die Demokratie in Sachsen steht unter Druck. Das Superwahljahr 2024 bringt neben
der anstehenden Europawahl auch Kommunalwahlen und die Landtagswahlen mit
sich. Zurzeit steht die vom Sächsischen Verfassungsschutz erst kürzlich als gesichert
rechtsextrem eingestufte AfD mit über 30% der Wähler*innenstimmen vorn. Gefolgt
von der CDU, die auch um die 30% verzeichnet, während die Linke bei gerade einmal
8%, die Grünen bei 6% und die SPD bei knapp 5% steht. Während sich Fragen nach Regierungsbildung
und der Etablierung einer rechtsextremen Partei auch im bundesweiten Kontext stellen, bedeutet
dies auch für zivilgesellschaftliches Engagement in Sachsen eine enorme Herausforderung.
Schon jetzt klagen zivilgesellschaftliche Akteure über Anfeindungen aus rechtsextremen Milieus, die Sorge in
manchen Landkreisen Sachsens nachts noch auf die Straße zu gehen und Beratungsstellen von Betroffenen
rechter Gewalt erhalten Anfragen in Rekordhöhe. Und auch neben den Anfeindungen von politischen Gegner*
innen, erleben zivilgesellschaftliche Akteur*innen auch Abneigung von kommunaler Seite und machen teils
die Erfahrung, als Nestbeschmutzer*innen bezeichnet zu werden, sobald sie Rechtsextremismus offen thematisieren.
Die Förderung und Unterstützung der aktiven Bürger*innenschaft befindet sich schon jetzt in einer angespannten
Situation.

An der sich auftuenden Leerstelle möchte der Sächsische Förderpreis für Demokratie ansetzen. Er wird seit 2007
einmal im Jahr an Initiativen und Projekten in Sachsen verliehen, die sich durch ihr besonderes Engagement für
eine offene und demokratische Zivilgesellschaft Sachsens engagieren und sich gegen Rechtsextremismus vehement
zur Wehr setzen. Die Amadeu Antonio Stiftung, die Dirk Oelbermann Stiftung, die Freudenberg Stiftung
und die Sebastian Cobler Stiftung verleihen gemeinsam einen Haupt- und mehrere Anerkennungspreise, einen
Kommunenpreis sowie in Kooperation mit dem Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und
Gleichstellung den Peter-Henkenborg-Preis für besonders innovative Didaktik in der politischen Bildung. Die mit
der Auszeichnung verbundenen Preisgelder ermöglichen es, das Engagement fortzusetzend oder neue Projektideen
auf den Weg zu bringen, vor allem wenn es an anderen Finanzierungsquellen fehlt. Neben der Ehrung
des zivilgesellschaftlichen Engagements wird den Akteur*innen gleichzeitig eine Bühne gegeben, über Herausforderungen
und ihre Wünsche zu sprechen. So wurde bei der Preisverleihung Ende des letzten Jahres die fehlende
Unterstützung von staatlicher und kommunaler Seite thematisiert. Besonders neue Organisationen, die
nicht auf langfristig gewachsene Strukturen zurückgreifen können, berichteten von dem Druck, unter dem sie
in ihrem Alltag stehen.

Mit Etablierung der AfD auf Landtags- aber auch auf kommunaler Ebene wird sich die nun schon mehr als angespannte
Situation noch deutlicher zuspitzen.
Privates Stiftungskapital ist in Ostdeutschland kaum vorhanden, weshalb demokratiefördernde Projekte und
Initiativen auf kommunale Unterstützung und staatliche Fördertöpfe angewiesen sind. Sollten diese sowieso
kaum ausreichenden Fördermittel mit den Wahlen wegfallen, würde dies eine nicht zu füllende Leerstelle
eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2024 vom 25.01.2024
Berlinghoff, Anna: Sächsischer Förderpreis für Demokratie
eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2024 vom 25.01.2024
Seite 2
hinterlassen. Da sich die AfD auf Sächsischer Landtagsebene aktiv gegen Steuermittel für zivilgesellschaftliche
Akteur*innen ausspricht, ist dies kein abwegiges Szenario. Für die Bekämpfung von Rechtsextremismus und für
Demokratiearbeit in Sachsen ist es daher entscheidend, dass Parlamente und Räte nicht mehrheitlich von
rechtsextremen Parteien besetzt sind. Mit derzeitigen Wahlprognosen für Landes- und Kommunalregierung
wäre an den konsequenten Schutz für von Rassismus oder Queerfeindlichkeit Betroffene oder an die Teilhabe
geflüchteter Menschen kaum zu denken.

