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Analyse

Zwischen Desinformation und Gewalt: Wie die AfD den Neonazi-Angriff in Bad Freienwalde für ihre Agenda umdeutet

Am vergangenen Sonntag wurde das Fest der Vielfalt in Bad Freienwalde, das als buntes Zeichen für Toleranz, Demokratie und gegen Rechtsextremismus geplant war, von einem brutalen Angriff überschattet. Vermummte Täter, mutmaßlich aus dem Umfeld der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“, stürmten mit Holzlatten und anderen Schlagwaffen die Veranstaltung, verletzten Teilnehmende und verbreiteten Angst unter den Besucher*innen – darunter viele Familien mit Kindern. Der Angriff offenbart einmal mehr die zunehmende Bedrohung durch rechte Gewalt und die gezielten Versuche, zivilgesellschaftliches Engagement zu diskreditieren und einzuschüchtern. Bereits im Februar geriet eine Veranstaltung von „Bad Freienwalde ist bunt“ zur Zielscheibe der rechtsextremen Kleinstpartei. Wenige Tage nach dem Angriff von Neonazis aus dem mutmaßlichen Umfeld des „III. Weg“veröffentlicht die AfD ein gezieltes Desinformationsvideo. Ziel dieses Videos ist es, die Veranstalter*innen zu diffamieren und den rechtsextremen Hintergrund des Angriffs in Zweifel zu ziehen.

Der AfD-Direktkandidat Lars Günther – selbst nicht vor Ort, ebenso wie sein fragwürdiger Gesprächspartner – behauptet darin, „aufzuklären, was wirklich in Bad Freienwalde passiert ist“. Günther ist tief in der rechtsextremen Szene verwurzelt: Er war Mitarbeiter des rechtsextremen Verlags Compact und gilt als enger Vertrauter von Andreas Kalbitz. Das Video ist durchzogen von offener Queer- und Transfeindlichkeit – genau dieses Feindbild wird gezielt bedient, weil es in ihrer Anhängerschaft auf Resonanz stößt. Dabei ging es bei der Veranstaltung „Bad Freienwalde ist bunt“ um weit mehr: ein kleines, lokales Demokratiefest, offen für alle. Ein Fest der demokratischen Zivilgesellschaft, das Menschenrechte feiert, Vielfalt lebt und niemanden ausschließt. Genau deshalb wurde es zum Ziel eines Angriffs. Es war ein Angriff auf all jene, die sich für ein friedliches, solidarisches und demokratisches Miteinander einsetzen – und sich trotz rechtsextremer Einschüchterung nicht zurückziehen.

„Bad Freienwalde ist bunt“: ein Fest für Demokratie und Vielfalt

Aus diesem Grund wird „Bad Freienwalde ist bunt“ nun von Günther und seinem Gesprächspartner als „Fest des Gender-Kults und der Regenbogenfahnen“ diffamiert und diskreditiert. Dabei bedienen sie sich nahezu aller gängigen rechtsextremen Narrative zur sexuellen und geschlechtlichen Selbstbestimmung. Unter dem Deckmantel des vermeintlichen Kinderschutzes und der angeblichen Frühsexualisierung werden trans* Menschen entmenschlicht und kriminalisiert. Queere und trans* Identität werden als „wider der Natur“ und „Fetisch“ bezeichnet – ein perfides und etabliertes Narrativ der extremen Rechten. Diese Hetze geht einher mit systematischer Faktenverdrehung: Presseberichte werden als parteiisch dargestellt, das Bildungssystem wird beschuldigt, Kinder zu ideologisieren.

Verschwörungsmythen und Täter-Opfer-Umkehr

Zusätzlich versucht die AfD, den rechtsextremen Angriff als Inszenierung zu verkaufen. So behauptet Günther, die Presse sei „schon vorher da gewesen“, Teilnehmende seien „angekarrt“ worden, und es wird über angebliche „Lohnlisten“ spekuliert, auf denen die Täter gestanden haben sollen. Solche absurden Verschwörungsmythen treffen jedoch auf offene Ohren in der AfD-Anhängerschaft.

Zwischen den Zeilen – und teils ganz offen – äußert das Video Verständnis für den Angriff. Günther macht keinen Hehl daraus, dass er das Fest ablehnt, und bietet den Angreifern sogar Unterstützung an: „Wir finden Mittel und Wege, wie man seinen Zorn kanalisieren kann!“ Die bewaffnete Gewalt der Neonazis wird verharmlost, während der Selbstschutz der Anwesenden als Selbstjustiz diffamiert wird. In typischer Hufeisenrhetorik ist die Rede von „gewaltbereiten Antifa-Kadern“ – eine klare Täter-Opfer-Umkehr. Besonders fatal ist die verharmlosende Entpolitisierung des Angriffs durch den Bürgermeister der Stadt, der die Tat lediglich als „Störung“ bezeichnet und den Medien vorwirft, die Geschehnisse „aufgebauscht“ zu haben. So entsteht ein gefährlicher Mix aus Relativierung, Desinformation und gezielter Hetze.

Doch es geht noch weiter: Günther behauptet, „Bad Freienwalde ist bunt genug“, und wirft der Initiative vor, sich nicht um die „wahren Probleme“ der Region zu kümmern. Dabei instrumentalisiert er den Neonazi-Angriff am helllichten Tag, um rassistische Stimmung gegen „kriminelle Migranten“ zu schüren.

Arbeitsteilung der extremen Hetze: Hetze, Gewalt und Desinformation

Was wir hier erleben, ist die arbeitsteilige Strategie der extremen Rechten: Die AfD hetzt gegen Queers*, Vielfalt und Demokratie – Neonazis greifen an. Durch Desinformation, Verschwörungsmythen und gezielte Skandalisierung soll die demokratische Zivilgesellschaft diskreditiert und delegitimiert werden.

Das ist brandgefährlich. Es muss immer wieder betont werden: Die AfD ist eine queer- und transfeindliche, antidemokratische und rechtsextreme Partei. Auch in diesem Fall nutzt sie ihre Reichweite und ihre Netzwerke gezielt, um die Gewalt von Neonazis zu relativieren – und demokratisches Engagement zu diskreditieren. Unsere Solidarität und unser Dank gelten allen engagierten Menschen in Bad Freienwalde, die sich trotz solcher Angriffe und Schmutzkampagnen nicht einschüchtern lassen – und mit Veranstaltungen wie dem Vielfaltsfest für eine offene, demokratische Gesellschaft einstehen.

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