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12 Vorfälle pro Woche: Höchststand antisemitischer Vorfälle in Niedersachsen

Insgesamt 650 antisemitische Vorfälle dokumentierte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Niedersachsen für das Jahr 2024 und damit einen neuen Höchststand. Dies entspricht einem Anstieg von 86 % im Vergleich zum Vorjahr und mehr als 12 Vorfällen pro Woche.

RIAS Niedersachsen sind 2024 drei Vorfälle extremer Gewalt, 16 Angriffe und 35 Bedrohungen bekannt geworden und verzeichnete damit einen Anstieg in allen Gewaltkategorien. Der Großteil der Vorfälle (549) fiel in die Kategorie verletzendes Verhalten. Darunter werden antisemitischen Äußerungen gegenüber jüdischen, israelischen oder anderen Personen und Institutionen sowie Schmierereien, Plakate und Aufkleber erfasst. Die Anzahl und Intensität der erfassten Fälle, die im Zusammenhang mit den Massakern der Hamas am 7. Oktober und dem Krieg in Israel und Gaza stehen, übersteigen alle von RIAS Niedersachsen in der Vergangenheit dokumentierten Trends.

Die am häufigsten dokumentierte Form von Antisemitismus im Jahr 2024 war der israelbezogene Antisemitismus mit 63 %. Dieser zeigt sich oft darin, dass klassische antisemitische Stereotype auf den Staat Israel übertragen werden. Häufig tritt israelbezogener Antisemitismus in Verbindung mit anderen Erscheinungsformen wie etwa dem Post-Shoa-Antisemitismus auf. Dies geschieht beispielsweise, wenn Israel mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt wird. Motive des Post-Shoa-Antisemitismus, die sich etwa in Verharmlosung oder Leugnung der Shoa ausdrücken, dokumentierte RIAS in 44 % der Fälle.

Katarzyna Miszkiel-Deppe, Projektleiterin der Dokumentationsstelle RIAS Niedersachsen: „Die Nachwirkungen des 7. Oktober 2023 sind weiterhin spürbar. Das Massaker der Hamas und der Krieg zwischen Israel und Gaza schafften eine Gelegenheitsstruktur, in der antisemitische Vorfälle begünstigt oder wahrscheinlicher wurden. Jüdische Menschen sind täglich auch in Niedersachsen Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt und werden weiterhin für Entwicklungen verantwortlich gemacht, mit denen sie nichts zu tun haben, wie beispielsweise für die Handlungen des Staates Israel. Es gilt, das Augenmerk sowohl der Öffentlichkeit als auch der Politik auf diese Heterogenität der Vorfälle zu lenken, um effektive Maßnahmen gegen Antisemitismus zu ergreifen. Dieser stellt eine ernsthafte Bedrohung dar und widerspricht grundlegenden Prinzipien einer offenen und vielfältigen Gesellschaft.“

Im Jahr 2024 waren in Niedersachsen insgesamt 215 Einzelpersonen und 116 Institutionen von antisemitischen Vorfällen betroffen. Die meisten Vorfälle (264) fanden wie im Jahr zuvor auf der Straße statt. Besonders besorgniserregend ist der Anstieg von Vorfällen an Bildungseinrichtungen wie Hochschulen, Schulen und Kitas – hier gab es 90 Fälle.

Bei den Vorfällen, die einem politisch-weltanschaulichen Hintergrund zugeordnet werden konnten, dominierte der antiisraelische Aktivismus mit 30 %. Vorfälle mit dem Hintergrund Rechtsextrem nahmen mit 12 % prozentual zwar ab, stiegen in absoluten Zahlen jedoch auf 78 Vorfälle an. In 43 % der Fälle blieb der Hintergrund unbekannt. Grundsätzlich ist weiterhin von einem großen Dunkelfeld antisemitischer Vorfälle auszugehen.

Seit dem 7. Oktober haben sich antisemitische Anfeindungen und Angriffe gegen Jüdinnen*Juden deutlich verstärkt. Sie sind allgegenwärtig geworden. Die Betroffenen stehen vor der schwierigen Entscheidung, zwischen ihrer Sichtbarkeit als jüdische Menschen und ihrem persönlichen Schutz abzuwägen. Der Bericht versucht das Dunkelfeld des Antisemitismus punktuell zu erhellen und die verschiedenen Dimensionen des Antisemitismus sowie Problemfelder aufzuzeigen. Weiterhin ist von einem hohen Dunkelfeld nicht gemeldeter und dokumentierter Vorfälle auszugehen.

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RIAS Niedersachsen

RIAS Niedersachsen ist Anlaufstelle und zivilgesellschaftliches Sprachrohr für Betroffene und Zeug*innen von antisemitischen Vorfällen und dokumentiert diese.

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