In Pirna ist diese Frage bereits Realität geworden. Mit Tim Lochner gewann im Dezember 2023 ein von der AfD
unterstützter Kandidat den Posten zum Oberbürgermeister und damit ein Kandidat, der verschwörungsideologische
Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen organisierte, der ankündigte keine Regenbogenfahne am
Rathaus mehr zu hissen, das Gendern zu verbieten und der von einem »Bevölkerungsaustausch« spricht. Was
nun mit dem in Pirnas Verwaltung angesiedelten Fachdienst Demokratie, Migration und Prävention geschieht,
dem CSD oder dem Markt der Kulturen, den die Stadt bisher unterstützte, bleibt unklar. Auch was mit den Mitteln
für den Verein »Aktion Zivilcourage« passiert, die Lochner schon im Wahlkampf versprach, in andere Bereiche
zu stecken, ist weiterhin unklar. (1) (2)

Für die Stabilität der Demokratie in Sachsen ist es notwendig, auch auf lokaler Ebene Akteur*innen zu unterstützen,
die aktive Zivilgesellschaft zu fördern und demokratisch zu bilden. Gerade in Ostdeutschland steht bürgerschaftliches
Engagement schon jetzt vor Überforderung. Mit der Auslobung des Sächsischen Förderpreises
für Demokratie möchten die auslobenden Stiftungen diesen Entwicklungen aktiv entgegengetreten und Engagement
für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit ehren. Der
Zivilgesellschaft soll Sichtbarkeit verschafft werden und sie mit den Preisen finanziell unterstützt werden.
Gleichzeitig wird für Preisträger*innen und alle anderen Bewerber*innen ein Ort geschaffen, an dem sie sich
austauschen, Erfahrungen teilen und sich verbünden können. Angesichts der Konfrontation mit politischen
Gegner*innen sowie eines herausfordernden Alltags soll mit der Verleihung des Sächsischen Förderpreises für
Demokratie ein Fest für eine lebhafte, mutige und offene Demokratie in Sachsen gefeiert werden.

Anmerkungen

(1) https://www.lvz.de/der-osten/pirna-nach-afd-wahlerfolg-eine-katastrophe-befuerchtungen-der-stadt-HK2QIYVYQNHSXFR6NJ4367DBEU.html
(2) https://www.saechsische.de/pirna/politik/pirna-aktion-zivilcourage-bekommt-nun-doch-zuschuesse-5544298-plus.html

Der Artikel erschien zuerst im eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2024 vom 25.01.2024

Weiterlesen

Nickolas(3)
Interview

Schule, aber rechts: Was tun gegen rechtsextreme Schüler*innen und Eltern?

Vor wenigen Tagen warnten die Schülervertretungen aller ostdeutschen Bundesländer vor wachsenden Rechtsextremismus. Inzwischen belegen auch Zahlen aus den Ländern diesen Eindruck: Nicht nur
im Osten haben sich rechtsextreme Vorfälle an Schulen vervielfacht. Rechtsextreme Cliquen auf dem Schulhof, Hakenkreuzschmierereien im Klassenzimmer und überforderte Lehrer*innen mittendrin. Was tun? Unser Kollege Benjamin Winkler klärt auf.

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.