Empfehlungen für die Praxis
Der Glaube an eine geheime Verschwörung „der Mächtigen“ ist sehr alt und spricht auch heute tiefliegende Bedürfnisse an: Menschen können sich die immer komplexer werdenden gesellschaftlichen Verhältnisse nur dadurch erklären, dass bestimmte kleine Gruppen oder gar einzelne Personen das Geschehen in Wirtschaft, Politik und überall nach geheimen Plänen lenken würden. Viele Menschen fühlen sich ohnmächtig angesichts der vielen gesellschaftlichen Probleme und dem großen Unrecht weltweit, und auch die eigenen Lebensumstände scheinen unveränderbar. Abstrakte Problemlagen (beispielsweise „die Gentrifizierung“, „die Arbeitslosigkeit“, Kriege und Naturkatastrophen) lassen sich, so das Gefühl, leichter bekämpfen, wenn man konkrete Schuldige benennt. Auch für die vielen Zwänge, in denen man lebt, will man gerne jemanden verantwortlich machen können.
Eine konkrete Kritik ist aber meist gar nicht so einfach, und viele greifen auf bestehende Vorstellungen über bösartige Gruppen zurück. Antisemitismus ist die älteste und bekanntest Verschwörungstheorie der Geschichte. Sie bildet das Grundmuster für weitere Verschwörungserzählungen, selbst wenn sie auch andere Gruppen als Schuldige benennen. „Die Juden“ werden als das personifizierte Böse dargestellt und immer wieder für unverstandene, als bedrohlich und ungerecht erlebte Ereignisse und Verhältnisse verantwortlich gemacht.
Hier finden Sie Empfehlungen, Tipps und Literaturhinweise sowie Anlaufstellen für die pädagogische Arbeit:
2×6 Punkte gegen Verschwörungsdenken
Im pädagogischen Alltag ist besonders wichtig:
- Nehmen Sie ernst, dass Heranwachsende sich für politische Verhältnisse und Ereignisse interessieren, die durch Verschwörungsdenken scheinbar erklärt werden.
- Zeigen Sie Haltung und markieren Sie eine Grenze, wenn antisemitische oder rassistische Äußerungen fallen. Verweisen Sie auf Ihre gemeinsame Grundhaltung gegen Unrecht und für die Menschenrechte.
- Nehmen Sie ernst, dass Jugendliche durch die aktuellen Maßnahmen in ihren altersgemäßen Bedürfnissen besonders stark eingeschränkt werden, und zeigen Sie auf, wo auch Sie unter bestimmten Regelungen leiden.
- Fragen Sie generell bei Verschwörungserzählungen (Chemtrails, IS als Erfindung Israels, …) weiter nach: Was willst du eigentlich wissen? Warum ist dir das so wichtig, wie bist du betroffen? Geht es um Angst, um Ungerechtigkeitsempfinden, um Wut …?
- Überlegen Sie gemeinsam: Wie können wir uns (über die Herkunft eines Virus, über den IS, …) breit informieren, nach verschiedenen Antworten suchen und sie beurteilen? Was gibt es vielleicht, was wir mit anderen gegen das Problem tun können?
- Wenn Sie Anzeichen für verfestigte Denkmuster erkennen, wenden Sie sich an auch überregionale Fachstellen, die Sie gegebenenfalls kompetent weitervermitteln. Im Papier finden Sie eine Liste.